Text Michael Kleim
„Lediglich mit dem Essen aufhören, heißt noch nicht fasten.“
Mahatma Gandhi
Mit dem Aschermittwoch beginnt in vielen christlichen Kirchen eine Fastenzeit. In den 40 Tagen vor Ostern bestand in früheren Zeiten ein klares Abstinenzgebot: kein Fleisch, kein Wein, keine öffentlichen Vergnügungen. Im Namen des Klerus wachte die Obrigkeit streng über die Einhaltung der Regeln. Jüdische Menschen fasten in den zehn Tagen vor dem höchsten Feiertag „Jom Kippur“, dem großen Versöhnungsfest. Der Fastenmonat Ramadan wiederum hat für die weltweit rund 1,3 Milliarden Muslime eine besondere religiöse Bedeutung. Bei Heilfasten und Diät ist Gesundheit das Ziel vieler Menschen, die auch aus nichtreligiösen Gründen fasten.
Der Begriff Fasten geht auf das gotische Wort «fastan» zurück, was festhalten, beobachten, bewachen bedeutet. Fasten ist Bestandteil zahlreicher Weltreligionen und spiritueller Wege. Es dient zur Vorbereitung auf besondere Rituale und Festtage. Spirituell geprägte Zeiten sollen durch Fasten vertieft werden. Neben Judentum, Christentum und Islam wird Fasten ebenso im Hinduismus, Buddhismus, Jainismus und bei den B’hai praktiziert. Bei vielen schamanischen Ritualen nimmt Fasten eine begleitende, verstärkende und klärende Rolle ein. Der befristete Verzicht auf Speisen und Getränke soll Körper und Seele reinigen, einen Zustand innerer Ruhe herbeiführen, Raum für Gebet und Meditation schaffen.
Einen ambivalenten Klang nimmt der Begriff Todesfasten ein. Während aktuelle Schlagzeilen von fanatischen Christen in Kenia berichten, in deren Umfeld zahllose Menschen durch rücksichtloses Fasten in den Tod getrieben werden, kann Todesfasten im säkularen Kontext den Weg zu einem selbstbestimmten Sterben beschreiben.
Auch im Rahmen psychedelischer Rituale kann Fasten eine eigenständige Bedeutung zugemessen werden. In vielen psychedelischen Traditionen sind bestimmte Fastenvorschriften Teil des Rituals.
Iboga
Bei den Bwiti, einer Religionsgemeinschaft in Zentralafrika, gehört Fasten zur Vorbereitung auf Initiationsriten und Heilungszeremonien dazu. Bwiti nutzen die Iboga-Wurzel (Tabernanthe iboga) als Sakrament, das Erfahrungen mit der Welt der Ahnen, mit der Kraft der Natur, mit göttlicher Wahrheit und mit dem Wunder der eigenen Seele ermöglicht. Iboga wird als pflanzengestaltiges Weisheitswesen verstanden, das uns Menschen zu tieferen Erkenntnissen zu führen vermag.
Teonanacatl
Der Gebrauch der heiligen Pilze (Psilocybe spp.) war ursprünglich in eine schamanischen Alltagskultur eingebunden. Ritual und innere Haltung bekräftigen sich gegenseitig. Dabei können auch bestimmte Einschränkungen den Beteiligten helfen, sich der außergewöhnlichen Erfahrung zu öffnen. So berichtet Christian Rätsch über Fastenregeln, die das Pilzritual der Mixe begleiten. Drei Tage vor der Zeremonie dürfen Beteiligten keinen Alkohol oder andere Drogen zu sich nehmen. Auch der Verzehr von Geflügel, Schwein, Eiern und Gemüse ist verboten. Am Morgen des Rituals gibt es etwas Mais, danach nichts mehr zu essen. Interessant ist, dass das Verbot von Fleischnahrung und Alkohol sich auch auf den Monat nach der Pilzeinnahme streckt.
Peyote
Der spirituelle Gebrauch des meskalinhaltigen Kaktus Peyote (Lophophora williamsii) ist traditionell bei mexikanischen indigenen Völkern verankert. Diese überliefern dabei recht unterschiedliche Vorschriften und rituelle Regeln, die den Gebrauch des heiligen Kaktus begleiten. Besonders haben die Huichol Bekanntheit für ihre Peyote-Kultur gewonnen. Deren heilige Peyote-Reise führt in die Wüste von San Luis Potosi. Dort wird gemeinschaftlich der heilige Kaktus gesammelt. Diese Reise dient nicht allein dazu, Peyote zu finden. Sie ist ein spirituelles Ereignis und führt zu reinigenden Zeremonien, tiefen Erfahrungen und geistigem Wachstum. Während der Reise wird nur reduziert Nahrung und Trinken aufgenommen. Salz darf nicht genutzt werden.
Ein weiteres Salz-Tabu beschreiben Richard E. Schultes und Albert Hofmann für das Peyote-Ritual der Native American Church. Dort ist der Gebrauch von Salz im Vorfeld und während der Zeremonie verboten. Die gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstandene indigene Religionsgemeinschaft verbindet traditionelles spirituelles Wissen, schamanische Erfahrung und christliche Symbole. Die rituelle Verwendung von Peyote nimmt eine zentrale Rolle ein. Rechtlich möglich wurde diese Entwicklung unter anderem durch den American Indian Religious Freedom Act, der 1978 in den USA verabschiedet wurde. Mit diesem Gesetz sollen die spirituellen Freiheiten, religiösen Rechte und die traditionelle Kultur indigener Menschen geschützt werden.
Lucys Xtra
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