Text Stefan Haag
Thailand hat legalisiert! Diese Nachricht schlug im Frühsommer 2022 wie eine Bombe ein. Ausgerechnet Thailand, wo – wie bis dahin in Asien so üblich – harsche Strafen schon für Kleinstvergehen im Umgang mit Rauschmitteln drohten, hat eine bemerkenswerte Wende zumindest in seiner Cannabis-Politik vollzogen und sowas von legalisiert, dass man es nur noch als atemberaubend bezeichnen kann. In den 80er und 90er Jahren besuchte ich Thailand sehr oft, ja, ich war geradezu vernarrt in dieses Land. Danach kam ich nur noch sehr sporadisch. Das hatte mehrere Gründe, die unverhältnismäßig strenge Hanfprohibition war ein wichtiger davon. Das letzte Mal war ich 2018 dort, kurz bevor die Pandemie Thailands Fremdenverkehr zwei Jahre lang auf Eis legte, was dem Land einen Verlust von mehreren Hundert Milliarden Euro bescherte. Sicherlich war auch das ein Grund für die völlig überraschende Legalisierung von Cannabis: Schnell wieder viele Touristen anlocken, was in meinem Fall zumindest vortrefflich geklappt hat. Und so beschloss ich im März 23, mal wieder diese Orte aufzusuchen, die ich einst in meiner Sturm- und Drang-Phase häufigst frequentiert habe, und das waren vornehmlich thailändische Inseln.
Doch vor jedem Inselglück steht erst einmal die verrückte Hauptstadt im Wege: Bangkok, Krung Thep, Stadt der (gefallenen) Engel und wie sie sonst noch so genannt oder geschimpft wird. Und Bangkok – na klar – bedeutet für die allermeisten Traveller «Khao San Road». Manche sagen auch «Chaos-San-Road» und manche nennen den ziemlich runtergekommenen Traveller-Hotspot sogar «altehrwürdig» oder «legendär». Nun ja … hier trifft sich jedenfalls die internationale Rucksack-Gemeinde, seitdem es Rucksackreisende in Thailand gibt, also seit rund 50 Jahren. Generationen an Urlaubern wurden hier schon durchgeschleust beziehungsweise taten (und tun) das freiwillig: Ich das erste Mal 1982 und schon damals ging mir der Trubel mächtig auf die Eier, und zwar so sehr, dass ich genau 42 Jahre nicht mehr hingegangen bin.
Das hat sich somit geändert, denn die Khao San Road ist ja mittlerweile um eine wesentliche Attraktion reicher, und so schossen innerhalb weniger Monate die Cannabis-Shops aus dem Boden, wie einst die heiligen Pilze aus den thailändischen Kuhfladen, und die Ladendichte pro Quadratkilometer übertrifft nach nur einem Dreivierteljahr bereits die von Amsterdams Zentrum. Und so beginne ich halt, mich etwas durch den ein oder anderen dieser Läden durchzuarbeiten. Man ist ja nicht zum Vergnügen hier.
Schnell wird klar: Die meisten der Hanfhändler in der Khao San Road sind hochprofessionelle Läden mit schicker Hochglanz-Einrichtung und jeweiliger mehr oder weniger cooler Corporate Identity. Das wirkt alles ein bisschen wie Micky Maus auf mich, der US-Einfluss ist jedenfalls unübersehbar. Da wurde mächtig investiert und es ist in Windeseile eine richtige neue Industrie entstanden. Dabei ist es höchst interessant zu beobachten, auf was für Ideen manche kommen, um Geschäfte rund um meine Lieblingspflanze zu machen. Mitten in der Khao San arbeitet zum Beispiel ein McDonalds Tür an Tür mit einem Weed-Unternehmen zusammen (Motto: «Weed&Eat») und selbst in den schicken Supermärkten findet sich neben der Abteilung Schnaps eine auf Hochglanz polierte Ganja-Theke.
Bei meinem letzten Besuch in Bangkok vor vier Jahren war das alles doch noch etwas komplizierter. Da begab man sich mit einem volltrunkenen und von «Kamikaze» (Yaba, Crystal Meth) aufgeputschten Tuk-Tuk-Fahrer auf Drogenbeschaffungstour, die gerne in einer dunklen Gasse an einem stinkenden Klong endete, wo einem dann eine windige Gestalt ein paar Gramm miesen Laos-Grases verkaufte. Oder, noch besser, man vertraute sich irgendwelchen Straßendealern an, bei denen man nie sicher war, ob der Schwager oder beste Freund in Uniform nicht schon um die Ecke lauert, um dann den Stoff und den komplettem monetären Inhalt deines Geldbeutels zu beschlagnahmen.
Bangkok und kurz mal was besorgen … Mein Gott war das immer stressig und mein Gott, wie ist das jetzt cool. Ich hasse diese Phrase zwar, weil sie mich immer an die Vergänglichkeit alles und vor allem meines Seins erinnert, aber jetzt wende ich sie dennoch mal an: Schön, dass ich das noch erleben durfte.
Wobei ich nicht ich wäre, hätte ich nicht auch daran einiges auszusetzen. Denn ich tue mich einfach etwas schwer zu beobachten, wie der Turbo-Kapitalismus hier mein heiliges Kraut vereinnahmt. Wie jedes einzelne Gramm in aufwändigen Plastiktüten mit poppigen Bildern von irgendwelchen unglaublich lustigen chinastyligen Comicfiguren drauf verpackt wird. Abgesehen von diesem ganzen unnötigen Plastikmüll sehen die Grastütchen mancher Unternehmen wirklich aus, als ob da Süßigkeiten für Kinder drin wären. Bei aller Liebe zum Hanf, aber ob das wirklich sein muss und verkaufsfördernd ist? Ich weiß nicht recht.
Ich betrete trotzdem zwei solcher Schickimicki-Läden und kaufe jeweils ein Gramm vom teuersten Material, was sie haben. US-Importware mir unbekannter Bezeichnung, 100 Prozent Indica, weit über 30 Prozent THC-Gehalt und – Gott verzeihe mir – knapp 30 Euro im Preis. Wow! Das abgesehen von den diversen polizeilichen Beschlagnahmungen, die ich in meinem Dasein durchleiden musste, das mit Abstand teuerste Weed aller Zeiten. Allerdings – das muss ich einräumen – wohl auch so ziemlich das Beste. Einfach perfekter Stoff. Qualität hat halt ihren Preis und Luxus sowieso.
Ich will nicht verschweigen, dass es in diesen mir eher unsympathischen Läden auch durchaus günstigeres Ganja zu kaufen gibt. Die Preisklassen unterscheiden sich vor allem in der Herkunft der Ware, was wiederum eine gewisse Aussage über die Qualität beinhaltet. Ganz oben, also die kalifornische Sünde, die ich mir geleistet habe, für 800 bis 1000 Baht (Kurs übrigens: 40 Baht = ein Euro). Nächste Preisklasse für immer noch stolze 500 bis 700 Baht «Thai-Indoor» der verschiedensten Sorten. Die wurden wenigstens im Land produziert und haben also schon ihren Teil zum Bruttosozialprodukt beigetragen. «Thai Outdoor» verkaufen sie auch und zwar für – langsam wird’s erschwinglich – 200 bis 400 Baht das Gramm, und wenn man lange genug fragt und den richtigen Shop hat, bekommen Traditionalisten auch das «gute» alte südostasiatische in Ziegeln gepresste Standardgras für umgerechnet etwa zwei Euro das Gramm. Das Sauerbier sozusagen. Ich persönlich mag das nur noch, wenn es nichts anderes gibt. So wie früher halt.
Lucys Xtra
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