Mystische Erfahrungen mit und ohne Psychedelika

Psychedelic Science News

Helix Nebula (NGC 7293)

Alles ist eins“, „Existenz ist göttlich“, „Zeit ist eine Illusion“. So oder so ähnlich klingen Erfahrungsberichte von Personen, die eine mystische Erfahrung hatten. Bekannte Beispiele sind etwa der Buddha Siddharta Gautama, Jesus von Nazareth sowie Schamanen und Mystiker aus unterschiedlichsten Traditionen. Häufig, treten diese Erfahrungen während einer spirituellen Praxis wie Gebet, Meditation oder nach der Einnahme psychedelischer Substanzen auf. Frühere Studien haben gezeigt, dass mystische Erfahrungen ein wichtiger Teil von psychedelischer Heilung sind, beispielweise bei Depression, Sucht oder Angst. Dabei wird kontrovers diskutiert, ob substanzfreie mystische Erfahrungen und psychedelische mystische Erfahrungen gleichwertig sind.

US-amerikanische Forscher um Roland Griffiths untersuchten nun mit Hilfe einer groß angelegten Online-Umfrage die Gemeinsamkeiten von psychedelischen und nicht-psychedelischen mystischen Erfahrungen. Es fanden sich insgesamt 4285 Studienteilnehmer, von denen 809 ihre mystische Erfahrung ohne psychedelische Substanzen erlebt hatten. Die Gruppe der Psychedeliker war überwiegend männlich (79 Prozent) und mit durchschnittlich 25 Jahren zum Zeitpunkt der Erfahrung deutlich jünger als die Nicht-Psychedeliker, deren Teilnehmer zu 73 Prozent weiblich und im Schnitt 35 Jahre alt waren.

Die Antworten der Teilnehmer zeigten deutlich: Mystische Erfahrungen sind spontan. Nur eine kleine Minderheit (etwa 20 Prozent) beider Gruppen hatte aktiv nach einer derartigen Erfahrung gesucht, als diese sie plötzlich überkam. Für das, was ihnen in jenem Moment begegnete, bevorzugte die Nicht-Psychedelik-Gruppe den Begriff „Gott“, während die Psychedelik-Gruppe mehrheitlich „Ultimative Realität“ auswählte. Über 70 Prozent der Teilnehmer aus beiden Gruppen bewerteten das Erlebnis zudem als „realer als die Alltagswirklichkeit“.

Eine große Mehrheit beider Gruppen berichtete von teils auditiver oder visueller, zumeist aber extrasensorischer Kommunikation mit den Erscheinungen, die unter anderem starke Eindrücke von Güte, Heiligkeit, Intelligenz, Bewusstsein und Unendlichkeit hinterließen. Während jedoch in der Nicht-Psychedelik-Gruppe nur Einzelfälle die Wesenheiten als bösartig erlebte, gab dies in der Psychedelik-Gruppe fast jeder zehnte an. Interessanterweise sagte etwa die Hälfte aller Befragten aus, sie selbst seien mit dem Begegneten identisch gewesen.

Eine überwältigende Mehrheit beider Gruppen ordnete das Erlebnis unter den fünf bedeutendsten Erlebnissen ihres Lebens ein. Gleichzeitig empfand jeder dritte Nicht-Psychedeliker und sogar fast jeder zweite Psychedeliker das Erlebte als psychisch äußerst herausfordernd. Trotz dieser Schwierigkeiten waren sich überwältigende Mehrheiten aus beiden Gruppen einig über langanhaltende positive Effekte auf ihr Leben und eine verringerte Angst vor dem Tod.

Obwohl gewisse Unterschiede zwischen psychedelischen und nicht-psychedelischen mystischen Erfahrungen bestehen, betonen die Autoren der Studie die weitreichenden Ähnlichkeiten zwischen beiden Gruppen. Aufgrund der großen Ähnlichkeit könne man wissenschaftlich nicht zwischen „richtigen“ und „falschen“mystischen Erfahrungen unterscheiden.

Quelle: Griffiths et al., 2019, Plos One, Survey of subjective „God encounter experiences“: Comparisons among naturally occurring experiences and those occasioned by the classic psychedelics psilocybin, LSD, ayahuasca, or DMT