DMT durch die Vene: Die US-Firma MindMed erklärte in einer Pressemitteilung, den psychedelischen Wirkstoff N,N-Dimethyltryptamin (DMT) ab dem 4. Quartal 2020 in einer klinischen Phase-1-Studie untersuchen zu wollen. Die Unternehmer erhoffen sich, ein neues Mittel zur Heilung von psychischen Erkrankungen wie Depression, Trauma bzw. Sucht zu finden. Die Studie wird in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Professor Dr. Matthias Liechti stattfinden.
DMT ist bekannt als visionärer Wirkstoff in den amazonischen Ayahuasca-Tränken. Dort wird es dem Gebräu in pflanzlicher Form beigegeben, meist aus Blättern des Rötegewächses Psychotria viridis (Chakruna) oder des Chaliponga-Strauchs Diplopterys cabrerana aus der Familie der Malpighiengewächse. Da DMT bei oralem Konsum zügig von den körpereigenen Monoaminooxidase-Enzymen (MAOs) abgebaut wird, kommt in traditionellen Zubereitungen immer auch die namensgebende Ayahuasca-Liane (Banisteriopsis caapi) hinzu. Diese enthält diverse Beta-Carboline, die als MAO-Hemmer (MAO-Inhibitoren; MAOI) fungieren. Es handelt sich um selektive MAO-A-Hemmer, genannt RIMA (Reversible Inhibitoren der MAO-A), welche der schnellen Verstoffwechselung des DMT im Körper entgegenwirken und das Tryptamin für die orale Aufnahme verfügbar machen.
MAO-Inhibitoren sind jedoch medizinisch potenziell heikel, da sie sehr komplex auf den Neurotransmitterhaushalt im Körper wirken. Typische Nebenwirkungen sind Übelkeit und Erbrechen, welche allerdings in der schamanischen Anwendung oft als Teil des Heilungsprozesses angesehen werden. Bei grob unsachgemäßem Gebrauch, insbesondere in Mischkonsum mit anderen Substanzen wie MDMA oder Kokain, kann es zum Serotoninsyndrom und Tod kommen. Auch sind diverse Pharmaka für den Mischkonsum mit MAO-Hemmern kontraindiziert, z.B. Antidepressiva vom Typ der Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), verschiedene Betarezeptorenblocker (Metoprolol und Analoga etc.) und diverse andere, weshalb erfahrene und seriöse Schamanen stets eine umfangreiche Anamnese bei potenziellen Probanden erheben.
Aus Gründen der medizinischen Vereinfachung, vor allem der genauen Dosierung (orales DMT weist bei Menschen keine gleichbleibende Bioverfügbarkeit auf) und der schnellen Anflutung, soll jetzt die orale Aufnahme des DMT umgangen und die direkte, intravenöse Verabreichung etabliert werden. Intravenös verabreichtes DMT ist, ähnlich wie inhaliertes, vaporisiertes, gerauchtes und geschnupftes DMT, auch ohne MAO-Hemmer aktiv. Diese Administrationsroute wurde bekannt durch die Pionierarbeit des US-Wissenschaftlers Rick Straßmann, der in den 1990er Jahren verschiedene Studien und Selbstexperimente mit intravenös verabreichtem DMT veröffentlichte.
Ein aus medizinischer Sicht weiterer Vorteil von der Nutzung von DMT ist, dass es bereits natürlicherweise im menschlichen Körper vorkommt. Es wurde im menschlichen Blutserum, sowie Lungen, Nieren und weiteren Organen nachgewiesen, jedoch noch nicht im Gehirn. Es ist jedoch bekannt, dass DMT im Rattenhirn (auch in der Zirbeldrüse) vorkommt und dessen Konzentration bei Herzinfarkten um das Fünffache ansteigt (Lucys berichtete).
Klinische Studien sind immer in drei Stufen unterteilt, welche die Reife des potenziellen Arzneimittels widerspiegeln. Die jetzt angemeldete Phase-1-Studie wird an gesunden Probanden eine reine Wirkungs- und Nebenwirkungsbeschreibung vornehmen.
Werden die Wirkungen als zumutbar für die angepeilte Indikation angesehen, können im nächsten Schritt Phase-2-Studien stattfinden. Dann wird zum ersten Mal eine kleine Gruppe Patienten mit psychischen Erkrankungen behandelt. Zeigen sich hier erste Erfolge, wird in der dritten und letzten Stufe eine weitflächige Untersuchung unter Beteiligung verschiedener Forscher und Mediziner an Hunderten Patienten die Wirksamkeit tiefgehend untersucht. Erst nach einer erfolgreichen Phase-3-Studie kann ein Medikament offiziell zugelassen werden.
Der Vorreiter der psychedelischen Psychotherapie, das Psilocybin, befindet sich derzeit bereits in Phase-3-Studien zur Behandlung von Depression. Viele weitere psychedelische Substanzen, darunter LSD und Ayahuasca, befinden sich in mehreren Phase-1- und 2-Studien zur Behandlung verschiedener psychischer Erkrankungen sowie Migräne und Clusterkopfschmerzen.
Quelle: Pressemitteilung MindMed. www.mindmed.co/press-releases/mindmed-to-evaluate-ayahuascas-active-ingredient-dmt-in-phase-1-clinical-trial-collaboration
Linus Naumann