Hanfverbot ist völkerrechtswidrig

Cannabispolitik im Spiegel der Zeit

Text Annemarie Meyer

Nicht die Legalisierung von Hanf ist völkerrechtswidrig. Nein, das Aufführen von Hanf in der UN-Single-Konvention von 1961 ist es. Und alle auf diesem Übereinkommen aufbauenden Gesetze über Hanf ebenso. Das ist historisch belegt.

Das Konsumieren von Cannabisblüten und Haschisch, auch zur Selbstmedikation, ist laut Präambel der UNO-Verträge von 1961 ein Übel für den Einzelnen, macht süchtig, verstößt gegen die Sittlichkeit und stellt eine wirtschaftliche und soziale Gefahr für die Menschheit dar. Einen unproblematischen Konsum oder gar Genuss von Hanf gibt es per Gesetz nicht. Darum ist Abstinenz das Ziel des Verbots.

Zwei Dinge müssen endlich ans Licht:

  1. Es ist belegt, dass das Aufführen von Hanf in der Liste der Betäubungsmittel auf Diskriminierung und rassistischem Gedankengut basiert. Deshalb ist es nach heutigen Gesetzen nicht mehr tragbar.
  2. Cannabis als eine der gefährlichsten Pflanzen überhaupt in der Single-Konvention zu deklarieren und dazu ohne therapeutischen Wert, war eine absichtliche, ja arglistige Täuschung. Obwohl diese Deklaration bereits vor Unterzeichnung widerlegt war, hat sich daran bis heute nichts geändert.

Warum?

Als 1951 auf Druck der USA gegen den Kommunismus in der Schweiz der Hanf verboten wurde, verwendete Bundesrat Etter genau die Worte, mit denen Hanf in den 1930er Jahren in den USA von bekennenden Rassisten verteufelt wurde. In seiner Rede vor dem Schweizer Parlament begründete Etter das Cannabis-Verbot folgendermaßen:

«Es liegt in der Eigenart dieser verheerenden Krankheit (damit war Hanfkonsum gemeint), dass sie die Hemmungen der Kranken mit der Zeit vollständig zersetzt. So dass diese Süchtigen für jede verbrecherische Versuchung anfällig werden.»

Die US-amerikanische Propagandamaschinerie hatte die Meinung in der Schweiz damals massiv beeinflusst, so dass deren Wortlaut einfach übernommen wurde. Zuhause in den USA wurde dem Volk zusätzlich mit Plakaten, Büchern, Kino-Filmen und Boulevard-Medien Hanf als Mörderdroge dargestellt, die zu Vergewaltigung, Krankheit und Tod führt. Aufgrund dieser Täuschung und dem daraus resultierenden Irrtum wurde in der Schweiz 1951 Hanf verboten, auch als Medizin.

Eine britische Studie aus Indien (Indian Hemp Report) von 1894 und eine vom US-Militär finanzierte Studie aus Panama von 1930 hatten ergeben, dass Hanf zu keinen Problemen führt. Eine weitere Studie aus New York bestätigte das 1942 und erklärte auch, dass Hanfkonsum nicht zu Gewalt führe und keine Schrittmacherfunktion habe. Daraufhin wurden alle Forschungen über Hanf an US-Universitäten verboten. Die Pharmafirmen waren die einzigen, die noch forschen durften.

Als 1951 in der Schweiz das Hanfverbot zustande kam, weil Hanf so gefährlich sei, galt in den USA vorübergehend das, was viele von uns vom Hanfkonsum kennen: Hanf mache pazifistisch, also friedlich. Deshalb verboten auch Russland und China jetzt den Hanfkonsum. Friedensaktivisten und Verbundenheitsgefühle mit allem und jedem waren von den Großmächten, die in Konkurrenz zueinander standen, nicht erwünscht.

1954 ließ die USA als Weltmacht durch die WHO verbreiten, Hanf habe keinerlei therapeutischen Wert. Deshalb strichen sie Hanf aus allen US-amerikanischen Arzneibüchern. Glücklicherweise bewahrten viele andere Länder ihr Wissen.

Die Einstufung der UNO-Konvention von 1961 setzte noch einen drauf: Cannabis sei eine der gefährlichsten Pflanzen weltweit ohne therapeutischen Wert.

Die WHO als Unterorganisation der UNO widersprach dieser Deklaration erstmals 1969, dann 1979, 1997 und zuletzt 2019, indem sie öffentlich bekannt gab, dass

  1. Cannabis nur moderate Nebenwirkungen hat und um einiges weniger gefährlich ist als Alkohol und Tabak und
  2. Cannabis einen großen medizinischen Nutzen für die Weltbevölkerung hat.

Die relative Ungefährlichkeit von Hanf und sein medizinischer Nutzen waren allerdings bereits vor Unterzeichnung dieser Völkerrechtsverträge belegt.

Warum sonst wurde Hanf seit Jahrtausenden kulturell, zeremoniell und medizinisch in vielen Ländern verwendet? Dasselbe gilt übrigens auch für den Mohnsaft und das Kokablatt. Auch sie waren wertvolle Naturheilmittel, die vielen verschiedenen Völkern große Dienste geleistet haben.

Erster Fakt ist also: Die Deklaration in der Single Convention von 1961 stimmt nicht. Sie ist eine arglistige Täuschung.

Eine absichtliche oder arglistige Täuschung ist, wenn eine Vertragspartei die andere Vertragspartei absichtlich oder arglistig täuscht und dadurch ein Vertrag zustande kommt. Dieser Vertrag ist für die getäuschte Partei nicht verbindlich. Arglistig ist die Täuschung dann, wenn sich der Täter eines ganzen Lügengebäudes oder einer qualifizierten Lüge bedient.

So gesehen ist das Aufführen von Hanf im Betäubungsmittelgesetz nicht verbindlich und kann gestrichen werden.

Aber warum diese Täuschung?

Cannabis ist ein Betäubungsmittel, weil es in den Völkerrechtsverträgen als solches gelistet ist.

Betäubungsmittel sind pharmazeutische Substanzen, die aufgrund ihrer betäubenden oder berauschenden Wirkung von großer Bedeutung sind, und deshalb strengen Vorschriften unterliegen, um den Missbrauch und die Verbreitung einzudämmen. Betäubungsmittel sind illegale Drogen. Sie haben eine zentrale Wirkung im Körper, d. h. im zentralen Nervensystem und unterliegen wegen ihrem Abhängigkeits-, Missbrauchs- und Nebenwirkungspotenzial einer starken staatlichen Regulierung und Kontrolle.

Und trotzdem ist Alkohol kein Betäubungsmittel, auch wenn er betäubt. Weil er trotz der Eigenschaft, die ein Betäubungsmittel per Definition hat, nicht in den Völkerrechten als solches gelistet ist. Wir müssten Alkohol konsumieren und alles wäre gut.

Aber warum steht Alkohol nicht auf der Liste der Betäubungsmittel?

Dazu müssen wir uns die Geschichte der Kolonialmächte anschauen.

Mitte des 19. Jahrhunderts teilten die europäischen Mächte, die USA und Japan die Welt unter sich auf. Als letztes wurde 1885 in Berlin der ganze Kontinent Afrika auf der Landkarte unter den Europäern aufgeteilt. Afrika bestand vor dieser Aufteilung aus dutzenden Staaten und hunderten Völkern. Das wurde 1885 von den Europäern alles platt gemacht. Entweder man besetzte die Gebiete militärisch und zwang die Einheimischen für die neuen Herren zu arbeiten oder der lokale Herrscher blieb im Amt und wurde zur Zusammenarbeit gezwungen.

Um 1900 herum hatten die Briten als größtes Kolonial-Imperium ein Viertel der kompletten Erdoberfläche unter ihrer Kontrolle. Von Teilen Afrikas, über Indien, Pakistan, Burma, Kanada, bis nach Australien und Neuseeland.

Überall auf der Welt galten die Einheimischen in den Kolonien als Wilde, als Menschen zweiter Klasse. Und um das zu rechtfertigen, wurden diese sogenannten Wilden in Europa und den USA bis Mitte des 20. Jahrhunderts in Zoos ausgestellt. Unvorstellbar und erst 80 Jahre her.

Durch ihre technischen Standards waren die Industrienationen den Menschen in den Kolonien überlegen. Aus lauter Machtgier – einem Wettstreit nach Land und Rohstoffen – setzten sie ihren Willen und ihren Glauben mit Waffengewalt durch und erklärten allen möglichen «Lastern» den Krieg. Unter anderem auch dem Hanfkonsum. Er verstieß nämlich gegen ihr Sittengesetz. Und so steht es noch heute im Völkerrecht geschrieben. Deshalb verbot 1911 der erste Bundesstaat in den USA Hanf zu Genusszwecken.

1913 verbot ihn auch die britische Elite auf Jamaika. Sie verbot nicht nur den Konsum, sondern gab den Beamten auch das explizite Recht, brutale Gewalt gegen die anzuwenden, die erwischt wurden. Das vereinfachte die Unterdrückung der Einheimischen.

Es dauert nicht lange, bis viele andere Bundesstaaten in den USA dem britischen Beispiel folgten: der Unterdrückung von Mexikanern und Schwarzen in ihrem Land. Denn die, davon war die weiße Elite überzeugt, fühlten sich als gleichwertige Menschen, wenn sie Hanf konsumierten. So steht es offiziell vom obersten Drogenbeamten der USA, dem berüchtigten Harry Anslinger, geschrieben. Auch in vielen anderen europäischen Kolonien dachte man so.

Deshalb beantragten 1925 an der internationalen Opiumkonferenz, dass die Hanfpflanze zur Liste der Betäubungsmittel hinzugefügt wird. Ohne wissenschaftliche Begründung. Bewusst ohne Rücksicht auf kulturelle und zeremonielle Rituale der Bevölkerung. So wurde der Grundstein für das heutige Aufführen von Hanf im Betäubungsmittelgesetz gelegt.

Nicht weißen Menschen, die Cannabis konsumierten anstelle von Alkohol, wurde auf diese Weise die Chance verweigert, gleiche Rechte zu erhalten. Sie waren plötzlich kriminell. Es sei denn, sie tauschten Hanf gegen Alkohol. Man konnte sie wieder enteignen, einsperren und in Straflagern zu Sklavenlöhnen arbeiten lassen. In den USA verliert bis heute das Wahlrecht, wer kriminell ist. Das ist politisch von Gewicht.

Wir sehen also das Problem dieser ersten Völkerrechtsverträge, dieser Betäubungsmittelverträge von 1925:

Das waren Völkerunrechtsverträge. Nach heutigen Gesetzen sind sie nicht mehr tragbar. Sie stammen aus einer zutiefst rassistischen Zeit. Die Menschen der besetzten Länder hatten keine eigene Stimme.

Alkohol ist offiziell kein Betäubungsmittel. Er ist weißes Kulturgut, verstößt nicht gegen die Sittlichkeit, auch wenn er betäubt.

Nach dem 2. Weltkrieg lösten die USA die Briten als Weltmacht ab. Die UNO wurde gegründet, um Frieden und Sicherheit in die Welt zu bringen. Sie sollte Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung fördern. Die USA wurde Hauptgeldgeber der neugebildeten UNO-Drogenkommission.

Viele kolonialisierte Staaten befreiten sich von ihren Kolonialherren, leider nur allmählich und oft nur durch blutige Kämpfe. Viele davon jedoch erst nach Unterzeichnung der UNO-Drogenübereinkommen von 1961, sie hatten also keine eigene Meinung. Außerdem wurde die globale Drogenpolitik bis in die 1970er Jahre von den USA bestimmt und ist bis heute stark unter deren Einfluss.

Als die Single-Konvention über Betäubungsmittel von 1961 unterzeichnet wurde,

  1. war der seit 1930 bekennende Rassist Harry Anslinger und oberste Drogen-Kommissar der USA auch einflussreichster Kommissar der UNO-Drogenbehörde.
  2. wurden in den USA noch 1961 offizielle Bürgerrechtler wie Martin Luther King als schlimme Staatsfeinde vom CIA und dem FBI bekämpft, ebenso Jazz-, Blues- und Rock-Musiker, Friedensaktivisten und Linke Parteien.
  3. hatte die Siegermacht USA die meisten Führungsstellen des BKAs und des BNDs in Deutschland mit Ex-Nazis besetzt. Die CIA hatte nach dem Krieg Massenmörder vor der deutschen Justiz gerettet. Darunter Hitlers Generalstabschef Reinhard Gehlen, verantwortlich für den Tod Hunderttausender in den KZs, Klaus Barbie, den Schlächter von Lyon, den ehemalige SS-General Franz Josef Huber und viele mehr. Diese Vasallen unterstützten die Einhaltung der rassistischen Drogenverbote.
  4. hatten 1961 Großkonzerne u.a. durch den Erdölboom bereits wieder neue Formen von Ungleichheit und wirtschaftlicher Ausbeutung geschaffen. So mussten viele der zustimmenden Länder des UNO-Übereinkommens gegen Betäubungsmittel unbequeme Deals eingehen.

Im UNO-Bulletin steht geschrieben, dass das Übereinkommen von 1961 eine große Errungenschaft ist und es seit 1912 Ziel ihrer Völkerrechtsvertreter war, jeglichen nichtmedizinschen und gesellschaftlichen Gebrauch von Hanf, Coca und Mohn zu verbieten, also die Rauschdrogen und Medizin der anderen Kulturen.

Die Diskriminierung fremder Kulturen über deren eigene Rausch- und Medizindrogen wurde mit dem Hanfverbot über die UNO institutionalisiert.

Heute sind von den 195 Ländern auf der Erde 193 Mitglieder der UNO. Einzig der Vatikan und Palästina sind es nicht. Von den 193 Mitgliedsländern sind aktuell 83 autokratisch regiert und 5 davon haben ein Vetorecht: die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich. Dieses Vetorecht spiegelt noch immer die Sieger- und Großmächte nach dem Zweiten Weltkrieg wider und entstammt einer zutiefst rassistischen Zeit.

Um die Ziele der UNO zu erreichen, gibt es Völkerrechtsverträge. Unter anderem auch Verträge über den Verkehr von Betäubungsmitteln. Über diese Verträge wacht der Suchtstoff-Kontrollrat. Und dieser hat noch im März dieses Jahres vor einer Cannabisfreigabe gewarnt hat. Mit der Begründung, eine Freigabe sei wegen des Abkommens von 1961 völkerrechtlich nicht möglich, eine Legalisierung widerspräche den globalen Drogenübereinkommen.

Doch der Suchtstoff-Kontrollrat verstößt gegen seine eigene Sorgfaltspflicht. Er verweigert den Blick in die Vergangenheit, auf die Geschichte hinter den Betäubungsmittelverträgen. Und er verweigert sich den Blick auf das hundertmillionenfache Leid, das dieses Cannabis-Verbot bis heute produziert hat. Dieser Rat verteidigt bis heute die UNO-Deklaration, Hanf sei eine der gefährlichsten Pflanzen und habe keinen therapeutischen Wert.

«Respektvoller Umgang, nicht nur die wirtschaftlichen, auch die sozialen und kulturellen Rechte sind unverzichtbar, damit Menschen in Würde leben können», heißt es 1993 in Wien in der Abschlusserklärung der Vereinten Nationen zur Förderung und dem Schutz der Menschenrechte. Dazu gehören allerdings auch kulturell unterschiedliche Rauschdrogen. Deshalb darf niemand geächtet werden.