Psychedelische Substanzen befinden sich aktuell auf direktem Weg zur Zulassung als Medikamente zur Behandlung von Depression, Trauma und Sucht. Insbesondere Psilocybin und LSD durchlaufen derzeit weit fortgeschrittene klinische Studien und könnten in wenigen Jahren einen neuen legalen Zweig der Psychotherapie begründen – die psychedelische Psychotherapie.
Als staatlich regulierte Pharmaka müssten diese Substanzen dann jedoch äußerst hohen Qualitätsstandards genügen und zudem vermutlich in großen Mengen zur Verfügung stehen. Beim Psilocybin, dem Wirkstoff der Zauberpilze, stellt dies jedoch eine große Herausforderung dar. Die Pilze enthalten grundsätzlich nur geringe Mengen dieser Substanz und ihre Aufreinigung bis zur für pharmazeutische Anwendungen nötigen chemischen Reinheit ist kostenaufwendig. Eine günstige chemische Synthese ist aktuell auch nicht möglich, da sie durch zwei nur ineffizient durchführbare Syntheseschritte behindert wird: der Hydroxylierung der Position 4 am Indolring sowie deren Phosphorylierung. Die ersten Versuche, Psilocybin gentechnisch in Bakterien herzustellen, bleiben, trotz dieses aus akademischer Sicht wertvollen Erfolgs, in ihrer Effizienz weit hinter industriellen Anforderungen zurück. Als Problem erweist sich hierbei, dass Bakterien ein wichtiges Enzym, welches die Zauberpilze zur Synthese des Psilocybins nutzen, grundsätzlich nicht nutzen können. Aus diesem Grund müssen den Bakterien derzeit noch teure, chemische Vorstufen zugefüttert werden, die erst im Anschluss von den Bakterien zu Psilocybin umgewandelt werden.
Um diese Probleme zu lösen und für eine günstige und umweltschonende Versorgung an pharmazeutisch reinem Psilocybin zu sorgen, hat ein Team dänischer Forscher nun erneut in die Werkzeugkiste der Gentechnik gegriffen und versucht, Psilocybin in Hefezellen herzustellen. Die gemeine Bäckerhefe (S. cerevisiae) ist ein deutlich komplexerer Organismus als Bakterien und besitzt prinzipiell die Möglichkeit, alle Pilzenzyme zu nutzen.
In ihrer neu veröffentlichten Studie transferierten die Biologen nun die von Psilocybe cubensis zur Psilocybinproduktion genutzten Gene in handelsübliche Hefezellen. Zusätzlich wurde das erste Gen des Psilocybin-Synthesewegs durch ein ähnliches, aber aktiveres Gen aus der Tropenpflanze Catharanthus roseus ausgetauscht. Erste Erfolge stellten sich schnell ein und die Zellen begannen umgehend, geringe Mengen (~120 mg/l) Psilocybin herzustellen.
Um die Ausbeute zu erhöhen, tauschten die Forscher ein natürlich in Hefe vorhandenes, den enzymatischen Prozess unterstützendes, Gen der Hefe gegen ein ähnliches Gen aus P. cubensis aus und erreichten damit schlagartig eine Erhöhung der Psilocybin-Ausbeute auf ~140 mg/l Psilocybin sowie ~ 80 mg/l Psilocin. Nach einigen weiteren, kleineren genetischen Anpassungen wurden die Hefezellen in professionellen Bioreaktoren angezogen. In diesen Tanks können Sauerstoff-, Zucker- und Nährstoffgehalt, sowie pH-Wert des Nährmediums genau eingestellt und kontrolliert werden. Unter optimalen Bedingungen waren die Hefezellen nun in der Lage, ganze 630 mg/l Psilocybin und 580 mg/l Psilocin herzustellen. Die so produzierten Substanzen sind außerdem, wie bei Hefezellen üblich, sehr einfach und kostengünstig aufzureinigen.
Mit den erfolgreich modifizierten Hefen aus dieser Studie steht nun erstmals einer günstigen und effizienten Produktion von Psilocybin im industriellen Maßstab und in pharmazeutischer Qualität nichts mehr im Wege – sofern die Substanz als Medikament zugelassen wird. Die zwei leitenden Wissenschaftler melden den entwickelten Hefestamm derzeit zum Patent an.
Quelle: Milne N. et al., Metabolic Engineering, 2020, Metabolic engineering of Saccharomyces cerevisiae for the de novo production of psilocybin and related tryptamine derivatives, doi: 10.1016/j.ymben.2019.12.007
Linus Naumann