Text: Tom Saborowski
Auf Psytrance- und Goafestivals versammeln sich Tausende junger Menschen, konsumieren gemeinsam verschiedene psychoaktive Substanzen und raven sich tagelang in die Ekstase. Ohne Frage führt der bewusste psychedelische Konsum zu unvergesslichen Festivalmomenten! Er bietet das Potenzial für neue Freundschaften, kann magische Momente der Verbundenheit kreieren und den Geist mit Lektionen über die vielseitigen Facetten des Lebens bereichern – ermöglicht Erfahrungen, die man nicht zwischen Buchseiten findet. Doch was ist nach dem Rave?, fragte ich mich immer wieder: Wohin gehen all diese Personen und wie leben sie mit den anderen Wesen zusammen? Wie konzeptualisieren und integrieren sie diese kollektiven Erfahrungen?
Psychedelische Trips beschäftigen viele von uns nachhaltig im Alltag. Wir beginnen über unser bisheriges Leben und metaphysische Fragen zu reflektieren, fällen nach den Erfahrungen wichtige Entscheidungen oder lassen uns von ‚Offenbarungen‘ in veränderten Bewusstseinszuständen leiten. Ich möchte nicht bestreiten, dass uns psychedelische Erfahrungen wundervolle Einsichten über uns verschaffen können. Doch es ist mir auch ein Anliegen, an den kritischen Geist zu appellieren und eine gewisse Ehrfurcht angesichts unserer möglichen Erfahrungsdimensionen aufrecht zu erhalten. Denn ich denke, dass Reflexivität notwendiger Bestandteil jedes wirklich transformativen Prozesses ist – sowohl individuell als auch gesellschaftlich. Dafür sollten wir uns ehrlich befragen, was wir aus den Erfahrungen ableiten und damit wirklich verändern können. Worin besteht für mich und aus Sicht der anderen eine bessere Welt? Wieviel Energie bin ich bereit, dafür aufzubringen? Vor allem müssen wir offen für den Austausch mit anderen und deren kritischen Einwände gegenüber unseren Ideen sein.
Die junge psychonautische Generation ist in einer privilegierten Situation, die wir nutzen können. Wir haben die historische Chance, die psychedelische Erfahrung in die Mitte vieler europäischer Gesellschaften zu tragen. Doch dafür braucht es Wissen und Fähigkeiten, die wir vor und nach den Erfahrungen in veränderten Bewusstseinszuständen erwerben und einüben. Anstrengung ist wichtig. Wir können heute von den in Sprach- und Schriftform niedergelegten Erfahrungen der alten Psychonauten lernen und uns glücklich schätzen, über diesen multimedialen semantischen Schatz vergangener Menschenleben zu verfügen. Aber wir sollten auch kritisch gegenüber diesen Berichten sein und daran arbeiten, ihre Werke differenziert aufzuarbeiten und durch eigene Gedanken sowie wissenschaftliche Forschung zu erweitern.
Mich persönlich fasziniert beispielsweise die Frage, wie die erste psychedelische Bewegung in den USA der 1960er Jahre so wirkmächtig werden konnte. Durch welche Strategien, Rituale und semantische Codes haben es ‚Trickster‘ wie Timothy Leary geschafft, eine erste große psychedelische Bewegung mit vielfältigen Transformationszielen in Gang zu setzen? Die Figur des ‚Trickster‘ passt für mich dabei am besten auf Personen wie Leary. Denn dieser Archetypus bringt neue Werkzeuge in soziale Spiele ein, die disruptiv bisherige Ordnungsstrukturen aufbrechen können. Kritiker warfen Leary immer wieder vor, Gefahren zu vernachlässigen und eine oberflächliche eskapistische Haltung zu fördern – dieser Meinung bin ich nicht. ‚Trickster‘ wie Prometheus brachten den Menschen das Feuer, Leary das LSD. Obwohl diese neuen Werkzeuge oft viele Vorteile mit sich bringen, können sie auch neue Probleme aufwerfen. Feuer musste gebändigt werden, um nicht wild um sich zu greifen. Doch selbst diese Bändigung kann den Tod bedeuten, wenn das Feuer zur Waffe wird. Darüber hinaus wurde Prometheus von den herrschenden Göttern nicht verstanden, sie hatten Angst vor dem Machtverlust und bestraften ihn. Dasselbe gilt für LSD und andere Psychedelika.
Lucys Xtra
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