Text Markus Berger
Es gibt eine ganze Reihe von Menschen, die psychoaktive Drogen aus einer spirituellen Motivation heraus nehmen. Der schamanische Weg als Urtechnik und die psychedelische und psycholytische Therapie als moderne Verfahren haben bewiesen, dass sich mithilfe von psychoaktiven Substanzen die geistigen, nicht sichtbaren, andersweltlichen Realitäten explorieren lassen, und dass die Psychoaktiva dabei ein wichtiger Schlüssel zu Selbsterkenntnis und Heilung sein können.
Wie wir wissen, gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen echter gelebter Spiritualität und Religiosität. Spiritualität ergibt sich im Idealfall aus der eigenen Erfahrung, zum Beispiel als Resultat von Visionen, psychedelischen Erlebnissen, spontanen ekstatischen Zuständen, metaphysischen Offenbarungen und so weiter. Religiosität hingegen ist gekennzeichnet durch das Nachbeten fremdbestimmter, meist pseudospiritueller Dogmen. Wichtig ist nicht die eigene Erkenntnis (die in den meisten Religionen sogar unerwünscht ist), sondern die Unterwürfigkeit und Hörigkeit gegenüber einer Kirche, einem geistigen Anführer oder einer Heiligen Schrift (deren Verständnis in unseren modernen Zeiten in vielen Fällen ohnehin von Missinterpretationen unmöglich gemacht wird). Trotzdem kann festgehalten werden, dass auch die Religionen in ihren Anfängen sicherlich der Sehnsucht nach Spiritualität entsprungen sein mögen und vermutlich sogar den Anspruch hatten, ihre Anhänger geistig zu schulen.
Psychoaktive Pflanzen und Substanzen waren da von Anbeginn an Mittler zwischen den Welten, wenn nicht gar, wie manche Kollegen zu mutmaßen gewillt sind, die Psychedelika überhaupt erst eine wie auch immer geartete Spiritualität und in der Folge die Religionen zu Tage gebracht haben. Konsultieren wir den Ethnopharmakologen Christian Rätsch zu den Anfängen des Schamanismus (der keine Religion darstellt, sondern in all seinen weltweiten Ausprägungen ein echter spiritueller Erkenntnisweg ist), so liefert er die Verknüpfung zum Hanf gleich mit: „Von alters her ist der Hanf eine Schamanendroge. Die Entdeckung pharmakologisch wirksamer Pflanzen wird im Allgemeinen den Schamanen zugeschrieben, so auch die Entdeckung des Hanfes und dessen vielfältiger Verwertbarkeit. Er wurde schon im Neolithikum in Zentral- und Ostasien benutzt. Von dort stammt auch unser Wort „Schamane“. In der tungusischen Sprache bezeichnet shaman den heilenden prophezeienden Bewusstseinskünstler. Der früheste literarische bzw. ethnohistorische Beleg für Hanf findet sich in schamanistischen Texten aus dem alten China.“
Greifen wir den begonnenen roten Faden hier auf und beginnen unsere kleine Studie zur spirituellen Historie des Cannabis: Schon vor Tausenden von Jahren gehörte der Hanf als Werkzeug auf dem Weg der Erkenntnis dazu – auch in unseren Gefilden. Der Kulturanthropologe und Ethnobotaniker Wolf-Dieter Storl erläutert: „In unserem Kulturkreis war der Hanf seit der Jungsteinzeit, also noch vor den Kelten, eine wichtige Kulturpflanze. Das belegen die auf 5500 v.u.Z. datierten Grabfunde aus Thüringen. Die Germanen weihten die Faser- und Textilpflanze der holden Göttin Freya. Im vorchristlichen Kultus wurden die nahrhaften Samenkörner in den Nächten zur mittwinterlichen Sonnenwende den Verstorbenen und Ahnen als Speise geopfert. Für viele Naturvölker sind es die Toten, die vom ‚Jenseits‘ aus, die Fruchtbarkeit im Diesseits bewirken: So ist es verständlich, dass Hanfsamen Fruchtbarkeit und Gedeihen symbolisierten. Die Gespinstpflanze Hanf machte die Fahrt auf dem offenen Meere möglich, denn aus ihren festen Fasern ließen sich Segel und Taue herstellen. Später lieferte die Pflanze das Papier, auf dem die Bibel, das ‚Wort Gottes‘, gedruckt wurde – so wurde der Hanf unwillkürlich auch Träger der sakralen Kultur des christlichen Europas“.
Lucys Xtra
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