Text: Michael Kleim
„Sag mir, Alwis …
Wie man das Bier heißt,
das da brauen die Menschen
bei den Bewohnern jeder Welt!
Bier bei den Menschen
Bräu bei den Wanen
Äl im Asenreich
Heiltrank bei den Alben
Bei Hel aber Met<
Rauschtrank im Riesenland“
(EDDA, Alwislied 33/34)
Seit uralten Zeiten wird Bier gebraut und getrunken. Bereits die Edda weiß zahlreiche Namen zu nennen, wie das berauschende Getränk in den verschiedenen Welten genannt wurde. In dem Gespräch zwischen Thor und dem allklugen Zwerg Alwis wurde das trefflich dokumentiert.
Island hat einen rauen Charme. Diese Insel ist wie seine Einwohner. Faszinierend, eigensinnig und schräg. Das Jahr 1989 – ein an sich schon sehr geschichtsträchtiges Jahr für Europa – hat auch für die Isländer eine originelle freiheitliche Bedeutung:
Nach langen 74 Jahren wurde am 1. März 1989 das Verbot von Bier durch den Althing, das isländische Parlament, aufgehoben. Seitdem avancierte Bier zum beliebtesten alkoholischen Getränk der Insel und seitdem wird der 1. März jedes Jahr als „bjórdagurinn“ – als Tag des Bieres – gefeiert. Seit der Re-Legalisierung haben sich fünf Brauereien und mindestens zwölf Biersorten etabliert.
Ende des 19. Jahrhunderts erstarkte unter dem Eindruck starker sozialer Verelendung breiter Bevölkerungskreise infolge der Industrialisierung die Abstinenzbewegung. Nicht nur in den USA, auch in Island gewann sie starken Einfluss. 1908 entschied sich eine Mehrheit der Isländer in einem Referendum für das Totalverbot von Alkohol. Und sieben Jahre später wurde dieser Beschluss juristisch umgesetzt. Es wurde geschmuggelt. Es wurde schwarz gebraut und gebrannt. Es funktionierte einfach nicht.
Ökonomische Rahmenbedingungen führten zu einem Aufweichen der umfassenden Alkoholprohibition. Island wollte seinen Fisch nach Spanien exportieren. Spanien wiederum hatte großes Interesse, seinen Wein nach Island zu verkaufen. Das war dann der äußere Faktor, der zu ersten Zugeständnissen an einen staatlich regulierten Alkoholhandel auf Island führte.
1922 entstand das System „Vínbúðin“, eine Kette von Alkoholfachgeschäften, die unter einem Staatsmonopol stehen und bis heute einzige legale Abgabestelle für Alkoholika sind. Für den direkten Konsum sind natürlich Bars bzw. Kneipen berechtigt, Alkohol auszuschenken – allerdings mit einem empfindlichen Aufpreis zu den auch bereits in den Vínbúðin bestehenden hohen Kosten für alkoholische Getränke. Der Name Vínbúðin – „Weingeschäft“ – verweist trefflich auf die historische Entstehung und passt sich in die Regulierung anderer skandinavischer Staaten ein. „Wenn ein Isländer sagt, er gehe zum Staat, bedeutet das, er will Alkohol kaufen.“[1]
Zwölf Jahre darauf kam ein weiterer Paukenschlag, der die Prohibition relativierte – ein Referendum über die Wiederzulassung von Wodka und anderen Spirituosen wurde mehrheitlich von den Isländern angenommen. Um aber mit der Abstinenzbewegung irgendwie einen Kompromiss zu schließen, blieb Bier mit einer Stärke über 2,25 % weiterhin illegal. Nun bestand die surreale Situation, dass man sich mit Fusel „abschießen“ durfte, aber ein gemütliches Feierabendbier unter Strafe stand. Ziemlich schräg. Ziemlich isländisch eben. Die Argumentation der Abstinenzverbände hangelte sich an der Idee entlang, dass Bier gerade deshalb, weil es niedriger dosiert und billiger sei, einen größeren Verbreitungsradius einnehmen würde und somit ein größeres Risiko für die Gesamtbevölkerung darstelle.
Lucys Xtra
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