Der Stein der Weisen

Unter LSD kann man in einen sehr tiefen Zustand geraten. Das Ich kann entschwinden, man kann sich als Bestandteil eines Ganzen wahrnehmen und sich im Himmel und auf der Erde heimisch und im Universum geborgen fühlen, ja sogar mit einem allumfassenden Bewusstsein verschmelzen. Das ist ein mystischer Zustand, der auch durch Meditation angestrebt wird. Ein paar Millionstel Gramm LSD verändern die Wahrnehmung dramatisch – es ist nicht nur einfach das bekannte Bild, ein bisschen verzerrter oder bunter, es ist ein völlig anderes Programm.

Man sollte LSD nicht sorglos einfach so nebenbei nehmen.

LSD ist ein Werkzeug der Bewusstseinsforschung und der Bewusstseinserweiterung. LSD stellt das Wissen und die Erfahrungen, die wir in unserem Hirn gespeichert haben, neu zusammen und verschafft uns dadurch neue Einsichten. Richtig angewendet, führt LSD den Menschen zu der Erkenntnis, was er werden und sein sollte, nämlich eher ein geistiges als ein technisches Wesen.

RITUELLE KULTDROGEN. Nach der Einnahme von LSD bekommen manche Menschen Angst und das Gefühl, sie seien verloren, wenn sie in einen so völlig anderen Zustand geraten. LSD ist nahe verwandt mit Psilocybin, dem Wirkstoff von Zauberpilzen, und anderen uralten Kultdrogen, deren Wirkung schon die Indianervölker kannten. Weil diese Kultdrogen in ein anderes Bewusstsein führen, wurden sie von einem Priester oder einer Priesterin in einer rituellen Zeremonie abgegeben.
Deshalb sollte man LSD nicht sorglos einfach so nebenbei nehmen. Wer seine Gefühle verdrängt, über wenig Empathie verfügt, rigide ist und unvorbereitet und in einer ungünstigen Umgebung LSD konsumiert, riskiert, einen unangenehmen Horrortrip zu erleben, der ihn oder sie in den Wahnsinn treiben kann.

VORSICHT: LSD-FALSIFIKATE! Es kommt immer wieder mal vor, dass Trips («Pappen», «Tickets», «Filze», «Micros» etc.) andere Inhaltsstoffe als LSD enthalten. Dabei handelt es sich meistens um Substanzen des Typs NBOMe, Phenethylamin-Derivate, die wie LSD im Mikrogrammbereich wirken. Sie werden sublingual konsumiert (der Trip wird unter die Zunge gelegt, die Substanz wird von der Mundschleimhaut aufgenommen).
Bei oraler Einnahme kann es zu einer sehr schwachen oder zeitlich verzögerten Wirkung kommen, wodurch die Gefahr des Nachlegens und dadurch möglicher gefährlicher Überdosierungen steigt. Diese Substanzen können nicht nur zu einer starken psychotropen Wirkung führen, sondern auch zu Herzrasen, Krämpfen, Agitiertheit, Angst- und Panikattacken, Paranoia, Zittern, unwillkürlichen Muskelkontraktionen und Durchblutungsstörungen.
Im Gegensatz zu LSD, das geschmacklos ist, schmeckt NBOMe bitter. Dies gilt auch für DOC (2,5-Dimethoxy-4-chloroamphetamin), das schon mehrfach auf Trips gefunden wurde. DOC wirkt länger als LSD – bis zu 20 Stunden nach der Einnahme. Durch den sehr späten Wirkungseintritt besteht die Gefahr des Überdosierens. DOC wirkt stark halluzinogen und euphorisierend, Musik und Bewegungen werden intensiver wahrgenommen. DOC kann aber auch zu Brustschmerzen, Gefäßverengungen und Übelkeit führen. Also Vorsicht! Nicht jeder Trip enthält den Stein der Weisen.

Hans Cousto ist Sachbuchautor, Musikwissenschaftler und Mitbegründer von Eve&Rave Berlin.