Bislang habe ich in jedem Editorial auf die psychedelische Bewegung Bezug genommen, aus dem schlichten Grund, weil sie meine Heimat ist – und der Nährboden dieses Magazins. Die Bewegung erfährt derzeit eine Renaissance, die noch vor wenigen Jahren nicht vorhersehbar war. Die psychedelische Szene wird immer größer und erreicht immer mehr Gesellschaftsschichten.
Es ist etwas im Wandel; die Psychedelik nimmt in der Gesellschaft allmählich einen ganz anderen Platz ein als in der Vergangenheit. Eine konsequente Entwicklung, die sicherlich auch als Antwort auf den gegenwärtigen Zeitgeist zu verstehen ist; sie geht allerdings einher mit einem Ausverkauf jener Werte, um die es bei Bewusstseinserweiterung und Psychedelik eigentlich geht. Die Rede ist von Trends wie zum Beispiel vom Instant- Ayahuasca- Tourismus im amazonischen Dschungel und von der mittlerweile allgegenwärtigen Ausbeuterei von Kröten und Fröschen für Rituale mit 5-MeO-DMT oder Kambô. Ein Verhalten, das natürliche Ressourcen (wir denken unter anderem an Ayahuasca- und Peyote-Pflanzen) oder Lebewesen (Kröten, Frösche) vergewaltigt, hat mit echter Psychedelik nichts zu tun, weil ihm jede Bewusstheit fehlt. Solche Trends sind keine Bewusstseinserweiterung, sondern höchstens schnelle Abenteuer.
Wir brauchen unsere eigenen Rituale, um ernsthafte Psychedelik betreiben zu können – auch dies ist eine Weisheit, die indigene Schamanen uns auf Nachfrage gerne mitgeben. Deshalb ist es unser Bestreben, in Lucy‘s Rausch authentische psychedelische und Drogen-Kultur zu versammeln und einen Gegenpol zu schnelllebigen Modeerscheinungen zu schaffen.
So können wir auch diesmal wieder eine Auswahl an Perlen präsentieren, zum Beispiel einen Artikel von Wolfgang Bauer über den berauschten und berauschenden Schriftsteller E. T. A. Hoffmann wie auch die Kunst seiner Namensvetterin Martina Hoffmann, US-amerikanische visionäre Malerin mit deutschen Wurzeln. Kunsthistorikerin Claudia Müller-Ebeling hat sie für uns interviewt.
Ganz besonders freue ich mich, diesmal Wolf-Dieter Storl mit einem erhellenden Text dabei zu haben, und auch der äußerst belesene Kollege Achim Zubke gehört neu zu unserem Autorenteam. Einige Leser kennen Achim vielleicht noch aus dem deutschen Cannabismagazin der ersten Stunde, dem Hanfblatt, wo er bis zur Einstellung des Hefts unter dem Kürzel az hervorragende Texte publizierte; neuerdings schreibt er auch für das Highway-Magazin. In Lucy‘s Rausch erfreut az uns zum Einstand mit einem Artikel zur Mate.
Weitere Highlights dieser Ausgabe sind das Gespräch mit dem Bewusstseinsforscher Milan Scheidegger von der Universität Zürich, Christian Rätschs Ausführungen über eine Ayahuasca-Oper und die Abhandlung von Kevin Johann und Tine Müller über die psychoaktiven Augentropfen Sananga. Ich selbst befasse mich mit einer Orchideenart, die ich 2004 als psychoaktive Pflanze identifiziert habe – die Pflanze war vorher nicht als psychotrop bekannt. Als kurze Bestandsaufnahme nach 14 Jahren zeigt der Artikel, was seither geschehen ist.
Ich wünsche allen Fans von Lucy‘s Rausch angenehme Lesestunden und eine psychedelische Herbst- und Winterzeit.
Markus Berger, Chefredakteur