In unserer zehnten Ausgabe nach fünf Jahren Lucy‘s Rausch befassen wir uns mit einem Herzensthema: dem Weiblichen in der Psychedelik. Denn die psychedelische Bewegung ist kein männliches Herrschaftsgebiet. Ihre Dynamik basiert auf der Einsicht, dass die menschliche Gemeinschaft zusammen am Erhalt unseres Lebensraums arbeiten muss, wenn sie künftigen Generationen die Erde in einem bewohnbarem Zustand übergeben will.
Dennoch wird häufig darüber diskutiert, weshalb vor allem männliche Akteure die psychedelische Forschung dominieren. In unserem Feature zu
den Grandes Dames der Psychonautik (ab Seite 36) würdigen wir die Lebensleistungen wichtiger Psychedelikerinnen und zeigen, dass es durchaus nicht nur die Herren der Zunft sind, die etwas zum Thema
beizutragen haben. Doch letztlich geschieht die Veränderung des Bewusstseins jenseits der Geschlechter. Erst wenn die Unterscheidung zwischen dem Männlichen und dem Weiblichen keine Rolle mehr spielt, fügt sich das Puzzle des menschlichen Lebens zu einem Ganzen.
In diesem Heft bringen wir erstmals einen Artikel über das Kambô-Ritual, das sich des Gifts eines im Dschungel lebenden Frosches namens Phyllomedusa bicolor bedient, um heilsame Zustände zu induzieren. In den «zivilisierten» westlichen Gesellschaften ist das vor allem eine neue
Mode. Nach dem Boom um die Coloradokröte Bufo alvarius, deren Sekret 5-Methoxy-DMT enthält, welches Psychonauten immer häufiger verwenden, um damit ultimative visionäre und spirituelle Erfahrungen hervorzurufen, muss nun Phyllomedusa bicolor dafür herhalten, die Bedürfnisse und die Egos postmoderner Westler zu befriedigen.
Wie viel echte Spiritualität kann man erwarten, wenn man für seine Erlebnisse darauf baut, Tiere auszubeuten? Ich erhalte oft Anfragen aus
dem psychedelischen Untergrund, in denen sich Personen erkundigen, wo sie denn Frösche und Kröten herbekommen, ob diese im Terrarium gut zu
halten seien und wie man die armen Tiere am besten melkt, um so an die begehrten Inhaltsstoffe zu gelangen. Solche Fragen beantworte ich grundsätzlich nicht. Sie zeugen nur von der Unbewusstheit der Fragesteller, die sich in jene Kreise einreihen, welche sie sonst gerne verteufeln. Es geht um Coolness, Kommerz, Egozentrismus – und eben gerade nicht um Bewusstseinserweiterung.
Unser neuer Autor René Schliwinski ist ein Experte auf dem Gebiet des Kambô-Rituals und wirft in seinem Artikel einen Blick auf die traditionellen
Anwendungsgebiete der indigenen Therapie und auf die Moleküle, die bei der Kambô-Behandlung heilsame Effekte hervorzurufen können. Damit ein Kambô-Ritual wirklich heilsam wirken kann, müssen die Anwender dabei zwingend auf Tierquälerei verzichten – und damit auf Egomanie. Alles andere wäre im Licht der psychedelischen Erfahrung hanebüchen und fern jeder tieferen Erkenntnis.
In diesem Sinne wünsche ich der Lucy‘s-Leserschaft viel Vergnügen mit der aktuellen Ausgabe und ein psychoaktives, stets geistig fruchtbares Hier und Jetzt.
Markus Berger, Chefredakteur