Happy Birthday, Timothy Leary

Der berühmte Psychologe und LSD-Advokat wäre heute 99 Jahre alt geworden

Timothy Francis Leary wurde am 22. Oktober des Jahres 1920 in Springfield (Massachusetts) geboren. Nach seinem Collegeabschluss im Jahr 1940 besuchte er auf den Druck seines Vaters die Militärakademie in West Point (im Staat New York). Einige jugendliche Alkoholexzesse und Regelübertretungen später, erreichte er eine ehrenhafte Entlassung in beidseitigem Einvernehmen mit der Akademie.

Bereits im Jahr 1941 wechselte er an die University of Alabama, wo er sein Interesse für klinische Psychologie entwickelte. Nachdem der junge Leary im folgenden Jahr im Damen-Schlafsaal erwischt wurde, entließ man ihn auch aus dieser Einrichtung. Damit erlosch – noch mitten im Kriegsjahr 1942 – sein Studentenstatus, womit er zum Kriegsdienst eingezogen wurde.

Glücklicherweise folgten für ihn keine drastischen Militäreinsätze, so dass er seinen Psychologie-Abschluss nach der Erfüllung seiner Dienstzeit im Jahr 1945 nachholen konnte. Es folgte eine akademische Karriere im Fachbereich der klinischen Psychologie, die ihren Höhepunkt in Harvard erreichen sollte.

Im Mai 1957 veröffentlichte das LIFE Magazin einen Artikel von R. Gordon Wasson über den kulturellen Gebrauch von heiligen Pilzen durch die Mazateken in Mexiko. Leary erfuhr durch seinen Fachbereichs-Kollegen Anthony Russo von dem Artikel und auch von der Wirkung dieser Pilze.

Leary und Russo unternahmen 1960 einen Urlaubstrip nach Mexiko, wo Leary zum ersten Mal mit psilocybinhaltigen Pilzen experimentierte. Sein Erlebnis fasste er wiefolgt zusammen:

„Ich habe in den fünf Stunden nach der Einnahme mehr über das Gehirn und dessen Fähigkeiten gelernt, als in den letzten 15 Jahren meines Studiums und meiner Forschung.“

Diese Erfahrung sollte die Richtung seines Lebens grundlegend verändern. Zurück in den USA gründete er mit seinen Kollegen (u.A. Richard Alpert; später „Ram Dass“) dass Harvard Psilocybin Project, um das klinische Potenzial des (damals noch legalen) Wirkstoffs zu erforschen. Geliefert wurde das synthetische Psilocybin von der Schweizer Firma Sandoz – hergestellt wurde es nach einem von Albert Hofmann entdeckten Syntheseweg.

In den folgenden Jahren wurden viele bahnbrechende Studien durchgeführt, allen voran das „Concord Prison Experiment“, das sich mit der Rehabilitation von Sträflingen befasste, sowie das von Leary und Alpert überwachte „Marsh Chapel Experiment“, das die Analogie zwischen der psychedelischen und mystischen Erfahrung erforschen sollte.

Mit der Gründung der IFIF (zu deutsch etwa: Internationale Föderation für innere Freiheit) 1962 ermöglichten Leary und Alpert die Erforschung der spirituellen Qualitäten der psychedelischen Erfahrung. Leiterin dieser Einrichtung war Lisa Biebermann, die auch als Herausgeberin der wissenschaftlichen Zeitschrift „Psychedelic Review“ diente.

Im selben Jahr entdeckte Leary die Wirkung des LSD, dessen Wirkung er als „die erschütterndste Erfahrung seines Lebens“ bezeichnete. 1963 wurden Leary und Alpert aus Harvard entlassen, da die beiden angeblich LSD an Studierende weitergegeben haben sollen.

Die Entlassung kann als Schlüsselereignis für die Geburt der psychedlischen Gegenkultur gedeutet werden. Die früheren Mitglieder des „Psilocybin Projects“ und der IFIF eröffneten, nun frei von akademischen Zwängen, im Hitchcock Estate in Millbrook eine psychedelische Kommune. Die IFIF wurde dort unter dem Namen „Castalia Foundation“ neugegründet – der Name referiert auf die Intellektuellen-Gemeinschaft in Hermann Hesses Roman „Das Glasperlenspiel“.

Leary entwickelte sich in dieser Zeit zum Wortführer der psychedelischen Bewegung der beginnenden 60er Jahre. Nicht nur prägte er die Begriffe „Set“ und „Setting“, was eine der wichtigsten Grundlagen für die psychedelische Praxis lieferte, sondern er lieferte auch die prägnanten Slogans „Come Together“ und „Turn On, Tune In and Drop Out“.

Insbesondere letzterer ist bis heute Gegenstand hitziger Diskussionen, da Leary die Jugend vermeintlich dazu aufforderte, althergebrachte Institutionen zu delegitimieren und eine neue Gesellschaft der Liebe und der Innenschau zu entwickeln – betrachtet man die konservative US-Gesellschaft der frühen 1960er Jahre, so kann man sich vorstellen, dass dies für Teile der Erwachsenengeneration wie ein Aufruf zum Chaos geklungen haben muss.

Learys bewegtes Leben beinhaltete zwei lächerliche Verurteilungen und Inhaftierungen wegen Cannabiskonsums sowie seine spektakuläre Flucht über Algerien, in die Schweiz und Afghanistan. Die Festnahme durch Agenten der DEA sowie die anschließende Begnadigung. Nixons Erklärung von Leary als „most dangerous man in america„. Zahlreiche Brieffreundschaften und Kontakte zu Personen wie Aldous Huxley, Albert Hofmann, Allen Ginsberg, Jack Kerouac, Neal Cassady, Abbie Hoffman und viele weitere, sodass eine erschöpfende Illustration seiner Biographie ganze Bücher füllen könnte.

Dennoch ist seine Geschichte und seine Botschaft auch noch über 50 Jahre später aktuell wie nie zuvor. Er lieferte die theoretische Basis für die verantwortungsbewusste Nutzung der psychedelischen Erfahrung sowie deren akademische Erforschung.

Gleichzeitig sprach er sich deutlich für eine Verankerung von Psychedelik in der Gesellschaft aus, da er das positive Veränderungspotenzial bewusstseinsverändernder Erfahrungen für die evolutionäre Entwicklung der Menschheit als machtvolles Werkzeug ansah.

Leary erlag am 31 Mai 1996 im Alter von 75 Jahren im Kreise von Freunden und Familie den Folgen seines Prostatakrebses, sein letztes Wort lautete gemäß einem anwesendem Freund „beautiful“. Ein Teil seiner Asche wurde am 22. April 1997, u.A. mit der Asche des „Star Trek“-Schöpfers Gene Roddenberry, ins All befördert.

Er selbst bezeichnete seinen Tod nicht als „Ende“, sondern als „de-animating“ (zu deutsch etwa: Ent-Seelung) – während er seinen sterblichen Körper verließ, bleiben seine Bücher, Vorträge und Gedanken mindestens im kollektiven Gedächtnis der psychedelischen Kultur bestehen.

Oder, wie die Psychedelic Rock Pioniere von „The Moody Blues“ bereits 1968 sangen:

Timothy Leary’s dead
No, no, no, no, he’s outside looking in

The Moody Blues – Legend Of A Mind

Weiterführend:

https://www.erowid.org/culture/characters/leary_timothy/

https://web.archive.org/web/20101026205242/http://www.life.com/image/50711262/in-gallery/50751/life-on-lsd

https://www.erowid.org/culture/characters/bieberman_lisa/bieberman_lisa_biography1.shtml

Sandison, Ronald (1997): Psychedelia Britannica – Hallucinogenic Drugs in Britain. Turnaround.

Lattin, Don (2011): The Harvard Psychedelic Club: How Timothy Leary, Ram Dass, Huston Smith, and Andrew Weil Killed the Fifties and Ushered in a New Age for America.

Leary/Metzner/Alpert (1964): The Psychedelic Experience. A Manual Based on the Tibetan Book of the Dead.

Leary, Timothy (1968): The Politics of Ecstasy.

Leary, Timothy (1994): Chaos & Cyber Culture.