In Medien, Blogs und Internetforen berichten immer mehr Nutzer von ihren Erfahrungen mit Microdosing, bei dem extrem geringe Dosierungen psychedelischer Substanzen wie LSD oder Psilocybin verwendet werden, um die Aufmerksamkeit, Kreativität und Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Um den Inhalt dieser Anekdoten kritisch zu hinterfragen, führten nun die australischen Forscher Vince Polito und Richard J. Stevenson die erste größere Pilotstudie zum Thema Microdosing durch.
Dazu rekrutierten sie etwa 100 Teilnehmer, von denen insgesamt 63 (14 Frauen, 49 Männer) die sechswöchige Studie komplett abschlossen. In dieser Zeit sollten sie zweimal wöchentlich Mikrodosierungen von eigenen psychedelischen Substanzen einnehmen und täglich einen kurzen Fragebogen ausfüllen. Darin wurden sie unter anderem zu ihrer Kreativität, Aufmerksamkeit und Produktivität befragt. Außerdem wurden sowohlvor als auch nach den sechs Studienwochen ausführliche Persönlichkeitstests durchgeführt. Jeweils etwa die Hälfte der Probanden mikrodosierte mit LSD (im Schnitt 14 μg pro Einnahme) oder mit Zauberpilzen (etwa 0,3 g, getrocknet). Seltener wurden der meskalinhaltige Kaktus San Pedro sowie verschiedenste andere Psychedelika wie DOB und 4-HO-MET genutzt.
Die Auswertung der täglichen Fragebögen ergab eine signifikante Erhöhung der Konzentrationsfähigkeit, Glücksgefühle, Verbundenheitsgefühle, Kreativität und Produktivität an den Tagen der Mikrodosierungen. Beinahe alle Effekte hielten jedoch nur am Tag der Einnahme an und waren bereits am folgenden Tag nicht mehr nachweisbar. Lediglich die selbst eingeschätzte Produktivität war im Schnitt bis zu zwei Tage lang erhöht. Die ausführlichen Persönlichkeitstests zeigten jedoch auch einige Langzeiteffekte über den Verlauf der sechs Wochen auf.
So wurde eine signifikante Verbesserung von Depression, Stress und Konzentrationsfähigkeit festgestellt. Es zeigte sich allerdings keine nennenswerte Steigerung der Kreativität oder des allgemeinen Wohlbefindens. Zudem ergab sich eine leicht erhöhte Reizbarkeit, was die Folge einer allgemein erhöhten Emotionalität sein könnte. Obwohl die meisten Probanden die Mikrodosierungen als nicht besonders bedeutungsvoll oder spirituell empfanden, gaben dennoch sechs von ihnen an, die Erfahrung gehöre zu den fünf bedeutungsvollsten ihres Lebens.
Die Ergebnisse dieser Studie legen die Wirksamkeit des Mikrodosierens, wenigstens am Tag der Einnahme, nahe. Einerseits widersprechen die Ergebnisse den Anekdoten, die von tagelangen Effekten berichten. Zumindest die empfundene Produktivität der Teilnehmer war allerdings tatsächlich bis zu zwei Tage nach den Mikrodosierungen erhöht. Zudem ließen sich im Verlauf der gesamten Studie statistisch signifikante, zumeist positive Veränderungen bei den Teilnehmern feststellen.
Da es sich nur um eine Pilotstudie handelt, müssen bei der Interpretation einige Eingrenzungen beachtet werden. So enthält diese Studie keine Placebokontrolle, und die eingenommenen Substanzmengen basierten auf Schätzungen der Studienteilnehmer, die nicht unabhängig überprüft werden können. Aufgrund der dennoch vielversprechenden Ergebnisse sind bereits weitere und größere Studien zum Thema Mikrodosierungen gestartet.
Polito & Stevenson (2018): A Systematic Study Of Microdosing. Preprint: 7. Februar 2019
Linus Naumann