Ein Aufstieg mit MDMA

Artikel im Magazin

Es ist 9 Uhr, Samstagmorgen. Jeder nimmt auf seinem Sitzkissen Platz. Wir bilden einen Kreis, sammeln uns schweigend. Wir geben uns die Hände. Ich: «Ich verspreche, dass ich Stillschweigen bewahre über den Ort, die anwesenden Personen und die Medizin. Ich verspreche, dass ich weder mir noch anderen während oder nach dieser Erfahrung irgendwelchen Schaden zufügen werde. Ich verspreche, dass ich heiler und weiser aus dieser Erfahrung zurückkehre. Ich übernehme selbst die Verantwortung für das, was ich hier tue.»
Ich spreche jeden Teilnehmer mit seinem Namen an und frage: «XY, stimmst du dem zu?» Der Angesprochene antwortet laut: «Ich stimme dem zu.»
Ich verteile die Becher oder die Kapseln. Wir schließen die Augen und halten die Medizin für einen Augenblick in den Händen.
«Ich wünsche uns eine gute Reise.»
Wir trinken den Becher alle zur gleichen Zeit aus oder nehmen die Kapsel ein. Danach kann man noch einmal auf die Toilette gehen.
Alle liegen mit geschlossenen Augen ruhig auf ihren Plätzen. Ab jetzt gilt es, still zu liegen, sich nach Möglichkeit nicht zu bewegen und nicht zu sprechen. Ich setze mich in meinen Sessel, von dem aus ich den ganzen Raum überblicken kann, und spiele das Anfangslied. Nun schließe ich die Augen und richte meine Aufmerksamkeit nach Innen, um die sich in meinem Körper ausbreitende Wirkung der Substanz zu beobachten.
Nach ungefähr zwanzig Minuten bemerke ich die ersten Anzeichen einer Wirkung, ein leichtes Kribbeln. Um diesen Prozess zu unterstützen, spiele ich ein 10 bis 13 Minuten langes rhythmisches Musikstück. Der Rhythmus und die dunkle Tönung führen in den Beckenbereich.
Zehn Minuten später: «Vielleicht klopft jetzt das Herz ein wenig schneller. Das geht vorbei.» – «Lass nun ganz bewusst alle Probleme, alle Fragen sowie deine Absicht gehen und erlaube der Substanz, sich in dir auszubreiten.» – «Leise und regelmäßig atmen.» – «Nicht stöhnen. Ganz still werden.» Stille. «Gedanken kommen und gehen wie Wolken am Himmel – schau sie an. Nicht darauf reagieren – alles sein lassen, Ja sagen zu dem, was geschieht.» Es sollte kein rigides Stillhalten herrschen, sondern ein Stillwerden. Stille. Gelegentlich schaue ich auf die mit geschlossenen Augen liegenden Teilnehmer. Ich verfolge, wo ich die Substanzwirkung in meinem Körper wahrnehme.
Das diskrete, oft auch kaum spürbare Kribbeln in den Beinen ist vorbei. Es fühlt sich nun an, als würde sanft eine warme Flüssigkeit in mein Becken gegossen, das sich dabei öffnet.
Es sind jetzt ungefähr 45–50 Minuten seit der Einnahme vergangen.
Ich spiele ein zweites Musikstück. Es gibt jetzt keinen regelmäßigen Beat mehr. Eine Melodie in mittlerer Tonlage und Allegretto-Tempo, mit Dissonanzen und irritierenden Stellen und etwas hellerer Tönung als beim vorigen Stück.
Stille.
»Immer wieder alles gehen lassen. Nur beobachten. Was immer kommt – wahrnehmen und gehen lassen. Wir werden uns an alles erinnern. An nichts anhaften. Nur beobachten. Absolut keine Reaktion.«
Stille. »Ja sagen zu der Substanz. – Ich gebe mich hin. – Danke und Bitte.« Das Becken ist geöffnet. Nun will die Substanz den Bereich des Zwerchfells durchdringen, um in den Brustraum einzutreten. Meist ist im Arbeitsraum in diesen Augenblicken ein leichtes Stöhnen zu hören. Das dazu gehörende Thema heißt Zulassen, Macht abgeben, Seinlassen. Wenn ich dem Geschehen in meinem Körper zustimmen kann, ist diese Stufe der Substanzwirkung einfach. Der Brustraum beginnt sich zu öffnen, der Atem wird etwas tiefer und ein Gefühl des Weitwerdens tritt ein. Wenn ich Angst habe oder Widerstände habe, kann es mir an dieser Stelle übel werden. Es vollzieht sich ein Kampf meines Unbewussten mit dem Bewussten, der auf der Körperebene spürbar wird.
»Bitte leise atmen.« – »Ich sage ›Ja‹.«
Ich unterstütze diesen Übergang mit einem langsamen, getragenen, melodischen harmoniereichen Musikstück in mittlerer Tonhöhe, am besten rein instrumental.
Das Herz schmerzt ein wenig, als würde es aufgedehnt. Stille. Die jetzige Stille ist vom Charakter höher schwingend als zuvor und leicht vibrierend. Der Schmerz verschwindet, das Herz weitet sich – es tritt eine erleichternde Gewissheit in meinem Inneren auf. Der Atem vertieft sich noch einmal.
Wir sind jetzt etwa eine Stunde und zehn Minuten «unterwegs». Ich spiele ein Musikstück mit Harmonien, das von einer langsamen Melodie (Instrument oder Stimme) überlagert ist.
Stille.
»Und wieder alle Gedanken gehen lassen. Den tiefen Atem sanft fließen lassen. Alles sein lassen. Nur zustimmen.«
Es ist nun ganz still im Raum. Fast wie bei einer Andacht. Eine Stunde 25 Minuten sind vorbei. Ich spiele ein kurzes Stück, in langsamem Tempo, höherer Lage, melodiös, von eher leisen Harmonien unterlegt.
Stille. »Noch einmal: Ja sagen und geschehen lassen.« Wenn es wirklich still wird in mir und ich im Beobachten bleibe, dann strömt die Substanz wie die zuvor erwähnte warme Flüssigkeit nun vom Herzen durch den Bereich der Kehle in den Kopf. Jede Art von Widerstand führt zu Schlucken oder leichter Übelkeit. Die Herzöffnung erleichtert den Weg.
Ich flüstere: »Es geht um Zustimmung.«
Die warme Flüssigkeit wird im Kopfraum zu einem hellen Licht, das Stille ist, Weite, Jetzt und Ewigkeit, und für das es nur einen Ausdruck gibt: Liebe.
Ich spiele nun, sehr vorsichtig eingeblendet und leise, tibetische Klangschalen, keine Worte, eher langanhaltende Töne und Klänge, die zu weiterer Öffnung des Bewusstseins beitragen.
Wenn diese Musik verklungen ist, bleibt es eine Weile still im Raum. Jeder schaut in sein Inneres.
Nach dieser Zeit, es sind nun ungefähr 90 bis 100 Minuten vergangen, stellt sich in mir eine absolute Klarheit ein, verbunden mit dem Eindruck, nichts eingenommen zu haben. Ich habe keinen Gedanken, kein Bild. Stille und Weite in meinem Kopf. Manchmal kommt ein Satz oder ein Wort wie aus meinem Inneren zu mir. Ich erlebe diese Worte, Sätze, Aussagen als absolut richtig und stimmig. Es werden daraus Leitsätze oder Zielsätze in meinem Leben und für die Sitzung, wie etwa »Dank ist eine Sonderform der Liebe« oder »Was immer dir geschieht, hat einen Sinn«. Manchmal fühle ich mich gesegnet und in der Gnade. Die Herzensenergie hat sich in Erkenntnisenergie umgewandelt. Dieser Zustand bedeutet für mich das Erreichen des Höhepunktes.
Ich beobachte, was im Raum geschieht. In diesem Zustand kann ich die Art der Energien im Raum wahrnehmen.
»Wir haben den Gipfel erreicht.«
Nach etwa 10 bis 15 Minuten introspektiver Stille: »Ich bitte euch, euch nach dem nächsten Stück aufzusetzen.«
Für Anfänger spiele ich ein »Höhepunktslied« mit Text. Der allgemeingültige Text führt uns zusammen, verstärkt je nach den Worten das Grundgefühl des Verbundenseins und der Liebe.

Vorliegender Text ist ein leicht gekürzter Auszug aus dem Buch «Therapie mit Substanz» von FRIEDERIKE MECKEL FISCHER. Die Autorin ist selbst Therapeutin und beschreibt in dem aus dem Englischen übertragenen Buch Ergebnisse aus Selbstversuchen und Therapiestunden, die man so in der Literatur noch nicht findet. Das Buch ist ein Meilenstein der Literatur über psycholytische, d.h. durch Psychoaktiva unterstützte Psychotherapie. Mit Berichten und Wirkstoffprofilen von LSD, Psilocybin/Psilocin, MDMA, 2C-B und Ayahuasca – und mit einem Vorwort von Stanislav Grof, dem Gründer und Pionier der transpersonalen Psychologie.

Friederike Meckel Fischer:
Therapie mit Substanz
Nachtschatten Verlag 2016
ISBN: 978-3-03788-398-3

 

 

 

Friederike Meckel Fischer