Die Psychonautik ist das Erforschen der eigenen Psyche und des Unterbewusstseins, meist mit Hilfe von bewusstseinserweiternden Techniken wie Meditation oder Gebrauch psychotrop wirkender Substanzen in einem geeigneten Rahmen. Der Begriff Psychonautik wird in der Szene der Bewusstseinsforscher, die den Einsatz psychoaktiver Substanzen im Rahmen ihrer Studien für legitim halten und praktizieren, verwendet und findet immer mehr Zuspruch. Die Kunst der Psychonautik wird zumeist in ritualisierter Form durch erfahrene Psychonautiker an noch unerfahrene Interessierte weitergegeben. Die erste psychedelische Reise eines Psychonautikers hat oft den Charakter einer zeremoniellen Einweihung in zuvor nicht erahnte Dimensionen des Bewusstseins. Die durch transzendente, ekstatische und mystische Erfahrungen ausgelösten Wahrnehmungs- und Bewusstseinswandlungen, die durch eine Erweiterung der Wahrnehmung und des Bewusstseinszustandes gekennzeichnet sind, haben nicht selten prägenden Charakter für die Persönlichkeitsentfaltung.
Der Gebrauch psychotrop wirkender Substanzen findet meist gemeinschaftlich in speziellen Kulturräumen wie zum Beispiel Festivals statt und die praktizierenden Psychonauten betrachten dies als festen Bestandteil ihrer Lebenskultur respektive ihres Kulturerbes. Die Kunst der Psychonautik wie auch die dazugehörigen Einweihungsriten werden bis heute in verschiedenen Szenen von einer Generation an die nächste weitergegeben. Die Riten werden von Gemeinschaften und Gruppen in Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt, ihrer Interaktion mit der Natur und ihrer Geschichte fortwährend neu geschaffen und vermitteln den daran teilhabenden Menschen ein Gefühl von Identität und Kontinuität. Auf diese Weise tragen unterschiedliche Riten für den Substanzgebrauch im Bereich der Psychonautik zur Förderung des Respekts vor der kulturellen Vielfalt und der menschlichen Kreativität bei.
Die Riten der Psychonautik sind ein immaterielles Kulturerbe. Die Lebensfähigkeit dieser Riten kann nur gewährleistet werden, wenn es für die Zelebrierung dieser Riten geschützte Räume gibt. Diese Gewährleistung ist heute bei weitem nicht überall gegeben, da in den meisten Staaten dieser Welt der Umgang mit psychotrop wirkenden Substanzen strafrechtlich verfolgt wird und Orte, wo diese Riten zelebriert werden, oft von der Polizei heimgesucht werden. Die Ursache hierfür ist, dass die Naturwissenschaft, insbesondere die Medizin, lange Zeit bewusstseinserweiternde Erfahrungen nur als rein subjektive Erfahrungen einstufte. Bis vor kurzer Zeit – mit wenigen Ausnahmen – waren sie einer anerkannten wissenschaftlichen Untersuchung nicht zugänglich, und über ihren Erlebniswert hinaus hatten sie für Schulmediziner bisher selten Bedeutung. Dass viele Mediziner die Ansicht vertraten, dass bewusstseinserweiterte Zustände als krankhaft zu betrachten seien, führte zur gesellschaftlichen Ächtung der psychonautischen Praktiken.
In der jüngeren Vergangenheit fand jedoch ein Umdenken in fortschrittlichen Kreisen der Mediziner*innen statt und immer mehr Ärzte und Psychiater beginnen die Werte der Psychonautik für das Wohlbefinden der Menschen zu erkennen. Psychonautik ist keine Krankheit, sondern eine für viele Menschen beglückende Kultur.
Hans Cousto