Gotteserlebnis als Nebenwirkung

XtraCannabismedizin: Ein Erfahrungsbericht

Text: Spliffing Ida

Es muss etwa sieben Jahre her sein, als ich mich entschloss, das zu tun, was fast alle meine Partner längst taten: regelmäßig spliffen. Ich hatte schon länger nicht mehr an einem ‚Krautwickel‘ gezogen, weil mein Asthma solch hübsche Vorspiele verbot. Aber in meinem damaligen Haushalt tauchte ein Haschkeks auf, und der mogelte sich an meiner Lunge vorbei in meine Eingeweide. Okay, zugegeben, als Vorspiel taugte er auch nichts, weil ich nur lächeln und schlafen wollte, aber er war dennoch Vorbote von dem, was mir heute regelmäßig geschieht: einem entheogenen Erlebnis.

Doch der Reihe nach. Als ehemalige Sängerin verursachte mir ein ständiger Husten quasi Berufsverbot, den ich in den Anfangsjahren noch mit allerlei medizinischer Quacksalberei bekämpfte. Diese fing mit Magensäureblockern an, die mir die Lust am Essen verdarben, und ging über Klaustrophobie verursachende Röhren und Todesangst beim Chiropraktiker so weit, dass ich nach dem Lesen der Nebenwirkungen eines nicht mehr blauen, sondern nun roten Asthmasprays – verschrieben von allerhöchster Stelle – das gesamte Vorratspäckchen in den Müll warf.

Im Übrigen bin ich schon lange nicht mehr der Meinung, dass meine Lungenprobleme eine zufällig eingefangene Krankheit sind; ich muss mir vielmehr eingestehen, dass ich nicht weiter auf der Bühne stehen wollte, denn diese Welt bot alles – nur keinen Spaß am Musizieren. Unter diesen Umständen kann kein Medikament wirken, aber solche Erkenntnis braucht Einwirkungszeit.

Nachdem also alle Rezepte versagt hatten, wurde ich in der simplen Welt des neuen Jahrtausends reif für den Seelenklempner. Ich will nicht sagen, dass die verschiedenen Therapien nichts gebracht hätten; ich lernte seelenvolle Menschen kennen, aber je hartnäckiger mein Husten an mir klebte, je länger die Titel meiner Therapeuten wurden, desto weniger war von Heilung die Rede. Es ging nur noch um bestmöglichen Zustandserhalt. Bis die letzte Doktordame voller Gnaden mir meinen Husten sogar wieder einredete, als es mir mit einer Nasenoperation gelungen war, einen ganzen wonnigen Monat frei davon zu sein; wer jeden Tag Krampfanfälle hat, weiß einen einzigen freien Tag sehr zu schätzen.

Doch die mehrfache Ärztin war der Meinung, so eine Operation müsse erst in der Therapie ‚durchgesprochen‘ werden – und ich Ketzerin hatte sie nicht informiert. Ich war unerwartet zu etwas Geld gekommen und hatte es zielsicher investiert. Zurück in der Therapie musste ich Buße tun und gab die Oberherrschaft über mein Leben wieder ab. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. „Ich denke nicht, dass Sie nachhaltige Heilung erfahren haben“, waren ihre ersten Worte über meinem noch blauen Gesicht. Sie waren giftiger als jedes Medikament.„Je mehr Titel, desto weniger Seele“, stellte ich leise fest und gehe seither zu keinem Arzt mehr.

Okay, ich nehme meine hübsche Zahnärztin davon aus.

Das war dann auch der Zeitpunkt, als ich – eher aus Ratlosigkeit – zu der einzig nebenwirkungsfreien Methode griff, die meinem verspannten Oberkörper etwas Lockerung erlaubte. Ich fuhr nach Holland und kam mit einem Jahresvorrat an ‚Büchern‘ zurück, was ich mir als Codewort für meine Haschkekse ausgedacht hatte. Da  geschah es – wie aus Versehen –, dass ich das Einssein mit dem Universum erlebte.

Einmal mehr in meinem Ehebett alleine zurückgelassen, nahm ich etwas zu viel des Guten und bekam es mit der Angst zu tun. Mein Herz klopfte wild, und die Welt änderte ihren Duktus. Man sollte meinen, eine längst erwachsene, moderne Frau sollten solche Wahrnehmungen nicht mehr erschrecken, aber meine allesamt rauchenden Expartner machten sich nichts aus den ‚Esswaren‘. Verständlich, wenn man in einem täglichen Hamsterrad steckt – unverständlich, wenn man die Wochenenden mitrechnet. Deshalb war ich schlecht vorbereitet auf die überwältigenden Gefühle, die alles in den Schatten stellten, was ich bisher an Aufregung erlebt hatte. Und dies bei einem Künstlerleben in München!

Lucys Xtra

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