Ob koffeinfreier Kaffee oder alkoholfreies Bier: Es gibt zahlreiche Gründe, warum Menschen auf die psychotropen Wirkungen der westlichen Alltagsdrogen verzichten möchten. Im Falle alkoholfreier Getränke sind es oftmals die negativen Auswirkungen einer Alkoholintoxikation, der umgangssprachliche Kater, welche die Betroffenen zur Wahl des kastrierten Getränks – also zur Abstinenz – bewegt.
Dennoch sind alkoholhaltige Getränke ein integraler Bestandteil vieler Kulturen und haben eine feste Rolle in zahlreichen sakralen und weltlichen Ritualen. Im Partykontext, sei es das Familienfest oder ein Musik-Festival, spielt gerade die psychotrope Wirkung eine herausragende Rolle: Alkohol enthemmt, stimuliert und erhebt – wenn das richtige Set und Setting, vor allem jedoch die richtige Dosis, ausgewählt werden.
Somit sind alkoholfreie Varianten oftmals Kompromisslösungen, zwar bieten sie zum Teil einen recht ähnlichen Geschmack, mehr als einen Placeboeffekt können sie jedoch nicht leisten.
Das Team um Professor David Nutt will mit seinem Produkt «Sentia» in diese Bresche springen. Ziel sei es, ein Getränk herzustellen, dass «die erwünschten Effekte von Alkohol zu imitier[t], indem es auf das Gehirnsystem abzielt, das sie vermittelt» (Nutt im Interview mit Metro.co.uk).
Gemeint ist damit das GABAA-Rezeptorsystem, das bedeutend am Rauscherleben durch Trinkalkohol beteiligt ist. Weitere Substanzen, die an diesen Rezeptoren wirken, sind beispielsweise Barbiturate (bis ins 20. Jahrhundert als Schlaf- und Beruhigungsmittel verwendet), Muscimol (Wirkstoff des Fliegenpilzes) und 4-Hydroxybutansäure (GHB).
Welche Substanzen genau genutzt werden sollen, um eine Alkohol-ähnliche Wirkung zu erzeugen, wird nicht preisgegeben. Laut Nutt seien es vier Pflanzen, «die in Kombination und mit Aufnahmeverstärkern diesen Effekt erzeugten».
Bei den verwendeten Inhaltsstoffen soll es sich jedoch offenbar nur um bereits bekannte Lebensmittel bzw. Lebensmittelzusatzstoffe handeln, die typische Sicherheitsanforderungen bereits erfüllen.
Die folgenden, konkreten Inhaltsangaben finden sich auf dem Etikett des Produktes:
Ingredients: Gaba labs proprietary blend 2.5 g, Filtered water, Concentrates of Blackberry & Aronia*, Agave*, Hibiscus infusion*, Botanical & Spice Extracts (including Damiana, rose*, Hawthorn, Tulsi* & Gentian) 5-HTP, Acid: Citric and Malic, Preservative: Potassium Sorbate. * – organically sourced
(Hervorhebung der «geheimen» Inhaltsstoffe)
Ein User im Subreddit „DrugNerds“ beschreibt die Wirkung wiefolgt:
Nach 5 Minuten: Lächeln in den Mundwinkeln. Fühle mich ein bisschen albern, warm und giggelig. [Es wirkt] eher subtil als überwältigend. Angenehm, um es mit einem Wort zu beschreiben.
Nach 10 Minuten: Keine plötzliche Veränderung, sondern ein angenehmes, schwebendes Gefühl bleibt bestehen. Ich bin auf keinen Fall enthemmt oder fühle mich irgendwie betrunken. Ich würde nicht den Macarena tanzen. Aber ich fühle mich entspannt, gut gelaunt und das wäre perfekt für gesellschaftliche Anlässe, wenn man keine Lust hat, sich zu betrinken (aber nichts gegen einen kleinen Stimmungsaufheller hätte).
Nach 20 Minuten: Keine Veränderung, aber dasselbe warme, schwebende Gefühl. Leichtigkeit des Geistes. Man fühlt sich körperlich entspannt. Um dieses Gefühl in ein Bild zu fassen, denken Sie an ein gemütliches knisterndes Kaminfeuer.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass das süchtig macht. Zu subtil und man ist nicht „aus dem Häuschen“. Ganz und gar nicht. … trotzdem nett! Würde ich auf jeden Fall wieder bestellen.
Die Wirkung einer Dosis von zwei Schnapsgläschen soll laut David Nutt für ungefähr 30 Minuten anhalten. Das obere Limit sollte drei «Shots» nicht überschreiten, da der Effekt danach ein Plateau erreicht. Mengen oberhalb von 200 ml pro Tag seien bisher nicht geprüft worden, so dass von höheren Dosierungen bisher abgeraten werden sollte.
–
Wer mutig genug ist, das Gebräu, trotz «geheimer» Inhaltsstoffe zu testen, kann es auf der Internetpräsenz von «Sentia Spirits» für £ 14.00 zu 20 cl, respektive £ 30.00 zu 50 cl bestellen.
Dirk Netter