Er war ein Pionier der psychedelischen Forschung, der viel zur frühen LSD- und Halluzinogenforschung in den 50er und 60er Jahren beigetragen hat: Prof. Dr. med. Hanscarl Leuner würde heute 103 Jahre alt werden.
Leuner war am 8. Januar 1918 in Bautzen geboren worden. Sein Vater wollte seinen Sohn am liebsten als Nachfolger im eigenen Lederwarengeschäft sehen, begann der junge Hanscarl doch gar eine Lehre als Sattler. Doch der Sohn hatte andere Pläne: Er fing an, sich für Psychologie und Psychotherapie zu interessieren. Der in diesen Fachgebieten ausgebildete Fritz Künkel, dem Leuner einen Besuch abstattete, empfahl dem Jungen ein Studium der Medizin – um später einmal eine Ausbildung zum Psychotherapeuten beginnen zu können.
So fing der jugendliche Leuner 1939 sein Medizinstudium an, das er aber aufgrund des verbrechischen militärischen Zwangsdienstes im Zweiten Weltkrieg immer wieder unterbrechen musste. Trotzdem konnte der Student seine in verschiedenen Städten Deutschlands – u.a. Frankfurt am Main und Marburg – stattfindende akademische Ausbildung zum Mediziner 1946 abschließen. Ab 1947 arbeitete er für 13 Jahre in der Psychiatrischen Klinik am Universitätsklinikum in Marburg. Ab 1960 arbeitete er an der Georg-August-Universität Göttingen und etablierte dort die Abteilung für Psychosomatik und Psychotherapie, die sich heute zur Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie entwickelt hat. 1986 setzte sich der Mediziner zur Ruhe.
In Leuners psychologischen Theoremen spielt Vorstellungskraft eine zentrale Rolle. In der von ihm entwickelten Katathym-Imaginativen Psychotherapie beschäftigt sich der Klient mit Symbolik und Sinngehalt imaginierter Geistesinhalte. Mittels verschiedener Tagtraumtechniken soll der Klient in einen veränderten Bewusstseinszustand eintreten, um sich mit der Symbolhaftigkeit des Erdachten auseinandersetzen zu können. Leuner empfahl hierzu die Verwendung verschiedener Bilder, um die Fantasie des Klienten anzuregen, beispielsweise eine Wiese, einen Berg, eine Blume oder einen Fluss.
Der Psychologe ist außerdem einer der wichtigsten Pioniere des substanzgestützten Verfahrens der Psycholyse. Er war ebenfalls Gründungsmitglied und Präsident des 1985 gegründeten Europäischen Collegiums für Bewusstseinsstudien (ECBS), das für zahlreiche szeneprägende Symposien zum Thema verantwortlich zeichnete, ab 2001 allerdings seine Aktivitäten einstellte.
Leuner verstarb 1996 an einem Herzinfarkt.
Ein Text von Lucys- und Nachtschatten-Autor Professor Dr. med. Torsten Passie verschafft einen guten Über- und Einblick in die psychologischen Modelle Hanscarl Leuners.