«Das Ego ist nicht relevant»

Der DJ und Produzent Roger Martinez

Roger Martinez ist in vielen Clubs zuhause. Foto: Gembookings

Der musikalische Globetrotter Roger Martinez (32) stammt aus Holland und wuchs in Amsterdam auf. Heute bereist er als psychedelischer Techno-DJ und –Produzent die ganze Welt.

Du machst ganz offenkundig Techno- bzw. Electro-Musik und -Sets für psychedelische Zustände. Ist das deine Intention?

Ja und nein. Es sind auf jeden Fall Übersetzungen meiner eigenen psychedelischen Erfahrungen, das gilt vor allem für meine Musikproduktionen. Musik ist ein perfektes Kommunikationsmittel, um darüber zu erzählen. Und das Publikum versteht diese nonverbale Sprache gut. Ich bin aber ein vielseitiger Mensch, nicht nur Musiker und DJ.

«Musik hat für mich immer zeremoniellen Charakter.»

So mache ich gern Yoga und Meditation, manchmal male und schreibe ich auch. Es gibt so viele Möglichkeiten, sich weiterzubilden. Ich freue mich, wenn ich den Menschen dienen kann. So sehe ich auch die Musik: als Service. Gleichzeitig brauche ich die musikalische Kommunikation selber auch. Letztendlich ist es ein Austausch zwischen Menschen. Musik hat für mich immer zeremoniellen Charakter.

Seit wann ist Musik dein bevorzugtes Kommunikationsmittel?

Ich beschäftige mich schon mein ganzes Leben lang mit Musik. Vor etwa 12 Jahren habe ich begonnen, selber zu produzieren und immer mehr aufzulegen.

Du bist immer häufiger auf den Bühnen der Welt unterwegs.

Schon, aber es geht mir nicht darum, so viele Auftritte wie möglich zu haben. Ich mag diese Kommerzialisierung nicht, ich spiele lieber für eine ausgewählte Gruppe von Liebhabern. Da merke ich immer: Hey, das ist nicht einfach ein Publikum, das sind Seelenverwandte! Die haben die gleichen Interessen wie ich, zum Beispiel an Psychedelika und erweiterten Bewusstseinszuständen. Musik kann da unglaublich zusammenschweißen, auch über die Sprachbarrieren hinaus.

«Wir Wesen können eigentlich immer alles teilen.» Roger Martinez

Also ist dein Beruf mehr Berufung als Lebenserwerb.

Für mich bedeutet Freiheit vor allem, nicht permanent arbeiten zu müssen. Das wirkliche Kapital, das wir Menschen haben, ist nicht das Geld, sondern die Zeit und unser Bewusstsein. Wir arbeiten so viel, lenken uns immer irgendwie ab. Dabei vergessen wir ganz oft zu leben und die Zeit zu genießen, die wir in dieser Form auf der Erde haben. Das möchte ich für mich nicht. Ich möchte lieber etwas weniger Auftritte haben und dafür die Zeit genießen und meine Erfahrungen reflektieren, so wie ich das mit meiner Musikproduktion mache.

Würdest du sagen, dass Live-Sets mit schamanischen Ritualen gleichzusetzen sind?

Nicht unbedingt, aber sie sind sich schon ähnlich. Wenn ich in einen Club komme, dann spüre ich sofort die Atmosphäre und die Stimmung der Leute. Und dann muss ich immer aufmerksam sein und aufpassen, welche Reize ich triggere. Wenn ich spiele, ist das ein komplett bewusster und erweiterter Akt, und man kann sich vom Fluss der Musik mitreißen lassen. Das ist der schamanischen Kultur schon sehr ähnlich. Schamanen sind im Alltagsleben Menschen wie du und ich. Zum Beispiel Hausmänner, Leute mit normalen Problemen. Ihre Arbeit als Schamanen machen sie dann ganz oft eher nebenbei. Das Ego ist während der schamanischen Arbeit nicht relevant. Man muss unbedingt loslassen, und dann passieren außerordentliche Sachen.

Deine Message an die Lucy’s-Leser?

Wir Wesen können eigentlich immer alles teilen. Nicht nur Güter, sondern auch Emotionen, Einsichten und Erlebnisse. Das gute Gefühl zu teilen, ist das Größte, was man erfahren kann.

www.rogermartinez.live
soundcloud.com/rogermartinez

Interview Markus Berger