Das Psychedelikum N,N-Dimethyltryptamin (DMT) nimmt eine mysteriöse Rolle im menschlichen Körper ein. Obwohl es bereits unter anderem in Blut, Urin, Stuhl, Nieren und Lungen von Testpersonen nachgewiesen wurde, konnte es im menschlichen Gehirn noch nicht gefunden werden. Erstaunlich ist zudem die äußerst geringe Konzentration der Substanz in den analysierten Proben. So liegt DMT im Vergleich zu anderen Neurotransmittern, wie etwa Serotonin, Dopamin oder Adrenalin, in deutlich geringeren Konzentrationen vor. Da DMT nur äußerst kurze Zeit im menschlichen Körper überdauert und üblicherweise sofort von Monoaminooxidasen (MAO-Enzymen) abgebaut wird, wurden die bisherigen Analysen eventuell schlicht zum falschen Zeitpunkt durchgeführt. Auf dieser Überlegung basiert die Hypothese, dass DMT möglicherweise nur in speziellen Situationen, wie etwa bei mystischen Erfahrungen oder Nahtoderfahrungen, eine Rolle spielt.
Diese Idee wurde nun von US-amerikanischen Forschern um Jon Dean und Rick Strassman wissenschaftlich untersucht. Da es ethisch und methodisch kaum möglich ist, die Gehirnchemie sterbender Menschen zu analysieren und mystische Erfahrungen nicht vorhersagbar sind, griffen die Autoren für diese Studie auf Tierversuche an Ratten zurück.
In ihren Experimenten entnahmen die Wissenschaftle rbei einer Reihe gesunder Ratten winzige Mengen Gehirnflüssigkeit aus der Zirbeldrüse und dem visuellen Cortex. Bei beiden Arealen vermutet man, dass sie Erfahrung des körpereigenen DMT involviert sein könnten. In den entnommenen Proben konnte man eindeutig DMT nachweisen – jedoch in den bereits bekannten äußerst geringen Konzentrationen. Um eine Nahtoderfahrung zu simulieren, wurde in den Ratten nun ein experimenteller Herzinfarkt ausgelöst. Beinahe sofort zeigte sich eine Erhöhung der DMT-Konzentration um den Faktor 2–5 und dies sowohl in der Zirbeldrüse als auch im visuellen Cortex; damit erreichte das DMT die für Neurotransmitter üblichen Konzentrationen, vergleichbar mit den parallel gemessenen Botenstoffen Serotonin und Dopamin.
Um den Ursprung des körpereigenen DMT besser eingrenzen zu können, entfernten die Wissenschaftler operativ die Zirbeldrüsen einiger Versuchstieren und wiederholten die vorangegangenen Experimente. Überraschenderweise zeigte sich wieder eine starke Erhöhung des DMT im visuellen Cortex unmittelbar nach einem Herzinfarkt. Die Zirbeldrüse kann demnach nicht der einzige Produktionsort dieser Substanz im Körper sein. Dieser Verdacht wurde zusätzlich durch den Fund von mRNA-Markern der zur DMT-Produktion notwendigen Enzyme INMT und AADC im visuellen Cortex untermauert.
Obwohl Schlussfolgerungen von Tierversuchen auf den Menschen immer mit Vorsicht gezogen werden sollten, sehen die Autoren der Studie in ihren Ergebnissen Hinweise, dass DMT ein aktiv gebildeter Botenstoff im Säugetiergehirn ist. Er bildet sich offenbar situationsabhängig in höheren Konzentrationen und wird kurz darauf wieder abgebaut. Da DMT, ebenso wie andere klassische Psychedelika wie LSD oder Psilocybin, die Vernetzung von Nervenzellen anregt, könnte dahinter ein Reparaturmechanismus des Gehirns bei Schäden stehen.
Quelle: Dean et al., 2019, Scientific Reports, Biosynthesis and Extracellular Concentrations of N,N-dimethyltryptamine (DMT) in Mammalian Brain