Carlos Castaneda hat mit seinen „Lehren des Don Juan“ und den darauf folgenden Werken ein Gedankensystem zu Papier gebracht, das viele Generationen von Neo-Schamanen, Psychonauten und modernen Mystikern bis heute prägt.
Der gebürtige Peruaner kam am 25. Dezember 1925 zur Welt. Erst zu Beginn der 1950er Jahre siedelte er in die USA über und wurde dort 1957 zum US-amerikanischen Staatsbürger ernannt. Ab 1955 besuchte Castaneda verschiedene Kurse am „Los Angeles Community College“ (LACC), u.a in den Themenbereichen Journalismus und Literatur.
1973 beendete er seine Studienzeit am LACC mit einem «Associate of Arts degree» in Psychologie und wechselte auf die University of California (UCLA), wo er u.a. Kurse zu den Methoden der Feldarchäologie bei McCusick und Clement Meighan besuchte.
Während seines Studiums veröffentlichte er bereits seine Bücher «Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens», «Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan» sowie «Reise nach Ixtlan. Die Lehre des Don Juan» – letzteres stellte gleichzeitig seine Dissertationsschrift zum Dr. phil. dar.
Insbesondere in seinen frühen Schriften beschäftigte er sich mit der magisch-rituellen Verwendung von psychotropen Pflanzen, wie dem Großblütigen Stechapfel (Datura inoxia) und Peyote (Lophophora williamsii).
Wird dieser Gebrauch in den späteren Schriften nicht mehr hervorgehoben, so betont Castaneda dennoch die Bedeutsamkeit dieser Substanzen für seinen eigenen spirituellen Weg. Denn er selbst war der Ansicht, dass er ohne die erschütternden Erfahrungen, die ihm seine pflanzlichen „Verbündeten“ ermöglichten, niemals so weit auf seinem Weg gekommen wäre.
In seinen Büchern, die allesamt in autobiographischem Format verfasst sind, wird Castaneda von seinem „Wohltäter“ Don Juan Matus unterwiesen, um das „Zaubern“ zu erlernen. Der Forscher, der eigentlich mit der Intention auszog, eine Abhandlung über die Ethnobotanik der Yaqui-Indiander zu verfassen, wurde von Don Juan überlistet, der in Castaneda einen würdigen Schüler sah.
Psychotrope Pflanzen spielten – zumindest bei der Vermittlung der Lehre – eine eher untergeordnete Rolle. Die von Don Juan vertretene Lehre («Der Weg des Kriegers») betonte dabei eher mühevolle Übungen, um die Makellosigkeit zu entwickeln, die notwendig ist, diesen Weg zu beschreiten.
Im Laufe seiner Lehrjahre wird Castaneda immer weiter in die einzigartige und zuweilen bizarre Welt Don Juans eingeführt, die weit weg von der alltäglichen und materialistischen Sichtweise des modernen Menschen liegt.
So erlernt Castaneda unter Zuhilfenahme von Don Juan die „Kunst des Sehens“, die ihm ermöglicht eine Realität zu erspähen, die ihm verdeutlicht, dass alle Existenz unendlich ist und die alltägliche Wirklichkeit nur ein kleiner Ausschnitt dessen abbildet. Durch verschiedene Methoden der Bewusstseinsforschung, wie dem «Pirschen» und dem «Träumen», wird diese Lehre in den späteren Büchern noch deutlicher.
Als die Bücher veröffentlicht wurden (1968 in den USA und 1973 in deutscher Übersetzung), genoss Castaneda noch einen Ruf als angesehener Anthropologe. In der Hippie- und New-Age-Szene fanden seine Lehren großen anklang (– was bis heute in manchen Kreisen nicht nachgelassen hat).
Später wurde Castanedas Geschichte von verschiedenen Seiten angezweifelt und die reelle Existenz von Don Juan Matus in Frage gestellt. Sein Faktenwissen über die Yaqui soll Castaneda zum großen Teil aus ethnologischen Fallstudien in der Bibliothek der UCLA gewonnen haben. Eine etwas weniger harsche Kritik kam auch von Gordon Wasson (siehe Literaturangaben).
Obwohl die Kritik an der Wahrhaftigkeit von Castanedas Feldarbeit stichhaltig erscheint, rüttelt dies wenig an der Qualität seiner Lehren. Auch wenn Don Juan lediglich eine erdachte Kunstform darstellt, so negiert dies keineswegs die Inhalte der Bücher.
Wer Selbsterfahrung mit psychotropen Substanzen (und veränderten Bewusstseinszuständen im Allgemeinen) hat, wird die Akkuratesse des Autors erkennen, mit der er die Wahrnehmung alternativer Realitäten beschrieben hat. Auch liefert er in «Die Reise nach Ixtlan» (1972) eine der ersten tragfähigen Veröffentlichungen über das Klarträumen – noch bevor LaBerge et al. (1990) das Thema (wieder) in das westliche wissenschaftliche Blickfeld gerückt haben – ein Wissen, dass er damals nur sehr unwahrscheinlich mittels Bibliotheksrecherche ansammeln konnte.
Eine Erörterung der vollständigen Kosmologie von Castanedas Schaffen kann dieser Beitrag nicht leisten, jedoch seien als herausragende Stichworte das Verhältnis von «Tonal und Nagual» (Castaneda, 1978: 140) sowie «Die Konzeption des Montagepunktes» genannt, die schon alleine beweisen, dass es sich hierbei nicht um wahnhafte Rauschfantasien, sondern um ein ausgeklügeltes (proto-)philosophisches Gedankensystem handelt.
Castaneda selbst hat sich nie zu dieser Kritik geäußert. Generell galt er als verschwiegener und zurückgezogen lebender Mensch, der sich nicht gerne der Öffentlichkeit stellte (Gerüchten zufolge soll er sogar ein Double für ein Pressefoto engagiert haben). Von diesem Sachverhalt zeugen auch die vielen Unklarheiten und fehlenden Angaben in Castanedas Biografie (die vielen Kontroversen seines Lebens werden jedoch ausführlichst von verschiedenen ehemaligen Lebenspartnerinnen und Schülern dargelegt). Darauf in einem TIME Interview angesprochen, erwidert er:
„Mich zu bitten, mein Leben zu beweisen, in dem ich Ihnen statistische Daten gebe … ist ein wenig so, als wenn man versuchte, Wissenschaft zu nutzen, um Zauberei zu beweisen.
Castaneda verstarb am 27. April 1998 an den Folgen einer Krebserkrankung.
Werke von Carlos Castaneda:
- Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens. März-Verlag, 1972
- Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan. Fischer, Frankfurt am Main 1975
- Reise nach Ixtlan. Die Lehre des Don Juan. Fischer, Frankfurt am Main 1976
- Der Ring der Kraft. Don Juan in den Städten. Fischer, Frankfurt am Main 1978
- Der zweite Ring der Kraft. Fischer, Frankfurt am Main 1978
- Die Kunst des Pirschens. Fischer, Frankfurt am Main 1981
- Das Feuer von innen. Fischer, Frankfurt am Main 1984
- Die Kraft der Stille. Neue Lehren des Don Juan. Fischer, Frankfurt am Main 1987
- Die Kunst des Träumens. Fischer, Frankfurt am Main 1993
- Tensegrity – Die magischen Bewegungen der Zauberer. Fischer, Frankfurt am Main 1998
- Das Rad der Zeit. Das Vermächtnis des Don Juan. Fischer, Frankfurt am Main 1998
- Das Wirken der Unendlichkeit. Fischer, Frankfurt am Main 1998
Literatur:
- LaBerge, Stephen (1990). „Lucid Dreaming: Psychophysiological Studies of Consciousness during REM Sleep“. In Richard R. Bootzin; John F. Kihlstrom; Daniel L. Schacter (eds.). Sleep and Cognition. Washington, D.C.: American Psychological Association. S. 109–26.
- Wasson, R. Gordon (1969.) (Bk. Rev.). Economic Botany vol. 23(2):197. A review of Carlos Castaneda’s „The Teachings of Don Juan: A Yaqui Way of Knowledge.“,
- Wasson, R. Gordon (1972) (Bk. Rev.). Economic Botany vol. 26(1):98–99. A review of Carlos Castaneda’s „A Separate Reality: Further Conversations with Don Juan.“;
- Wasson, R. Gordon (1973) (Bk. Rev.). Economic Botany vol. 27(1):151–152. A review of Carlos Castaneda’s „Journey to Ixtlan: The Lessons of Don Juan.“;
- Wasson, R. Gordon (1974) (Bk. Rev.). Economic Botany vol. 28(3):245–246. A review of Carlos Castaneda’s „Tales of Power.“; Wasson, R. Gordon. 1977a. (Mag., Bk. Rev). Head vol. 2(4):52–53, 88–94. November.
Dirk Netter