«Innere Freiräume»

Torsten Passie über Harry C. Kane

Harry C. Kane: Geometrie 21 (Ausschnitt)

Harry Kane – welch ein Name! Hurakan nannten die Quiche-sprachigen Indianer im Hochland von Guatemala die gewaltige Kraft des zerstörerischen Wirbelsturms. Dieser Künstlername erwies sich als prophetisches Omen für das Leben und Werk des Fotokünstlers. Seine Lebensschnur brannte an beiden Enden und verlosch – nach einem früh traumatisierten und  chaotischen Leben – schon mit 46 Jahren.

Ich begegnete ihm in den 90er-Jahren in Berlin. Soeben von Thailand zurückgekehrt, erzählte er enthusiastisch von seiner Reise und seinen Begegnungen mit Mönchen. In ihren orangefarbenen Gewändern auf großen Felsblöcken inmitten üppig grüner tropischer Vegetation sitzend hatte er sie portraitiert. Seine fotografische Ausbeute in raffinierter Überblendtechnik faszinierte mich. Und ebenso seine früheren Fotos von kaleidoskop­artigen Mandalas. Sie basierten auf Motiven, die er in seiner unnachahmlichen Technik zentralsymmetrisch komponierte.

Mandalas wirken suggestiv und haben tiefe Wurzeln in der visionären Kunst. Obwohl ich Harry Kane kaum kannte (und hinter hochspurigen Worten keine notwendige Verankerung im realen Leben vermutete), motivierte mich die rauschartig bestechende Ästhetik seiner Fotos spontan, sie einem geneigten Publikum zugänglich zu machen. Und so lud ich Harry Kane 1993 zu einer Konferenz des ECBS nach Zürich ein.

Dass er dort Torsten Passie begegnete, der den allzu kurzen kreativen Lebensfunken von Harry Kane nun in seinem Buch im Nachtschatten Verlag verewigt, freut mich sehr. Claudia Müller-Ebeling

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Torsten Passie, im Vorwort des Buchs wird Harry C. Kane als einer «der originellsten und ausdrucksstärksten psychedelischen Künstler des 20. Jahrhunderts» bezeichnet. Was ist so besonders an seinen Werken?

Die Szene der psychedelischen Künstler ist nicht besonders groß, und was es an psychedelischer Kunst gibt, ist nicht selten Kitsch. Es gibt nur wenige Künstler, die eine wirklich originelle Art entwickelt haben, psychedelische Erfahrungen zu visualisieren. Harrys Arbeiten sind in der Tat originell – zumal er sich auch einer ganz anderen Technik bedient als andere psychedelische Künstler.

Harald Müller alias Harry C. Kane war ein künstlerischer Autodidakt, der auf eine schwierige Kindheit zurückblickte. Wie wurde sein Leben geprägt?

Die Ungeborgenheit, das Nicht-Zuhause-Sein in der Welt, ist kennzeichnend für Harrys Leben. Gerade jene frühe Phase der Kindheit, in der man der Welt gegenüber Ängste verliert und Vertrauen gewinnt, ist bei ihm ungünstig gelaufen. Die Familie war durch den despotisch-empathielosen Vater geprägt, der sich rücksichtslos verhielt. Schließlich nahm sich Harrys Mutter das Leben. Harry fand sie erhängt in der Küche und verkroch sich – geschockt und voller Grauen – mit den Geschwistern unterm Küchentisch. Doch selbst dieses schreckliche Ereignis führte nicht zu Veränderungen in der Familie. Sein Leben blieb von Ungeborgenheit und einer fordernden Vaterfigur überschattet. So geriet er zuletzt selber in eine krankhafte Gemütsverfassung. Er stellte, neben einer unverkennbaren Egozentrik, enorm hohe Ansprüche an sich selbst, an denen er immer wieder scheiterte.

Eine formale Ausbildung hat er nie begonnen oder abgeschlossen. In den 1980er-Jahren absolvierte er Praktika bei verschiedenen Fotografen. In dieser Zeit schaute er sich die prädigitale Arbeitsweise des Fotografierens ab, dieses handwerkliche Arbeiten mit der Manipulation von Abzügen, Mehrfachbelichtungen und Entwicklungstechniken. Daraus entwickelte und prägte er nach und nach einen eigenen Stil. Allerdings hatte er damals noch keinen Kontakt mit Psychedelika. Das kam erst später; und daraus folgte das Ziel, solche Erfahrungen in fotokünstlerischen Werken in neuartiger Weise auszudrücken.

Inwiefern haben Psychedelika und spirituelle Praktiken in seinem Leben eine Rolle gespielt? Hat er mittels veränderter Bewusstseins- und Gefühlszustände seine kindliche Ungeborgenheit kompensieren können?

Ich habe erlebt, dass er über Erfahrungen mit
psychedelischen Drogen und Trancezuständen
[…]

Das Gespräch führte Markus Berger.

Den ganzen Artikel kannst du im Magazin Lucy’s Rausch Nr. 5 lesen. Hier bestellen.

Das Buch Mandala of Life. Die psychedelische Fotokunst von Harry C. Kane, herausgegeben von Torsten Passie und Martin Permantier, kannst du hier bestellen.