Habichtskraut – ein wildwachsender Cannabis-Ersatz

Ein kleiner ethnobotanischer Abriss

Das Habichtskraut ist nur einer verschwindend geringen Zahl Eingeweihter als psychoaktives Rauchkraut bekannt. Als alte Heil- und Zauberpflanze, die für Liebhaber von Psychoaktiva höchst interessant ist, ordnet man das Habichtskraut der Gattung Hieracium und der botanischen Familie der Korbblütler (Asteraceae/Compositae) zu. Insbesondere Hieracium pilosella, das Mausohr- oder Behaarte Habichtskraut, gilt als ethnomedizinische Augenarznei – vermutlich begründet sich dieses Anwendungsgebiet in der Legende, die besagt, dass der Habicht seine überdurchschnittliche Sehstärke dem Verzehr des Gewächses verdankt. Abkochungen und Aufgüsse aus dem Kraut (Pilosellae herba, Herba Hieracii) wurden früher gegen Darm- und Bronchialkatarrh, Durchfall, Mandelentzündung, Wurmbefall, Erkrankungen der Atemwege und Geschwüre verwendet.

Der Botaniker und Autor Heinrich Marzell hatte in seinem Werk „Heil- und Nutzpflanzen der Heimat“ eine wunderbare Beschreibung des Aussehens veröffentlicht:

„Der Stengel trägt nur ein Blütenköpfchen und wird gewöhnlich nicht höher als 10 bis 20 Zentimeter. Am Grunde treibt er zahlreiche Ausläufer, die teilweise nur Blätter, teilweise aber auch Blätter und Blüten hervorbringen. Der Stengel selbst ist blattlos. An seinem Grunde befinden sich in rosettiger Anordnung lanzettliche Blätter, die an der Unterseite von angedrückten Haaren weißfilzig sind. Die grüne Blattoberseite ist mit zerstreuten Borstenhaaren bedeckt. Die Hülle des Blütenköpfchens besteht aus mehreren Reihen behaarter spitzer Hüllblättchen. Das Blütenköpfchen besteht ausschließlich aus zungenförmigen Blüten; die am Rande des Köpfchens stehenden sind in der Regel auf der Unterseite rötlich gestreift. (…) Die ganze (im übrigen sehr veränderliche) Pflanze ist durch ihre starke Behaarung als eine Bewohnerin trockener Standorte gekennzeichnet.“
(Marzell 1947: 240)

Habichtskraut ist nur mild psychoaktiv – besonders im direkten Vergleich mit starkem Cannabis. Jedoch ist die Psychoaktivität des Habichtskrauts, die sich irgendwo in einem leicht sedierenden und euphorisierenden Bereich manifestiert, deutlich und eindeutig spürbar. Und zwar durchaus merklicher als jene mancher anderer bekannter und teils hochgelobter pflanzlichen Legal Highs. Im Volksglauben werden bzw. wurden dem Habichtskraut überdies magische Kräfte zugeschrieben. So soll die Pflanze vor Hexerei und bösem Zauber schützen. Das könnte auf eine frühere Verwendung des Krauts als Zauberpflanze hindeuten, möglicherweise im alten germanisch-heidnischen Schamanismus? Interessanterweise gilt Hieracium pilosella laut Christian Rätsch in Dänemark als Marijuana-Ersatz (Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen).

Hieracium pilosella (Kleines Habichtskraut). Foto: Markus Berger
Hieracium aurantiacum (Orangerotes Habichtskraut). Foto: Markus Berger

Das Habichtskraut kommt in Mitteleuropa häufig vor, bevorzugt an trockenen Stellen. In lichten Wäldern, an Wegen, auf Trockenwiesen und Heiden sowie an Mauern und Gesteinen. Die Pflanze enthält Flavonoide und Cumarine, beispielsweise Umbelliferon und Skimmin, außerdem Gerbstoffe und andere Prinzipien. Interessanterweise induzieren die verschiedenen Hieracium-Spezies, wenn sie geraucht werden, psychoaktive Effekte, die denen des Hanfs in der Tat ähneln, jedoch deutlich milder sind.

Als Giftpflanze kommt den diversen Hieracium-Arten keine Bedeutung zu, das heißt zu gut Deutsch: Sie sind nicht toxisch. Trotzdem wird das Gewächs von laienhaften Autoren im Internet zuweilen als „schwach giftig“ deklariert, was zum einen an der grundsätzlichen Anwesenheit von Cumarinen, zum anderen am Dosierungshinweis eingeweihter Drogenkundler liegen dürfte, der da heißt: viel Habichtskraut, viel Psychoaktivität. Angeblich ist die Pflanze für Schafe giftig, das berichten zumindest manche Quellen (siehe Rätsch 1998: 561). Otto Linné Erdmann schreibt jedoch schon 1892 im 9. Band des Journals für technische und ökonomische Chemie:

„Die Schafe stellen dem Hieracium Pilosella sehr nach, wovon man sich leicht die Ueberzeugung verschaffen kann, wenn man Schafherden, die auf sandigen Reviren weiden, wo diese Pflanze nicht selten in Menge vorhanden ist – beobachtet. – Aehnlich verhält es sich mit H. dubium.“
(Linné Erdmann 1892: 63)

Durchaus denkbar, dass auch die Schafe die euphorisierende Komponente des Habichtskrauts zu schätzen wissen und manch menschlicher Beobachter die auf den Verzehr der Pflanze folgenden Wirkungen auf die Tiere schlicht falsch interpretiert hat.

Literatur

Berger, Markus (2012), Habichtskraut – ein legaler Hanfersatz, grow!-Magazin 4

Rätsch, Christian (2018), Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen, 14. Auflage, Aarau: AT Verlag