George Jacob Jung, auch bekannt als „Boston George“ oder „El Americano“, erblickte am 6. August 1942 in Boston das Licht der Welt. Gegen Ende der 60er Jahre begann er Cannabis von Kalifornien nach Neu-England zu schmuggeln. Seine damalige Freundin, die zu dieser Zeit als Stewardess arbeitete, transportierte das begehrte Konsumgut in ihrem Handgepäck.
Da durch diese Art des Schmuggels nur vergleichsweise geringe Mengen transportiert werden konnten, begannen Jung und seine Komplizen, größere Mengen mit kleinen Flugzeugen in die USA einzuführen. Die Ladungen wurden von Puerto Vallarta, an der mexikanischen Westküste, in die Vereinigten Staaten importiert.
Dieses profitable Geschäft nahm ein jähes Ende, als er 1974 in Chicago für den Schmuggel von 300 Kilo Marihuana festgenommen wurde. Seine darauf folgende Haftstrafe trat er in der Bundesstrafanstalt in Danbury an.
Sein dortiger Zellennachbar war Carlos Lehder Rivas – eine Bekanntschaft, die Jungs Karriere als Cannabisschmuggler beenden sollte. Lehder hatte Verbindungen zum Medellín-Kartell, einem damals international agierendem Drogenschmugglerring, der von Pablo Escobar gegründet wurde.
Im April 1975, kurz nach ihrer Haftenlassung, begannen die beiden, ihre Talente zu bündeln, um im großen Stil Kokain in die USA einzuführen. Daraus entstand eine höchst effiziente und finanziell sehr ertragreiche Verbindung. In Jungs eigenen Worten:
“There was an 85 percent chance that if you snorted cocaine between 1977 and 1984, it was ours.”
(etwa: Wenn man zwischen 1977 und 1984 Kokain schnupfte, bestand eine 85-prozentige Chance, dass es von uns stammte.)
Es folgten einige ereignisreiche Jahre des Schmuggels, bevor Jung im Jahr 1994 mit ungefähr 800 kg Kokain in Kansas festgenommen wurde. Er wurde zu einer Haftstrafe von 60 Jahren verurteilt, die er nach einer Haftzeitverkürzung am 27. November 2014 abgesessen hatte.
Seine bewegte Lebensgeschichte wurde im Kultfilm Blow festgehalten, in dem Johnny Depp als George Jung auftritt.
Die Darstellung der traurigen Karriere von Jung dient jedoch nicht der Verherrlichung des Lebens als Drogenschmuggler, sondern zeigt sehr anschaulich die widersprüchliche US-amerikanische Drogenpolitik bzw. die Doppelzüngigkeit so mancher US-Politiker.
Kokain war die Modedroge der „High Society“ in den 1970er Jahren – und außer dem Preis hat sich bis heute nicht viel daran geändert. Politiker, Schauspieler, Musiker und Studenten in der weißen Bevölkerung sind nicht selten die Konsumierenden. Der Konsum war en vogue, aber wehe dem, der diesen Konsum bediente.
Ebenso perfide: Der US-Auslandsgeheimdienst CIA war zu dieser Zeit nachweislich in illegalen Heroinschmuggel (McCoy 1972) involviert, während Jung öffentlich an den Pranger gestellt wurde.
Sicherlich sollte er für seine Zusammenarbeit mit der organisierten Kriminalität kritisiert werden – heuchlerisch ist aber, ihn für Drogenschmuggel zu bestrafen, während die amerikanischen Geheimdienste offenbar völlig losgelöst von jeder Gesetzgebung mit illegalem Drogenhandel, Geldwäsche und schwarzen Konten weitere kriminelle Operationen durchführen konnten.
Der sogenannte „War on Drugs“ war bereits zu seiner Entstehung eine Farce, in der Jung nur ein weiteres unnötiges Opfer darstellte.
„May the wind always be at your back and the sun upon your face. And may the wings of destiny carry you aloft to dance with the stars.“ (Zitat aus Blow)
Dirk Netter