Mit Kindern über Drogen sprechen

XtraGenuss- und Substanzkompetenz in der Erziehung

Unbeschwerte Kindheit. Foto: Robert Collins via Unsplash

Text: Markus Berger

Soll man mit Kindern über Drogen sprechen? Diese Frage ereilt mich in meiner Funktion als Autor von Büchern über psychotrope Substanzen annähernd wöchentlich – meist von Eltern, die ein akzeptanzorientiertes Verhältnis zu Drogen haben und sich nicht sicher sind, ob es eine gute Idee ist, den Sprösslingen ehrliche Aufklärung angedeihen zu lassen. Immerhin ist es in dieser Gesellschaft ein Wagnis, ehrlich zu sein, wenn es um berauschende Stoffe geht, denn was wir innerhalb der uns umgebenden sozialen Strukturen in dieser Hinsicht erleben, ist die pure Bigotterie, Doppelmoral und – man muss es so sagen, wie es ist – Verlogenheit par excellence. Der auf dem Pausenhof Zigarette rauchende und auf Klassenfahrt Alkohol trinkende Lehrer erklärt den Kindern, wie schlimm es doch sei, „den Drogen“ zu verfallen. Dass ein solches Verhalten gerade den noch wenig konditionierten Kindern schleierhaft sein muss, ist vollkommen logisch. Wir sind in dieser Sache einfach nicht ehrlich – weder zu uns selbst und schon gar nicht gegenüber unserem Nachwuchs.

Dabei ist es ganz simpel und wäre eigentlich nicht wirklich der Rede wert. Denn wir bringen schon unseren Jüngsten bei, mit potenziell gefährlichen Gegenständen, Stoffen und Situationen angemessen und achtsam umzugehen. Die Beispiele, die ich dafür immer wieder wähle, sind eindeutig. Kinder müssen beispielsweise lernen, richtig mit Wasser und Nahrung umzugehen. Zu viel oder zu wenig ist ungesund und potenziell schädlich. Kinder müssen verinnerlichen, dass es keine gute Idee ist, mit der Schere oder dem Messer herumzutoben. Und Kinder sollten frühzeitig mitbekommen, dass man nach rechts und links schaut und sich der freien Fahrbahn versichert, bevor man die Straße sicher überqueren kann.

Das sind alles Exempel, die kein auch nur im Ansatz Vernunftbegabter in Zweifel ziehen würde. Beim Umgang mit Alkohol ist es dasselbe. In unserer Gesellschaft ist es nämlich durchaus üblich, auch noch so junge Steppkes an den Gebrauch dieser berauschenden Getränken heranzuführen. Kein Wunder, ist dies doch die Volksdroge Nummer eins. Wie steht es aber um die Verwendung von illegalisierten Substanzen? Hier greift die Panik und Unverhältnismäßigkeit – und Eltern reagieren genauso konditioniert, wie sie ihre Kinder als konditionierte Wesen großziehen. Geht es um „Drogen“ ist der Ofen schnell aus. Wir müssen dabei nur beachten, dass unsere Jüngsten in der Realität – meist, wenn die Eltern nicht dabei sind – eben mit diesen Stoffen konfrontiert sind. Und dann müssen sie selbst entscheiden, was gut für sie ist und was sie tun. Daher hilft uns die Bigotterie an dieser Stelle nicht weiter, weshalb über Drogen nicht gesprochen, sondern lediglich das Diktat erhoben wird, die Finger von verbotenen Substanzen zu lassen. Dieses Vorgehen ist allerdings nicht zielführend. Schon gar nicht bei Kindern und Jugendlichen, die erstens gerne die Autoritäten in Frage stellen und zweitens häufig eher unbedarft und experimentierfreudig sind. Wenn dann ein junger Mensch realisiert, dass zum Beispiel Werbung für Alkohol allgegenwärtig, der Stoff auch zu jeder Tages- und Nachtzeit verfügbar ist und Politiker, Lehrer und Eltern die betörenden Säfte fließen lassen, als gäbe es kein Morgen, aber gleichzeitig mit erhobenem Zeigefinger auf jene geschimpft wird, die beispielsweise Cannabis rauchen, ist es kein Wunder, dass der reflektierende Jugendliche die Welt nicht mehr versteht.

Blicken wir den Tatsachen ins Auge: Unsere Kinder kommen zum Teil leichter an psychoaktive Drogen heran als so mancher Erwachsene. Schon auf dem Schulhof werden die verschiedensten Stoffe angeboten, aber den sinnvollen und risikoarmen Konsum mit solchen Drogen lernen unsere Sprösslinge nicht. Geht es um verbotene Früchte, wird stets ausschließlich betont, dass diese Substanzen nicht erlaubt sind und dass man davon einfach Abstand nehmen sollte. Wer sich daran nicht hält, hat häufig das Nachsehen. Und wenn etwas passiert, trauen sich Betroffene oftmals nicht einmal, Hilfe zu suchen – aus Furcht vor Strafe und Repression, aus Scham und aus der Angst heraus, mit der Schule oder dem potenziellen Arbeitgeber Ärger zu bekommen. Dabei ist unsere Gesellschaft in dieser Hinsicht ganz besonders scheinheilig, denn der Rausch an sich – induziert durch Alkohol, Psychopharmaka etc. – wird allen anderslautenden Meinungen zum Trotz nicht geächtet, sondern lebendig zelebriert. Und ist nur deshalb salonfähig, weil Alkohol und Co. nicht zu „den Drogen“ gezählt werden. Schon wieder diese Bigotterie. Die im Übrigen ganz gezielt von den Medien und der Gesellschaft beschworen wird. Man liest oder hört es fast jeden Tag – in etwa so: „Mann verunfallt mit Drogen und Alkohol im Blut“. Dass Alkohol eine Droge ist wie jede andere auch und, was das Sucht- und Gefahrenpotenzial angeht, sogar zu den risikoreichsten Stoffen überhaupt zählt, wird unserer Jugend nur ungern beigebracht. Wenn überhaupt. Stattdessen stellen sich ahnungslose Lehrkörper vor ihre Klassen und erzählen den Schülern, dass man von der Einnahme von Psilocybin-haltigen Pilzen Herzinfarkt, Schlaganfall und Drogensucht zu erwarten hätte. Nicht denkbar? Dies Beispiel ist aus dem Leben gegriffen – und nicht etwa meiner Fantasie entsprungen. Genauso wie Politiker sich vor Fernsehkameras stellen und frank und frei behaupten, dass mit Alkohol ein maßvoller Umgang möglich sei, mit Cannabis hingegen nicht. So gesagt von Ex-Kanzlerin Angela Merkel. Für wie blöd hält die Frau das Volk eigentlich? Und die (zum Glück) ehemalige bundesdeutsche „Drogenbeauftragte“ Marlene Mortler antwortete einst auf die Frage, wieso Cannabis verboten sei, mit dem Satz: „Weil Cannabis eine illegale Droge ist“. Dieselbe Mortler machte allerdings gerne mal Werbung für Alkoholika – und ließ sich stolz von der Presse fotografieren. Mal ehrlich: Wer in der Öffentlichkeit so einen Unsinn verzapft, muss sich nicht wundern, wenn er oder sie nicht ernstgenommen wird. Noch nicht mal von Kindern und Jugendlichen. (Nur gut, dass wir mit der neuen Ampel-Regierung und Burkhard Blienert endlich einen vernünftigen Drogenbeauftragten in Deutschland haben.)

Lucys Xtra

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