Pharmakologische Effekte vom Duft der Engelstrompeten?

XtraFlor von Brugmansia-Arten

Brugmansia sanguinea. Foto: Markus Berger

Text: Markus Berger

Motivation für diese Arbeit war die Anfrage eines Amtsgerichts nach entsprechender Expertise, weil ein Kläger behauptet hatte, der Duft von Engelstrompeten, der vom Balkon eines Nachbarn heraufgestiegen sei, habe bei ihm körperliche wie psychische Symptome verursacht. Die zu beantwortende Frage war also: Kann der Duft von Brugmansia spp. (Engelstrompeten) pharmakologische Wirkungen induzieren?

Engelstrompeten aus der botanischen Gattung Brugmansia gehören zu den Solanaceae (Nachtschattengewächsen) und werden als Zierpflanzen häufig verwendet. Die Pflanzen und ihre Zubereitungen weisen aufgrund der Alkaloidzusammensetzung toxische und psychoaktive Eigenschaften auf, unterliegen jedoch in Deutschland weder dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) noch dem Arzneimittelgesetz (AMG).

Die Pflanzen enthalten, je nach Spezies, in allen Teilen diverse psychotrope Tropanalkaloide, z.B. und in der Hauptsache Scopolamin und Hyoscyamin. Der Duft des trompetenförmigen Flors ist – je nach Art – intensiv aromatisch, die Pflanzen verströmen insbesondere am Abend ihren einzigartigen Duft.

Im Internet finden sich diverse, eher diffuse und nicht belegte Behauptungen, dass der Duft von Blüten der Engelstrompeten-Spezies pharmakologisch wirksam sein kann.

Beispiele:

Die Blüten der Engelstrompete können Unruhe, Halluzinationen, und sogar komatöse Zustände auslösen. Einige Symptome treten bereits auf, wenn lediglich ihr Duft eingeatmet wird. Die Heilpraktikerin Martina Hohmann rät deshalb, die Pflanze der Jahres 2012 nicht in unmittelbarer Nähe des Fensters stehen zu lassen“.
Quelle: https://www.wp.de/staedte/menden/warnung-vor-engelstrompete-giftige-pflanzen-koennen-unruhe-ausloesen-id6916883.html

Die Indios verwenden die Engelstrompete als Rauschdroge. Bereits der Blütenduft kann eine narkotisierende Wirkung auslösen.“
Quelle: https://www.mylife.de/giftpilze-giftpflanzen/engelstrompete/

Im Internet finden sich allerdings zahlreiche Behauptungen, die nicht mit Quellen belegt und somit nicht verifiziert sind.

Was sagt die Wissenschaft? Ethnologische/ethnopharmakologische Forschungsergebnisse

Die Engelstrompeten werden schon lange von indigenen Ethnien Südamerikas als Ritualpflanzen verwendet. Ethnografische Aufzeichnungen beschäftigen sich mit der pharmakologischen Aktivität diverser Arten, so auch mit den eventuellen Wirkungen, die vom Duft der Blüten auszugehen vermögen.

Brugmansia suaveolens:

Ethnopharmakologe Christian Rätsch schreibt: „In Kolumbien ist allgemein der Glaube verbreitet, daß der Duft der Engelstrompete einschläfert und heftige, oft erotisch gefärbte Träume bewirkt. In Südkolumbien, wo es ganze Alleen von Engelstrompetenbäumen gibt, spazieren abends die an Schlafstörungen Leidenden an den duftenden Gewächsen vorbei. In Peru glaubt man, daß diejenigen, die unter der Engelstrompete schlafen, für immer verrückt werden (Schultes 1980: 115): ‚Schon der Duft der Blüten soll narkotisierende Eigenschaften besitzen und Kopfschmerzen sowie Nausea hervorrufen‘ (Roth et al. 1994: 294)“ (Rätsch 1998: 108).

Brugmansia versicolor:

Ethnopharmakologe Christian Rätsch schreibt: „Der Duft dieser Art soll nicht nur einschläfernd wirken, sondern auch bei zu hoher Dosis, z.B. wenn man nachts unter der Engelstrompete schläft, temporären oder permanenten Schwachsinn hervorrufen. Unter Umständen kann man durch den Duft auch zum Schamanen werden, wie es in einer Mythe der Jurunaindianer beschrieben wird: »Eines Tages ging Uaiçá jagen. Da sah er im Wald viele, ja sehr viele tote Tiere unter einem Baum liegen. Uaiçá stand und schaute, ohne zu verstehen, wie dies geschehen konnte. Während er nachdachte, ging er um den Baum herum. Kaum befand er sich unter ihm, da fühlte er sich benommen, fiel hin und schlief sogleich. Er hatte viele Träume. Er träumte von singenden Leuten, vom Tapir und allen anderen Tieren. Im Traum sah er auch einen Vorfahren der Juruna, Sinaá. Dieser sprach viel mit ihm. Als Uaiçá erwachte, machte er sich sofort auf den Heimweg, denn es war spät, und die Sonne ging schon unter. Am nächsten Tag kehrte er zu dem Baum zurück, fiel abermals hin und schlief unter ihm. Er träumte dieselben Dinge: von Sinaá, singenden Leuten, von Tieren und den Seinen. Einige Tage lang kam Uaiçá zu dem Baum, unter dem er immer, nachdem er eingeschlafen war, dieselben Träume hatte. Seit dem ersten Tag fastete er. Er aß nichts. Während des letzten Besuchs sagte Sinaá im Traum zu Uaiçá: ‚Komm nicht mehr unter diesen Baum. Es ist genug.‘ Nachdem Uaiçá aufgewacht war, schabte er ein wenig von der Baumrinde ab und ging zum Flußufer. Dort machte er daraus einen Tee und trank ihn. Da war er berauscht, sprang ins Wasser und fing mit der Hand Fische. (…) Uaiçá ging nicht mehr zu dem Baum. Er trank nun den Tee, den er aus der geschabten Rinde braute, und erwarb so viele Fähigkeiten.« (Karlinger und Zacherl 1976: 172f.)“. (Rätsch 1998: 109f.)

Lucys Xtra

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