Text Tom Saborowski
Wer heute im Internet nach den Stichworten „LSD und Silicon Valley“ sucht, findet zahlreiche Artikel über junge, innovative Unternehmer:innen aus dem Silicon Valley, die LSD anscheinend für die eigene Leistungssteigerung funktionalisieren. Da stellt sich unweigerlich die Frage, welche Intentionen hier im Spiel sind. Geht es den selbsternannten Visionären darum, gesellschaftliche Probleme zu lösen, möchten sie die Zahlen auf dem eigenen Bankkonto erhöhen … oder beides? Eine Reise in die Zeit der 1960er Jahre, als die Gegenkultur auf die ersten Nerds traf, kann man interessante Einblicke in die Ursprünge des psychedelischen Technologiekults erhalten.
Ein Hauptinitiator der Verbreitung von LSD im entstehenden Silicon Valley war Alfred M. Hubbard. Unter dem Pseudonym „Captain Trips“ machte er die Substanz in den 1950er und 1960er Jahren in elitären Zirkeln populär. Charakterisieren lässt er sich vor allem anhand von zwei Attributen: Erzkatholik und Millionär. Allerdings setzte er einen beträchtlichen Anteil seines Vermögens für die Verbreitung der Psychedelika ein. Mithilfe seiner Beziehungen zu Regierungs- und Geschäftskreisen schaffte es Hubbard, vom Schweizer Chemiekonzern Sandoz riesige Mengen LSD zu erhalten. Ab 1951 und bis zur Illegalisierung von LSD im Jahre 1966 in Kalifornien konnte er etwa sechstausend Menschen in die veränderten Bewusstseinszustände einweihen.[1] Er war überzeugt, dass Psychedelika nicht nur therapeutische Vorteile mit sich brachten, sondern auch das Potenzial, tiefgreifende spirituelle und transformative Erfahrungen zu fördern. Am Stanford Research Institute (SRI) leitete er im Programm „Alternative Futures“ psychedelische Sitzungen.[2] Er befürwortete ein Modell, das zuerst „gebildeten Eliten“ den Zugang ermöglichen sollte. Auf der Seite Hubbards befanden sich der Schriftsteller Aldous Huxley und der Psychiater Humphry Osmond, die auch den Harvard-Professor für Psychologie und später führenden Philosophen der gegenkulturellen Bewegung Timothy Leary in die LSD-Erfahrung einweihten. Huxley und Osmond hatten gemeinsam mit Hubbard bereits in den 1950er Jahren ausführliche Konzepte für die psychedelische Anwendung erarbeitet. Auch sie wollten eine spirituelle Erfahrung ermöglichen, aber zuerst nur durch institutionalisierte Praxisräume für ausgewählte Eliten[3] – nach Timothy Learys Ansicht eine elitäre und klassistische Anwendungspraxis, gegenüber der er eine basisdemokratische und egalitäre Verteilungspraxis der Psychedelika vertrat.[4] Allerdings hatten Osmond und Huxley gute Gründe: Sie glaubten, dass eine „Gegenkultur“ drastische Repression durch staatliche Institutionen provozieren könnte.[5]
Ein anderes Projekt Hubbards umfasste die Gründung der International Foundation for Advanced Study (IFAS) im kalifornischen Menlo Park. In den 1960er Jahren nutzte die Stiftung psychedelische Substanzen wie LSD und Meskalin für ihre Forschungen. Die Stiftung hatte das Ziel, neue Erkenntnisse über das menschliche Bewusstsein und die Psychotherapie zu gewinnen. Mitbegründer waren der Ampex-Ingenieur Myron Stolaroff und der Professor Willis Harman.[6] Nachdem er von Hubbard mit LSD bekannt gemacht wurde, versuchte Stolaroff, die psychedelischen Erfahrungen als Weiterbildungsmaßnahme bei Ampex anzubieten. Doch nach dem herausfordernden Trip eines Kollegen waren die Chancen gleich null. Also verließ er Ampex und fand in der IFAS-Stiftung aufgeschlossene psychedelische Forscher – beispielsweise den futuristischen Denker Willis Harman, der eine tiefgreifende Transformation des menschlichen Bewusstseins als notwendig betrachtete, um die durch Industrialisierungsprozesse ausgelösten Krisen zu überstehen. Die IFAS betreute rund 350 Klienten, darunter viele aus Wissenschaft und Forschung. Zu den prominenten Institutionen, die mit der Stiftung kooperierten, gehörten das Stanford Research Institute (SRI) und die Druckerfirma Hewlett-Packard (HP). Unter den Klienten der IFAS waren viele Fachleute, die an der Spitze ihrer jeweiligen Bereiche standen.[7] Ein bekanntes Projekt der IFAS war die Erforschung der Auswirkungen von Psychedelika auf die Kreativität und Problemlösungsfähigkeiten von Fachleuten. Dabei wurde festgestellt, dass viele Teilnehmer nach der Einnahme von Psychedelika anscheinend innovativere Lösungen und neue Perspektiven für ihre beruflichen Herausforderungen fanden.[8]
Lucys Xtra
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