Solanaceae im Garten

XtraEthnobotanik: Nachtschattengewächse

Text: Markus Berger

Es existiert eine recht große Anzahl an Pflanzen mit giftigen Inhaltsstoffen, die im Garten kultiviert werden. Neben den eher harmlosen, also nur leicht toxischen Gewächsen wie Viburnum opulus L. (Gemeiner Schneeball) und Sorbus aucuparia L. (Vogelbeerbaum) und den tatsächlich schädigenden und bei Verzehr im schlimmsten Falle tödlichen Arten, z.B. Digitalis purpurea L. (Fingerhut), Aconitum napellus L. (Eisenhut, Sturmhut), Colchicum autumnale L. (Herbstzeitlose) und Convallaria majalis L. (Maiglöckchen), ist die Familie der Solanaceae eine der größten und aufgrund ihrer ethnobotanisch bedeutsamen Stellung eine der für den Menschen faszinierendsten Gruppen von Giftpflanzen, die häufig gepflegt werden. Die vielgestaltigen und mannigfaltigen Vertreter der Nachtschattengewächse finden sich bei uns sowohl im Haus als auch im Garten, sowohl in Kübel, Topf und Blumenkasten als auch im Beet in Kultur. Vorliegender Artikel befasst sich mit den gängigen Gartenpflanzen dieser Familie und erörtert unter anderem die Fragestellung, ob es sinnvoll ist, wegen der relativen Toxizität auf die Pflanzung solcher Gewächse zu verzichten.

Im Rahmen dieser Arbeit interessieren uns die Spezies Datura stramonium L., Datura metel L. und Datura innoxia Miller (Stechapfel), Hyoscyamus niger L. (Schwarzes Bilsenkraut), Atropa belladonna L. (Tollkirsche), Mandragora officinarum L. (Alraune), Lycium barbarum L. (Bocksdorn), Physalis alkekengi L. (Lampionblume), Nicandra physaloides (L.) Gaertn. (Giftbeere) sowie Solanum dulcamara L. (Bittersüßer Nachtschatten) und Solanum nigrum L. (Schwarzer Nachtschatten), die allesamt als Gartenpflanzen Verwendung finden. Datura stramonium, Atropa belladonna, Hyoscyamus niger, Solanum nigrum und Solanum dulcamara sind zudem in Deutschland heimisch (wobei die genannten Solanum-Arten häufig auch spontan in Hof und Garten erscheinen), Lycium barbarum und Nicandra physaloides sind durch Kultur zu nicht eigenständigen Neophyten avanciert und finden sich in Deutschland stellenweise verwildert. Auch Physalis alkekengi bzw. entsprechende Hybridformen können vereinzelt wild gefunden werden.

Tabelle: Systematik der besprochenen Solanaceae (nach Hunziker 2001)

GenusSubfamilieTribusSubtribus
DaturaSolanoideaeDatureae
BrugmansiaSolanoideaeDatureae
HyoscyamusSolanoideaeHyoscyameae
AtropaSolanoideaeAtropeae
MandragoraSolanoideaeMandragoreae
LyciumSolanoideaeLycieae
PhysalisSolanoideaeSolaneaePhysalinae
NicandraSolanoideaeNicandreae
SolanumSolanoideaeSolaneaeSolaninae

 

Die Frage, ob Giftpflanzen überhaupt im Garten, im Park und an der Straße zur Geltung gebracht und ob gerade dort, wo Kinder sich aufhalten, z.B. an Schulen und Kindergärten, solche Gewächse gemieden werden sollten, ist genauso alt wie das Bestreben einiger Menschen, toxische Pflanzen selbst innerhalb ihres natürlichen Lebensraumes geradezu auszurotten. Letztes ist selbstverständlich weder möglich noch nötig. Menschen, allen voran Kinder, sollten den adäquaten Umgang mit der Natur erlernen und dabei verinnerlichen, dass nicht alles, was am Wegrand, im Wald, auf dem Feld, in Gärten und Grünanlagen gedeiht, achtlos in den Mund gesteckt oder gar vorsätzlich gegessen werden darf. Die Existenz von Giftpflanzen hat entgegen des allgemeinen Tenors nämlich ihre gute Seite. Die Kenntnis um die Anwendung der Gewächse, auch und gerade der als giftig deklarierten, brachte im Grunde erst die Heilkunst und in der mehr oder weniger natürlichen Entwicklung somit die heutige Medizin zustande. Denn jede Giftpflanze ist zugleich auch Heilgewächs. Kann das in vielen Solanaceae enthaltene Atropin durchaus schädliche Wirkungen im menschlichen Organismus induzieren, so stellt es in der Hand des Arztes bzw. des Pharmakologen ein essentielles und unschätzbar wertvolles Medikament dar. Ebenso verhält es sich mit fast allen toxischen Verbindungen aus der Pflanzenwelt. Die für manche Herzpatienten überlebenswichtigen Digitalis-Präparate würde es nicht geben, wäre der Fingerhut (Digitalis spp.) und dessen Giftwirkung nicht durch letale Zwischenfälle bekannt geworden. Das hochtoxische Colchicin aus der Herbstzeitlosen ist das einzige Pharmakon zur Behandlung von Gicht.

Natürlich kann ein Risiko von vornherein umgangen werden, beispielsweise indem toxische Stauden und Kräuter im Garten erst gar nicht gepflanzt werden. Sicherlich muss davon ausgegangen werden, dass eine fruchttragende Tollkirsche für kleine Kinder eine Gefahrenquelle darstellen kann. Schon die Überlegungen zur Gestaltung des Gartens dürfen also durchaus derartige Fakten berücksichtigen. Dass aber jede sogenannte Giftpflanze aus dem Dunstkreis der Familiengärten per se verbannt wird, ist nicht notwendig und zudem auch schwierig. Neben den hier besprochenen Solanaceae und den in der Einführung genannten Spezies sind – um nur noch einige zu nennen – auch Taxus baccata L. (Eibe), Buxus sempervirens L. (Buchsbaum), Delphinium spp. (Rittersporn), Dryopteris filix-mas Schott (Wurmfarn), Phasaeolus spp. (Gartenbohne), Hedera helix L. (Efeu), Thuja spp. (Lebensbäume) und viele andere Pflanzen bzw. Pflanzenteile giftig. Sie alle können im Zweifelsfall gesundheitliche Beeinträchtigungen hervorrufen. Doch kommt dies – und das ist durch die Publikationen der Giftinformationszentralen belegt – in der Tat nur relativ selten vor. Daher dürfen auch die wunderschönen Solanaceae den Garten schmücken, wenn beherzigt wird, diese ausschließlich zu Zierzwecken zu nutzen. Wenden wir uns also den einzelnen gartenwürdigen Nachtschattengewächsen, deren Kultur, Inhaltsstoffen und medizinischer Bedeutung zu.

Atropa belladonna

Atropa belladonna.

Die Tollkirsche ist ein mehrjähriges Gewächs, das über 150 Zentimeter hoch werden kann. Sie trägt längliche, ovale und spitze Spreiten und eine glockenförmige violette bis bräunliche Blüte (»Hummelblüte«), die aus einem fünfzipfeligen, grün-gelblichen Kelch sprießt. Blütezeit ist von Juni bis August, kann sich aber vereinzelt bis in den Oktober ziehen. Atropa belladonna ist in Mitteleuropa vornhemlich in Laubwäldern auf kalkhaltigem Boden zu finden.

Inhaltsstoffe: Atropin, Hyoscyamin, Apoatropin, Scopolamin und weitere Tropan-Alkaloide.

Bevorzugt einen schattigen bis halbschattigen Standort und kalkreichen Boden. Gut geeignet ist ein Gemisch wird aus handelsüblicher Kübelpflanzenerde mit zwei Teilen Sand. Atropa ist jedoch wenig wählerisch und recht flexibel. Die Staude gedeiht auch in normalem Boden und an sonnigem Platz. In Kultur benötigt die Tollkirsche während der Sommermonate reichliche Wassergaben.

Lucys Xtra

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