Hans Plomp (*1944 in Amsterdam), ist Aktivist, Rebell und Poet. Seit 1980 bereiste er mehrfach Indien. Als Protagonist der Hausbesetzer-Bewegung (kraakbeweging) wehrte er sich erfolgreich gegen den Abriss des Dorfes Ruigoord bei Amsterdam. Erfahrungen mit Psychedelika prägten Hans Plomp als Mensch und Autor.
Interview Claudia Müller-Ebeling
Du hast die Hippiezeit in Amsterdam erlebt und bist seit Jahrzehnten ein wichtiger Motor der dortigen Kunstszene; als Autor zahlreicher Bücher, Romane und Gedichte und auch als Aktivist und Gründungsmitglied der Amsterdams Ballon Gezelschap. Was begründete dein Interesse an der psychedelischen Bewegung?
Ich war schon als 15-Jähriger ein Rebell und musste mich als ältester von drei Geschwistern in einem sehr konservativen Elternhaus behaupten. Schon früh interessierte ich mich für Jazz, der zuhause natürlich als amerikanischer Lärm verpönt war. Dieses Interesse teilte ich mit US-amerikanischen Soldaten, die in der Nähe stationiert waren – und Cannabis rauchten. Und dann trieb ein befreundeter Arzt 100 Gramm Meskalin von Merck auf. Das nahm ich, unbeleckt von jeglicher Information, gänzlich ahnungslos, mit Freunden. Dadurch öffneten sich Welten!
Und dann trieb ein befreundeter Arzt 100 Gramm Meskalin von Merck auf.
Alles Bisherige wurde mir fremd. Dazu wollte ich nicht mehr gehören. Ich stellte mich ungeahnten Fragen über Realität; neuen Dimensionen von Sex, Musik, Tanz – und fragte mich: Was will ich? Natürlich ließen Konflikte mit dem Elternhaus nicht lange auf sich warten. Mit drakonischen Strafen und bissigen Kommentaren meines Vaters, der meinte, er müsse mich nur dort suchen, wo es am heftigsten stinke. Mit 18 flog ich dann von der Schule …
Was motivierte dich zu schreiben? Wie sahen deine ersten Schritte zum Poeten aus?
Die ersten Zeilen schrieb ich mir von der Seele, als mich mein Vater in ein dunkles Zimmer gesperrt hatte. Meine dringliche Flucht aus einer bedrückend engen, fremd gewordenen Welt bot reichlich Stoff für viele dunkle Geschichten. Ein reicher Homosexueller mit guten Verbindungen zur Kunst- und Verlegerszene unterstützte mich und brachte mich in Kontakt mit dem berühmten und wohlhabenden Verleger Johan Polak. Zurzeit ist ja die internationale “me too”-Kampagne in aller Munde. Dazu kann auch ich, als Mann (!), rückblickend eine passende Geschichte beitragen. Dem einflussreichen Verleger Polak gefielen meine Texte. Er war bereit, sie zu publizieren – wenn ich ihm als kleine Gegenleistung einen blies … Stoff für meine erste Novelle, die ein Verleger in Belgien publizierte.
Viele holländische Künstler sind oder waren gute Freunde: Der Dichter Simon Vinkenoog, der Schriftsteller Gerard Reve, der Kolumnist und Schriftsteller Remco Campert, der Maler und CoBrA-Mitbegründer Karel Appel und die Lyrikerin Judith Herzberg. Und sogar Heroen der US-Avantgarde lerntest du persönlich kennen! Allen Ginsberg, den Vater der Beatpoeten, Gregory Corso, Hakim Bey und die Punk- und Rocklady Patti Smith.
Und in unserer „Anarcho-Kirche“ in Ruigoord gaben sich sogar Nina Hagen und Herman Brood einst ihr Jawort. An dieser Stelle möchte ich unbedingt auch meinen Seelenfreund Aat Veldhoen erwähnen. Für mich der größte holländische Maler meiner Generation. Mit ihm verfasste ich das monumentale Werk De kunst van het sterven [Die Kunst des Sterbens]. Von 1972-1982 gehörte ich zur Gruppe One World Poetry. Wir hatten gemeinsame Ziele und Ideale: Anarchie, Spiritualität und die Magie des Chaos‘. Wir waren auf der Suche nach neuen kreativen Stilmitteln, um unsere psychedelischen Erfahrungen jenseits von Religiosität zu vermitteln und ins alltägliche Leben zu bringen. Inspirationen und Impulse für den neuen homo ludens, den spielerischen und kreativen Menschen, erhofften wir von der Beatnik-Szene. Daher luden wir Allen Ginsberg, Ken Kesey und Patti Smith nach Amsterdam zu öffentlichen Lesungen ein. Und profitierten anschließend, 1982, von ihrer Einladung in die USA, zu öffentlichen Lesungen mit Ginsberg, Diana DiPrima, Anne Waldman, Amiri Barak und Lawrence Ferlinghetti. Diese Tournee-Erfahrungen habe ich in meinem Buch Revolvers lijkt me overdreven [Revolver scheinen mir übertrieben] verarbeitet.
Inwiefern habt ihr künstlerisch von diesem Kontakt mit der US-amerikanischen Beatnik-Szene profitiert?
Für uns war das performing poetry. Ginsberg und die Beatniks waren Vorbilder für den Slang der Straße; die prosaische Alltagssprache. Gewissermaßen waren wir Straßenköter; Troubadours wie die spätmittelalterlichen französischen Dichter François Villon und François Rabelais. Uns ging es um Direktheit, Rhythmus und Musik; um Narrenweisheit – mad wisdom. Denn das Glück ist den Narren hold. Daher schrieben wir über die Pforte unserer Ruigoord-Kirche, die wir nun weitgehend als Theater und Konzertsaal nutzen, Fortuna Favet Fatuis (Fortune Favours Fools). Mit unseren performing-poetry-Auftritten eckten wir natürlich im etablierten Literaturbetrieb an. Die offizielle Poeten-Szene reagierte auf unseren öffentlichen Erfolg ziemlich negativ und verhielt sich weitgehend zynisch gegenüber Dada, Surrealismus, Beat- und Rap-Poetry. Als Reagan und Thatcher Anfang der 80er an die Macht kamen, war es mit diesem transatlantischen Künstlerbündnis und kreativem Austausch vorbei. Die von uns erkundeten neuen Quellen der Inspiration wurden mehr und mehr kommerzialisiert.
Was verstehst du unter psychedelisch? Wie hast du deine Erfahrungen mit Psychedelika künstlerisch er- und verarbeitet?
Ich verstehe psychedelisch als moderne Blüte auf dem Nährboden alter spiritueller Traditionen! Zunächst habe ich viel gelesen. Vor allem Aleister Crowley, Schriften über Okkultismus, Magie und das Buch Golden Dawn von Israel Regardie. In Indien hörte ich Crowley innerlich zu mir sagen “Prepare yourself, fool!” Meine ersten Schritte ins weite Feld der Psychedelika waren weitgehend von „Versuch und Irrtum“ geprägt, denn konkrete Informationen gab es damals kaum.
In Indien hörte ich Crowley innerlich zu mir sagen: «Prepare yourself, fool!»
Als Jugendlicher um die 20 experimentierte ich mit Tees aus Samen von Datura und Bilsenkraut. Heftige und unbedarfte Erfahrungen, die mich in Jahre der Verwirrung, Dunkelheit und Angst beförderten. Düstere Erlebnisse, die viele frühe Texte prägten. Zum Glück bin ich aus diesem tiefen psychischen Loch wieder rausgekommen. Anschließend war mir klar: Nicht weiter Elend, Krieg und Trauma! Stattdessen entdeckte ich den Romantiker Novalis, Herman Hesse, Gustav Meyrink, die Symbolisten Frankreichs, Dada und die Kunst der Surrealisten. Sie alle riefen mir zu: „Poeten sind Propheten! Mach dich auf den Weg!“ In meiner Dichtung gebe ich Worte weiter, die ich gewissermaßen mit meinem dritten Ohr höre.
Gedichte von Hans Plomp
Narrenschiff
Komm zu mir, Liebste
auf mein Narrenschiff
weit von der Küste der Beengtheit,
die tausend Augen
und die Stimmen ohne Ohren,
segeln wir aus
auf Wellen eines grossartigeren Lebens.
Komm, ich lege meine Hand auf dich.
Lass dich bezaubern
und bezaubere mich.
Stimme der Ewigkeit
Dies ist eine Stimme,
die in mir klingt und ausser mir;
eine Stimme, die durch die Bäume rauscht
und viel mehr weiß als ich:
die Hexe, der Dichter, die Lerche.
Sprich durch mich, Stimme
die in und um mich ist,
mein Kern, dem ich mich nähere
Leben nach Leben.
Namenlos und geschlechtslos,
in mir überall und nirgendwo,
die Stimme der Ewigkeit.