Text: Michael Kleim
Russische Propagandanetzwerke verbreiten systematisch, dass westliche Politiker:innen angeblich Drogen gebrauchen. Dabei haben sie vor allem den ukrainischen Präsidenten Selenskyj und den französischen Präsidenten Macron im Visier. Selbst ein liegengelassenes Taschentuch diente dazu, den britischen Premier, den französischen Präsidenten und den deutschen Bundeskanzler des Kokaingebrauchs zu beschuldigen.[1]
Der Vorwurf des Drogengebrauchs wird seit Beginn der Prohibition global genutzt, um unliebsame Personen zu diffamieren und zu kriminalisieren. Dieser Teil der Geschichte ist nicht von der Drogenverbotspolitik zu trennen. Die Stigmatisierung drogengebrauchender Menschen eröffnet die Möglichkeit, auch auf politischer Ebene zu stigmatisieren.
Da ich in dieser Hinsicht bereits recherchiert hatte, wollte ich mich grundsätzlich dazu äußern und die Konsequenzen dieser Methode „Droge“ an Beispielen aufzeigen.
Desinformation, Diskreditierung, Denunziation
Die Methode „DROGE“
Die Denunziationsmethode „Droge“ wird seit Anbeginn der Prohibition genutzt, um kritische, unbequeme und unangepasste Menschen öffentlich in Misskredit zu bringen. Das funktioniert deshalb so gut, weil es sich geradezu anbietet: Drogengebrauch trauen die Leute fast jedem zu. Das Thema „Droge“ fasziniert und regt Fantasie an. Gleichzeitig soll Drogengebrauch negativ Konditionierung werden und der Vorwurf, illegale Substanzen gebraucht zu haben, wird bewusst stigmatisierend verwendet. Die Strafbarkeit der Handlung soll zusätzlich negative Wertung auslösen.
In autoritären Regimes werden Jounalist:innen, Oppositionellen und anderen kritischen Menschen auf Grund ihrer politischen Aktivitäten verfolgt. Politische Repression hat aber einen schlechten Ruf. Überwachung, Denunziation, Hausdurchsuchung oder Verhaftungen lassen sich besser nach außen verkaufen, wenn diese Maßnahmen angeblich nicht aus politischen Gründen erfolgen. Der Kampf gegen Drogen eignet sich bis heute als Vorwand, um Menschenrechtsverletzungen zu legitimieren. Deshalb werden Menschen gezielt wegen angeblicher „Drogenvergehen“ angeklagt. Dabei handelt es sich tatsächlich um politische Justiz.
Philippinen
„Ich schere mich nicht um Menschenrechte.“[2]
Unter Verantwortung des fanatischen Drogenkriegers Rodrigo Duterte wurden im Rahmen einer sog. „Anti-Drogen Kampagne“ seit 2016 Tausende Menschen systematisch getötet. Extralegale Hinrichtungen, also das gezielte Töten von Menschen im staatlichen Auftrag durch Polizei und Todeskommandos, gehörten zur Tagesordnung. Dabei waren nicht allein drogengebrauchende Menschen und Kleindealer Ziel des staatlichen Mordens, sondern ebenso Aktive aus dem Bereich Menschenrechte, Umweltschutz und Journalismus.
Laut Onlineportal „Phil Star“ bezog Präsident Duterte seinen Tötungsauftrag auch auf Politiker:innen und Richter:innen, die er in Kontakt mit Drogengeschäften sah. Gegenüber dem „Phil Star“ äußerte er: „Mein Befehl lautet: Schießen, um zu töten. Ich bringe euch echt alle um. Wenn ihr Ämter bekleidet, Soldaten, Polizisten oder Bürgermeister seid, seid ihr als erstes dran.“ Duterte bezeichnete bei einem Besuch eines Armeestützpunktes konkret 150 Personen als Drogendealer, darunter Kongressabgeordnete und Mitarbeitende der Justiz. Viele der Beschuldigten wiesen die Vorwürfe zurück. Duterte räumte ein, mit seinen Anschuldigungen auch falsch liegen zu können. Dennoch werde er sie erschießen lassen, sollten sie Widerstand leisten.
2018 behauptete der Präsidentensprecher Roque[3], dass Menschenrechtsgruppen als Werkzeuge der Drogenbosse agieren, um die Regierung zu behindern. Auch der Außenminister Cayetano äußerte sich entsprechend. Diese Vorwürfe diffamierten die Arbeit anerkannter gesellschaftlicher Organisationen und sollten die Integrität deren Mitarbeitenden untergraben. Gleichzeitig brachte diese Anschuldigung viele Menschen in Lebensgefahr. Allein der Verdacht, irgendwie mit Drogen in Verbindung zu stehen, genügte in den Philippinen, um auf Todeslisten zu landen.
Die Senatorin Leila de Lima[4] gehört zu den konsequentesten Gegnerinnen des Präsidenten Duterte. 2017 wurde sie in Manila verhaftet. Der Vorwurf lautete: Verbindung in den Drogenhandel. Sie selbst bezeichnete die Anklage als Rachefeldzug des Präsidenten, den sie zuvor einen „soziopathischen Serienkiller“ genannt hatte.
Saudi-Arabien
Ahmed al-Gizawi[5]
Der ägyptische Anwalt Amed al-Gizawi vertrat in Saudi-Arabien die Rechte ägyptischer Gastarbeiter. Er leitete juristisch Schritte ein, um die Entlassung Ägyptischer Staatsbürger:innen zu erwirken, die unrechtmäßig in Saudi-Arabien inhaftiert waren. 2012 wurde er bei der Einreise selbst inhaftiert. Der Vorwurf lautete: Drogenschmuggel. Im Prozess forderte die Staatsanwaltschaft die Todesstrafe. Das Gericht verurteilte ihn zu 5 Jahren Haft und 300 Peitschenschlägen.
Zwischen Ägypten und Saudi-Arabien kam es auf Grund der Anklage zu diplomatischen Konflikten. Ägyptische Menschenrechtsgruppen erklärten, dass der Prozess geführt wurde, um das juristische Engagement al-Gizawis zu beenden.
Ägypten
Khaled Said[6]
Während der Proteste in Ägypten gegen die Mubarak-Regierung 2011 wurde das zerschlagene Gesicht des Bloggers Khaled Said zu einem Symbol des Widerstandes. Auf seinem Blog soll er ein Video geteilt haben, das Polizisten zeigt, die beschlagnahmte Drogen unter sich teilten. Zwei Polizisten suchten Said in einem Internetcafé auf und prügelten ihn zu Tode. Als der Fall öffentlich wurde und Proteste auslöste, behaupteten Polizeisprecher, Said sei an einem Päckchen Haschisch gestorben. Er habe es aus Angst vor der Polizei verschluckt und daran erstickt.
Vier Jahre später[7] werden die beiden beteiligten Polizisten wegen der Tötung zu einer langen Haftstrafe verurteilt.
Iran
Sahra Bahrami[8]
Die Niederländerin Sahra Bahrami, deren familiäre Wurzeln in Persien liegen, wurde 2011 im Iran hingerichtet. Die Staatsanwaltschaft hatte ihr vorgeworfen, Beteiligte am illegalen Handel mit Kokain zu sein. Laut iranischen Pressemeldungen sollen in ihrem Haus entsprechende Drogen gefunden worden sein. Verhaftet wurde sie allerdings auf einer Demonstration gegen die iranische Diktatur. Bei den ersten Verhören ging es auch nur um ihre Beteiligung an der Protestbewegung. Menschenrechtsgruppen schätzen ein, dass die Anklage wegen Drogenschmuggels konstruiert und politisch motiviert war. Mit der Hinrichtung sollte die junge Protestbewegung eingeschüchtert werden. Sahra Bahrani soll während der Haft gefoltert worden sein, um ein öffentlichkeitswirksames Geständnis zu erzwingen.
Da der Fall dem Iran innen- wie außenpolitische Konflikte brachte, wurde Sahra Bahramis Exekution mit Beschleunigung forciert.
Aserbaidschan
Elgiz Sadigli[9]
Während einer Demonstration 2017 gegen den Besuch des aserbaidschanischen Präsidenten Aliyev in Berlin forderten die Teilnehmenden, das Thema „Menschenrechte“ in den Blick zu nehmen. Für einige Angehörige aserbaidschanischer Oppositioneller hatte das bittere Konsequenzen. Elgiz Sadigli ist der Bruder des kritischen Bloggers Tural Sadigli, der an der Berliner Demonstration teilnahm. Elgiz wurde in Baku kurz darauf wegen des Besitzes von Marihuana festgenommen und angeklagt. Tural Sadigli sieht in den Anschuldigungen eine fingierte Anklage, die nur dazu dienen soll, Regimgegner:innen im Exil über die Bedrohung ihrer Angehörigen einzuschüchtern.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rigth Watch[10] dokumentierte für Aserbaidschan zahlreiche Fälle, in denen zivilgesellschaftliches Engagement durch gezielte Strafverfahren unterdrückt werden soll. Dabei greift das Regime in Aserbaidschan oft auf die Methode „Droge“ zurück:
„In sechs der Fälle wurden Regierungskritiker wegen des unrechtmäßigen Besitzes von Betäubungsmitteln verhaftet. Die Anwälte der Häftlinge konnten mehrere Tage nach ihrer Festnahme nicht auf ihre Klienten zugreifen, und während der Verhöre wurden mehrere der Männer in erster Linie zu ihren politischen Aktivitäten befragt anstatt zu den Vorwürfen des Besitzes von Betäubungsmitteln.“[11]
Weitere Fälle sind belegt. Sicherheitskräfte platzieren Drogen gezielt, um anschließend die Betroffenen zu verhaften. So werden kritische Stimmen diffamiert und kriminalisiert oder durch Willkür gegenüber Angehörigen erpresst.
Die engagierte Menschenrechtsaktivistin Schirinbadschi Rsajewa sollte 2012 zum Aufgeben gezwungen werden, indem ihr Sohn inhaftiert wurde. Die Polizei hatte Heroin in seiner Wohnung entdeckt. Nach Aussagen von Vertreter:innen des Institutes für Demokratie und Menschenrechten passt der Vorgang in die repressive Politik des Aserbaidschanischen Staates, in dem das Unterschieben von Drogen „eine weit verbreitete Praxis“[12] darstelle.
Lucys Xtra
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