Adrenochrom: Eine mysteriöse Substanz

XtraBetrachtung von Geschichte und Popkultur

Adrenochrom in Spritze aufgezogen (Symbolbild) | CC-BY-NC-SA Dirk Netter

Was ist Adrenochrom und wie wirkt es? Wie wird es gewonnen? Und was hat die Substanz eigentlich mit psychedelischer Forschung zu tun? Immer wieder wird die Substanz in der Popkultur thematisiert, verschiedene Verschwörungsmythen ranken sich um ihre Wirkung und Herstellung. In diesem Beitrag werden die Fragen und Mythen umfassend beantwortet und die Verknüpfungen von psychedelischer Wissenschaft mit der Erforschung des Adrenochroms aufgezeigt.

Inhaltsverzeichnis

 

1. Was ist Adrenochrom?

Adrenochrom-Ampullen | CC-BY-NC-SA Dirk Netter

Adrenochrom (C9H9NO3) ist ein Stoffwechselprodukt von Adrenalin, das unter anderem im menschlichen Körper ensteht. Entgegen seines Namens beinhaltet die Substanz kein Chrom – die Endsilbe -chrom (von lat. «chroma»: Farbe) deutet auf die charakteristische tiefrote Farbe hin (Heacock 1975, S. 182).

Erstmalig isoliert wurde die Substanz im Jahr 1937 von David Ezra Green und Derek Richter im biochemischen Labor der Universität von Cambridge (Green/Richter 1937; Calnan/Innes 1958, S. 87f). Richter gilt als einer der Gründungsväter der Hirnchemie. Als Pionier auf diesem Feld identifizierte er unter anderem die Monoaminoxidasen (MAO) und demonstrierte ihre Funktion im Gehirn.

2. Wie wird Adrenochrom hergestellt?

Ausgangsstoff für Adrenochrom ist Adrenalin (Alternativbezeichnung: Epinephrin), ein Botenstoff, der im Nebennierenmark gebildet wird (Schunack/Mayer/Haake 1984, S. 97). Nicht nur Säugetiere, sondern auch Vögel, Reptilien und Amphibien besitzen Nebennieren – und bilden somit grundsätzlich Adrenalin aus.

Die Herstellung von Adrenalin erfolgt jedoch nicht durch die Extraktion aus dem Lebewesen, da dies im Vergleich viel zu kostspielig wäre: Denn Adrenalin war sowohl das erste jemals isolierte Hormon, als auch das erste, das jemals mittels Vollsynthese hergestellt werden konnte. Heute finden mehreren Verfahren zur Herstellung von Adrenalin Anwendung, die in der pharmazeutischen Industrie als eher trivial gelten (Sneader 2001; Schunack/Mayer/Haake 1984, S. 103). [Anmerkung: «Die Geschichte der Katecholaminforschung» ist für Pharmaziegeschichtsinteressierte sehr empfehlenswert.]

Adrenalin gilt als sehr oxidationsempfindlich, was bedeutet, dass sich der Stoff unter bestimmten Bedingungen in verschiedene Oxidationsprodukte verändert, darunter: Adrenochrom. Als Reaktionsbeschleuniger können diverse Stoffe Einsatz finden, darunter Silberoxid (Heacock/Nerenberg/Payza 1958, S. 853) und weitere Oxidantien (Garnayak/Patel 2014).

3. Adrenochrom-Extraktion aus dem menschlichen Körper?

Die in Verschwörungskreisen ständig wiederholte Vorstellung, man gewinne Adrenochrom/Adrenalin aus Kindern bzw. Menschen im Allgemeinen, entbehrt demnach einer logischen Grundlage. Es stellt sich die Frage, warum potenzielle Konsumierende enorme Kosten und juristische Konsequenzen billigend in Kauf nehmen sollten, wenn der Stoff günstig und problemlos bezogen werden kann. Und selbst wenn nicht: Wer die Logistik und den Willen hätte, die oben genannten Gräueltaten zu vollführen, könnte sicherlich problemlos große Mengen Epinephrin beziehen, um eigenes Adrenochrom zu synthetisieren.

Screenshot eines Chemie-Versandhandels, der Adrenochrom frei anbietet.

4. Welche Wirkung hat Adrenochrom?

In selbigen Kreisen wird ebenfalls behauptet, Adrenochrom würde Anti-Aging-Effekte aufweisen, oder gar ein «Unsterblichkeits-Serum» darstellen und 2) erzeuge «kombinierte Effekte von sowohl super-starkem Speed als auch LSD».

Die erste Behauptung ist eigentlich kaum der Rede wert, erwächst sie doch aus einer sehr naiven Vorstellung des menschlichen Alterungsprozesses (vgl. auch Stefánsson 2005). Seit Jahrzehnten versprechen Forschung und Kosmetikindustrie bahnbrechende Entwicklungen im Bereich von «Anti-Aging» – teils mit äußerst spannenden Entdeckungen.

Doch die Biologie des Alterungsprozesses ist nicht so eindimensional, dass man sie mit der Verabreichung eines simplen Adrenalin-Stoffwechselproduktes aufhalten oder rückgängig machen könnte.

Spannender ist daher die zweite Behauptung: Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe von Ergebnissen aus Adrenochrom-Bioassays, die sowohl aus der Untergrund-Forschung als auch aus der akademischen Wissenschaft stammen. Doch von einer Wirkung, die Amphetaminen oder gar LSD nahekommt, berichtet keine ernstzunehmende Quelle.

5. Meskalin, Modellpsychose und Adrenochrom

Bevor die psychotropen Wirkungen von Adrenochrom betrachtet werden, lohnt sich ein Blick in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts.

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