Timothy Leary: MDMA – die Droge der Achtziger

XtraAuszug aus: Chaos und Cyberkultur (1997)

Timothy Leary. Foto: Archiv Nachtschatten Verlag

Soziologen wissen, dass jede Stufe der menschlichen Kultur ihre eigene Kunst, ihre Musik, ihre eigene Literatur, ihren eigenen sexuellen Ausdruck, ihren einzigartigen Dialekt und ihre eigene zeremonielle Droge besitzt. Nehmen wir zum Beispiel die achtziger Jahre dieses Jahrhunderts in den USA. Der Stil jenes Jahrzehnts wurde von Ronald Reagan geprägt, der uns ein gehemmtes Sexualleben, eine nostalgische Ästhetik der fünfziger Jahre, eine Serie von Hexenverfolgungen (Lieblingssport der moralisierenden Mehrheit), eine düstere Paranoia des Kalten Krieges und eine überhaupt nicht wohltätige Ethik des allgemeinen Egoismus zurückbrachte.

Als Reaktion darauf erschien während des vergangenen Jahrzehnts der harschen Rhetorik eine neuartige Droge, „Empathogen“ genannt, die einen Zustand von Empathie und mitfühlendem Verständnis im Gehirn des Anwenders erzeugt (Später verwendet man dafür auch gerne die Ausdrücke „Entaktogen“ oder „Inneres Berühren“ – der Herausg. der amerik. Ausg.).
Eine ältere Version dieser Droge war MDA, die „Liebesdroge“ der siebziger Jahre. Die gegenwärtig bekannteste Version ist eine verfeinerte und kürzer wirkende Verwandte aus der MDA-Familie, bekannt als MDMA, Ecstasy, XTC, Adam, Venus oder Zen.

Dutzende von Forschern haben ein sehr wohltuendes Gefühl beschrieben, ein Gefühl von Einsicht, Verständnis, Empathie und Leichtigkeit der Kommunikation, das durch Ecstasy aktiviert wird. Claudio Naranjo, der hervorragende chilenische Psychologe, hat folgenden Bericht über die sehr ähnlichen Wirkungen von MDA geschrieben:

„Der Höhepunkt der MDA-Erfahrung ist typischerweise so, dass der gegenwärtige Augenblick in jeder Weise intensiv erfüllend wirkt. Vorherrschend sind Gefühle der Ruhe, Heiterkeit und wahren Liebe. Die Wahrnehmung der Dinge und der Menschen verändert sich nicht; die Beurteilung der Dinge bleibt offen und ist von unbeschränkter Akzeptanz begleitet. Dies ist Nietzsches ‘Amor fati’ ziemlich ähnlich – Liebe zum Schicksal, Lieben der eigenen, speziellen Umstände“ (The Healing Journey, 1976).

EIN SINNLICHES APHRODISIAKUM

Der bekannte Psychopharmakologe der Universität Cornell, Thomas Pynchon, meint zur Wirkung von MDMA, dass „die Gehirnschaltkreise, die Alarm, Furcht, Flucht, Kampf, Lust und territoriale Paranoia übermitteln, zeitweise abgeschaltet werden“. Man sieht dann alles mit völliger Klarheit, ungestört von tierischen Belangen. Man gelangt in einen Zustand, den die Alten Nirwana, alles erkennende Glückseligkeit, genannt haben. Die Wirkung erreicht ihren Höhepunkt normalerweise nach ein paar Stunden und hält für etwa fünf an. Es gibt keine Wahrnehmungsstörungen, und man kann – falls man muss – normal funktionieren. Aber man will nicht. Wer möchte denn schon Tennis spielen, wenn er auf dem Gipfel glückseliger Weisheit sitzt?

DIE GEFAHREN VON ECSTASY

Der erfahrene Drogenbenutzer, der von einer Droge hört, die mit solch verführerischen Superlativen beschrieben wird, mag einwenden: „Nun komm, und erzähl doch mal von den Nachteilen.“
Klinische Berichte zeigen, dass etwa fünfundzwanzig Prozent der Erstbenutzer einen kurzen Schwindelanfall, Gebissstarre oder Augenverdrehen erleben, bevor sie abheben und sich dem Nirwana nähern. Das Erlebnis ist so stark, dass sich jeder am nächsten Tag etwas schwach fühlt. Die meisten nehmen die Droge am frühen Abend ein und sind so um Mitternacht bereit für einen wundervoll erfrischenden Schlaf, vorzugsweise in den Armen des oder der Geliebten. MDMA ist kein genital wirkendes Aphrodisiakum. Die außerordentliche Sinnlichkeit der Erfahrung erstreckt sich über den ganzen Körper.

SEIEN WIR EHRLICH, WIR REDEN HIER ÜBER DIE ERFAHRUNG EINER ELITE. MDMA IST EINE DROGE, DIE DURCH MUND-ZUMUND-PROPAGANDA BEI ALL DENEN BEKANNT IST, DIE ERNSTHAFT HOCHWERTIGE EMPATHIE ERLEBEN UND SELBSTERKENNTNIS ERREICHEN WOLLEN. WIR REDEN ÜBER HINGEBUNGSVOLLE SUCHER, DIE EIN BISSCHEN ECSTASY VERDIENT HABEN.

Lucys Xtra

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