Blickwechsel – Kunst und Drogenerfahrung

XtraPsychedelic Society Leipzig: Kunstevent SYNAESTHESIA

Psychedelic Street Art. Foto: Michael Kleim

Text und Fotos: Michael Kleim

 

„Die Bedeutung des Schauens für unser Menschsein kann gar nicht überschätzt werden, denn ohne Schauen, ohne Wahrnehmung allgemein, gibt es keine Schönheit, überhaupt keine menschliche Wirklichkeit“
Albert Hofmann

Die Quelle psychedelischer Kunst liegt m.E. nicht ausschließlich in Drogenerfahrungen oder kreativer Methodik. Das Wesen dieser Kunst besteht vor allem in einer besonderen Form der Wahrnehmung. Die Wirklichkeit wird in einer Tiefendimension erschaut. Dies führt zu einem Blickwechsel auf das Wunder des Lebens und auf die Vielschichtigkeit der Welt.

Psychedelische Kunst kann zu diesem Blickwechsel einladen. Ebenso wird aber auch der Blick auf das kulturelle Phänomen „Drogengebrauch“ und die Sicht auf drogengebrauchende Menschen verändert. Auf diese Weise kann psychedelische Kunst auch Menschen, die psychoaktiven Experimenten distanziert gegenüberstehen, zu einem Blickwechsel ermutigen.

Kunst und Drogenerfahrung sind in einer stetig wechselseitigen Beziehung ineinander verflochten. Auf einer äußeren Ebene hat Kunst die Realität von Drogengebrauch, Drogengebraucher*innen und Drogenkulturen in vielfacher Form dargestellt. Auch individuelle Konflikte oder gesellschaftliche Probleme, die durch Anwendung psychoaktiver Substanzen ausgelöst werden, sind als Thema künstlerischer Auseinandersetzung bearbeitet worden.

In einer inneren Perspektive widmen sich Künstler*innen der Drogenwirkung und versuchen, Bewusstseins- und Wahrnehmungsveränderungen kreativ darzustellen. Dabei wollen diese Kunstwerke Rauscherfahrungen nicht allein dokumentieren, sondern ihrerseits neue, weitere Rauscherlebnisse begleiten, Effekte verstärken und visuell zu tieferen Wahrnehmungsmöglichkeiten inspirieren.

Bedeutende Stilrichtungen wie Surrealismus, Symbolismus und psychedelische Kunst werden von visionär-ekstatischen Bewusstseinserfahrungen geprägt und gewinnen nicht selten eine religiös-mystische Dimension. Der Einfluss von drogeninspirierter Kunst auf Ästhetik, angewandte Kunst, Gebrauchsgrafik, Mode, Werbung, Film, Multimedia und Alltagskultur ist wahrscheinlich größer, als auf den ersten Blick vermutet.

Ebenen, auf denen Drogenkultur als Spiegel der Realität wahrnehmbar wird, sind unter anderen:

  • Religion, Spiritualität und Philosophie
  • Literatur
  • Film
  • Musik
  • Architektur
  • Heilkunst
  • Museologie
  • Theater und Tanz
  • Bildende Künste

 

HISTORISCHE BEISPIELE

Hieronymus Bosch (eigentlich Jheronimusw van Aken)
*1450, +1516 Niederlande

Hieronymus Bosch bevorzugte biblische und apokalyptische Themen. Seine bizarr-mystischen Traumlandschaften, die Bosch mit zahllosen rätselhaften Anspielungen und geheimnisvoller Symbolik auf die Leinwand zaubert, erinnern zuweilen an Rauschzustände, wie sie durch Nachtschattendrogen hervorgerufen werden. Tatsächlich finden sich in seinen Gemälden an verschiedenen Stellen Hinweise auf psychoaktive Pflanzen: Stechapfel, Alraun, Engelstrompete und auch Schlafmohn.

(Gemälde unter anderen: „Der Garten der Lüste“, „Versuchung des Heiligen Antonius“, „Meditation des Hl. Johannes“)

Pablo Picasso
*1881, +1973 Frankreich

Picasso gehörte ohne Zweifel zu den kreativsten, vielseitigsten und experimentierfreudigsten Künstlern des vergangenen Jahrhunderts. Im Harlekin, der bis zuletzt in seinen Werken auftaucht, hat Picasso sich selbst und seine Rolle innerhalb der Kunst gesehen. Während seiner frühen Pariser Phase, die auch als „blaue Periode“ bezeichnet wird, entstanden bedeutende Kunstwerke, die von blauen und grünen Farbtönen bestimmt werden – den Farben des Absinths. Picasso widmet sich in dieser Zeit den Menschen der Pariser Bohème – Außenseitern, Prostituierten, Absinthgebrauchern.

In seinen weiteren Kunstperioden wagt sich Picasso immer wieder über Grenzen herkömmlicher Wahrnehmungs- und Darstellungsweisen hinweg und zaubert Tiefenblicke auf die Leinwand. Im Jahr 1914 gestaltet er im Rahmen seiner aus unterschiedlichem Material bestehenden „constructions“ ein Absinthglas. Neben dem Absinth war Picasso auch mit Haschisch vertraut, das er seit seiner Jugend kannte. Es mache, so äußerte er einmal in einem Interview, fröhlich und rege die Phantasie an.

(Werke unter anderen: „Das Absinth Glas“ – construction, bestehend aus einem silbernen Zuckersieb und einer bemalten Bronzeskulptur, „Der Absinthtrinker“, „Absinthtrinkende Frau“, „Der Junge mit der Pfeife“)

Lucys Xtra

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