Ethik und Ehrlichkeit

Klartext von Roger Liggenstorfer

In dieser Kolumne geht es um Persönliches. Um Ethik. Und um Ehrlichkeit. Anlässlich des Bicycle Day in Münchenstein bei Basel referiere ich am Podium zum Thema «Was passiert, wenn Big Money und Big Pharma sich für Psychedelika interessieren? Aspekte einer Ethik des Gebrauchs psychedelischer Substanzen» zu diesem Thema. Wenn du diese Lucys in der Hand hältst, ist dieser Anlass bereits Geschichte. Und meine Vorstellung von Ethik wird in dieser Runde nicht allen gefallen haben – jedenfalls nicht Pharma-Unternehmen, die das große Geschäft wittern, noch gewissen Professoren, die sich als ‹Vertreter› der psychedelischen Bewegung diesen Firmen anbiedern. Ihre Gier nach Profilierung und Patenten ist mir ein Greuel. Und ist gegenüber langjährigen Untergrund-Forschern und -Anwendern ein Hohn. Leider sind aber die Kosten für die Zulassung eines neuen Medikamentes derart hoch, dass fast nur Big-Pharma sich diese leisten kann.

Grundsätzlich ist nichts gegen die medizinische Verwendung vorzubringen. Im Gegenteil! Diese zu erforschen und in geeigneter Form wieder zuzulassen, ist dringend notwendig und wurde jahrelang durch eine sinnlose und destruktive Verbotspolitik verhindert. Die medizinische Zulassung soll genauso ermöglicht werden wie der persönliche Gebrauch. Es ist unser ureigenes Grundrecht und unsere Freiheit, psychoaktive Pflanzen oder sonstige Psychedelika zum rekreativen Gebrauch zu verwenden! Bestimmt werde ich vor einer psychedelischen Erfahrung nicht erst einen Arzt konsultieren und mir ein Pharmaprodukt verschreiben lassen wollen.

In der aktuellen Diskussion fehlt oft die Ethik. Und es stellt sich die Frage: Wo fängt diese Ethik in der psychedelischen Szene an? Beim Dealer, der vorzugsweise beim Verkauf die exakten Mengen- und Reinheitsangaben angibt? Oder bei denjenigen (therapeutischen) Gruppen, die im Verborgenen Substanzen konsumieren und ihren eigenen moralischen Kodex definieren? Ein legaler und kontrollierter Markt ist in jedem Fall zu bevorzugen. Regeln und Gesetze dazu müssen erst noch definiert werden – und dies dürfen wir nicht der Pharmaindustrie überlassen!
Gib einem Menschen Macht, und du siehst seinen wahren Charakter, sagt man. Macht korrumpiert auch die psychedelische Szene (und Unternehmen), die damit das große Geld verdienen wollen. Die provokative Frage sei erlaubt: Handelt ein Pharma-Unternehmen ethischer als ein Schwarzmarkt-Dealer?

Dank Netflix und anderer Medien, die aktuell positiv über unser Thema berichten, trauen sich nun auch Leute, die noch vor Jahren Prohibitionisten waren, sich mit dem verheißungsvoll-lukrativen Geschäft zu befassen. Ich frage mich bei einigen dieser Neo-Psychedeliker*innen, ob sie überhaupt persönliche Erfahrungen mit Psychedelika haben.

Apropos Medien: Unsere letzte Ausgabe mit dem Schwerpunkt «Psychoaktive Pilze» haben viele Journalist*innen bestellt. Bisher aber hat kein einziges Medium nur einen Satz über unser Magazin geschrieben. Sollen wir frustriert oder nur enttäuscht sein, dass wir, die wir uns seit Jahrzehnten mit dem Thema beschäftigen – und die meisten und wichtigsten Autoren zu diesen Themen veröffentlicht haben – ignoriert werden? Es ist ja nicht so, dass sich Medienschaffende nicht persönlich oder indirekt bei uns erkundigen würden – nur sehen die Berichte dann so aus, als hätten sie alles selbst recherchiert, ohne Zitate und Quellenangaben. Auch das hat mit Ethik und Ehrlichkeit zu tun. Aber vielleicht sollten wir einfach nur stolz darauf sein, dass wir als psychedelische Rebell*innen noch immer nicht in der Gesellschaft angekommen sind.