Die Zauberer des Nordens – Schamanische Traditionen der Sami

XtraSkandinavischer Fliegenpilz-Schamanismus

Sami-Familie im Jahr 1900 vor ihrem Lavvu (Wohnzelt). Foto: pd

Text: Lars Meyenborch

Die Sami sind eine Gruppe von Ethnien im hohen Norden Europas, die dort spätestens seit der Zeitenwende ansässig waren und bis heute einzigartige kulturelle Eigenheiten bewahrt haben. Dazu zählt eine reiche schamanische Tradition, die sich zum Beispiel in ihren verzierten, ovalen Zaubertrommeln widerspiegelt.

Dabei sind uns genuin schamanische Vorstellungen überliefert, wie wir sie aus dem namensgebenden sibirischen Schamanismus kennen. Dazu gehört etwa die ganz klassisch-schamanische Konzeption eines Kosmos, der gänzlich beseelt ist und sich in drei Welten gliedert, die durch einen Weltenbaum verbunden sind. Dies sind Unterwelt, Mittelwelt (Menschenwelt) und Oberwelt. Der Schamane bedient sich zum Wohle der Gemeinschaft bestimmter Techniken, um seine Seele in Unter- und Oberwelt auszusenden und dort mit Göttern und Geistern, z.B. Tier-, Pflanzen-, oder Ortsgeistern, zu kommunizieren und so etwa Krankheiten zu heilen oder Vorhersagen für die Jagd zu machen.1 Dies ist ein für den Schamanen gefährliches Unterfangen und er nutzt dazu die Hilfe persönlicher Schutzgeister, oft in Form von Tiergeistern, die zum Teil sogar „erblich“ sind: So findet sich der Glaube, dass jede Familie eigene Geister habe und sich auch die Fähigkeiten zur Zauberei unter Mitwirkung der Geister in manchen Menschen mehr und in anderen wenig oder gar nicht finden lassen.2

Vermutlich aufgrund eben jener schamanischen Praktiken waren die Sami bei ihren skandinavischen Nachbarn schon im Mittelalter als besonders mächtige Zauberer bekannt. Dieser Ruf setzte sich bis in die Frühe Neuzeit fort und aus dem 17. und 18. Jahrhundert finden wir vermehrt Quellen von Reisenden, die sich aus verschiedenen Gründen in den Norden begaben und für ihre Zeitgenossen von den Sami, die inzwischen oberflächlich christianisiert worden waren, berichteten.

Auch in den Texten aus dem „aufgeklärten“ 18. Jahrhundert finden sich Berichte von den Fähigkeiten der Sami-Zauberer oder noiaidi, wie sie in den Sami-Sprachen heißen. So schreibt etwa zu Beginn des 18. Jahrhunderts der kursächsische Pastor und Hauslehrer Johann Gerhard Schellern in einer Beschreibung seiner Reisen in die Gegend um Tornio am Bottnischen Meerbusen im heutigen Finnland: „So weit durch die Welt der Nahme der Lappen erschollen, so weit gehet auch die gemeine Sage, daß die Lappen der Zauberey ergeben. Nun ist mehr als zu gewiß, daß vorzeiten im Heydenthum, und da sie ein freyes Volck waren, auf allerhand Art Zauberey verübet wurde, ob aber noch heut zu Tage einige sündhaffte Seelen solchem Irrthum ergeben, stelle dahin.“3

Obwohl der Pastor Scheller solche Praktiken entsprechend seines orthodox-lutherischen Hintergrunds ablehnt, findet er sie wohl doch interessant, denn er berichtet weiter: „Die alten Zauberer machten sich Hexen-Trummeln, so aus einem Stück Fichten= oder Birken=Holße bestunden […]. Diese Trummel war mit unzehlichen Bildern und Figuren roth bemahlet, dergleichen Bilder waren ihre Götter, item: Sonn, Mond, Sterne, allerhand wilde Thiere, Schlangen, Seen, und Flüsse […].“4

Bei allen Ausführungen Schellers ist zu bedenken, dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach mehrheitlich nicht aus Gesprächen mit den Sami selbst, sondern mit den schwedischen Bewohnern Tornios und der Umgebung sowie älteren Texten stammen werden und somit eine Außenperspektive auf eine fremde Kultur darstellen. Obwohl deshalb nicht jede Einzelheit als gesicherter Fakt gelten kann und auch einiges an Missverstandenem und Ungenauem zu erwarten ist, geben Berichte dieser Art doch immerhin einen groben Umriss der Verhältnisse vor Ort wider. Wenn Scheller fortfährt, die Praktiken auf Basis fremder Notizen genauer zu beschreiben, mag also das ein oder andere Stereotyp über die Sami-Zauberer zum Ausdruck kommen, im Kern zeichnet er aber ein Bild, das gut zu unserem heutigen Wissen über ekstatische und magische Praktiken passt: „Der erste Nutzen [der Samizauberei] war, daß die Nordländer oder Lappen erforscheten, was in einem fremden Land passirete. […] Sie sollens haben errathen können, wenn sie, und andere Personen, den Zustand ihrer Freunde und Feinde; […] [selbst] wenn sie auf die 500. ja 1000. Meilen von ihnen [entfernt] waren, wissen wollen.“5

Lucys Xtra

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