Individuelle Gehirnstruktur beeinflusst Psilocybin-Effekt

Unerwartete Entdeckung bringt neue Erklärungsansätze

Indocybin von Sandoz: pharmazeutisches Psilocybin

Warum reagieren manche Menschen deutlich sensibler auf psychedelische Substanzen als andere? Immer wieder berichten Konsumenten, dass sie bei der gleichen Dosierung einer Substanz deutlich stärkere oder schwächere Wirkungen als ihre Mitmenschen verspüren. Eine unerwartete Entdeckung bringt nun neue Erklärungsansätze für dieses Phänomen.

In einer in ihrer Art bislang einzigartigen Studie haben Schweizer Wissenschaftler um Dr. Candace Lewis und Dr. Franz Vollenweider den Zusammenhang zwischen dem individuellen Aufbau des Gehirns und den empfundenen Effekten beim Konsum von Psilocybin vermessen.

In ihren Versuchen gaben sie 55 Probanden exakt definierte Dosen Psilocybin und vermaßen mittels Magnetresonanztomographie (MRT) die Dicke ihrer Gyrus cinguli. Dieses Gehirnareal ist bekannt für seine Beteiligung in Emotions- und Gedächtnisfunktionen sowie für seine hohe Dichte an den für psychedelische Effekte wichtigen Serotonin-2A-Rezeptoren (5-HT2A).

Sechs Stunden nach der Einnahme des Psilocybins füllten die Probanden Fragebögen aus, mit denen sie das gerade frisch Erlebte und dessen Intensität beschrieben. Dabei gaben sie unter anderem an, wie stark sie das Eins-Sein aller Dinge, Glück, Spiritualität und innere Einsicht erfahren haben.

Die Forscher verglichen nun die Dicke des Gyrus cinguli mit den Aussagen der Probanden. Es stellte sich ein signifikanter Zusammenhang heraus: Umso ausgeprägter und dicker dieses Gehirnareal war, desto stärker waren auch ihre psychedelischen Erfahrungen – und das bei gleicher Dosis. Und eine weitere Überraschung erwartete die Wissenschaftler: Nur der rechte Teil des Gyrus cinguli zeigte diesen Zusammenhang. Die Dicke des linken Teils spielte keine signifikante Rolle.

Die Forscher sehen in dieser Entdeckung einen wichtigen Hinweis, warum manche Menschen empfindlicher auf psychedelische Substanzen reagieren als andere. Weitere Implikationen gibt es für die psychedelische Psychotherapie. Wenn verschiedene Menschen unterschiedliche Dosierungen für einen gewünschten Effekt benötigen, dann muss dies in der Therapie berücksichtigt werden. Es ist aber wichtig zu betonen, dass auch andere Einflüsse, wie etwa der persönliche Metabolismus und auch die Tagesform, weiterhin eine Rolle in der Effektstärke spielen. Hinzu kommt, dass bei der Einnahme von Naturprodukten, wie etwa psychedelischen Pilzen, die jeweiligen Organismen auch starken individuellen Wirkstoffschwankungen unterliegen und zudem Wirkstoffgemische und keine Reinsubstanzen beinhalten.

Lewis, C.R., Preller, K.H., Braden, B.B., Riecken, C. und Vollenweider, F.X. (2020), Rostral Anterior Cingulate Thickness Predicts the Emotional Psilocybin Experience, Biomedicines 18;8(2), doi: 10.3390/biomedicines8020034.

 

 

Linus Naumann