Die psychedelische Psychotherapie ist auf dem Weg in die offiziell anerkannte Medizin. Laut Prognosen der Forschungsorganisation MAPS (Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies) könnte es in nur drei bis vier Jahren zur Zulassung von Psilocybin als anerkanntes Heilmittel gegen schwere Depressionen kommen. Die bereits abgeschlossenen Phase-2-Studien zeigten derart große Heilerfolge, dass die amerikanische Zulassungsbehörde FDA der Psilocybin-gestützten Psychotherapie sogar das Prädikat „Durchbruchstherapie“ (Breakthrough Therapy) verlieh. Sollten diese Ergebnisse in den aktuell laufenden Phase-3-Studien reproduziert werden können, wird eine Zulassung erfolgen.
Diese klinischen Studien werden mit pharmakologisch reinem Psilocybin durchgeführt. Auf diese Weise werden Probleme wie Wirkstoffschwankungen und die komplexen Substanzmischungen in natürlichen Organismen, wie etwa psychedelischen Pilzen, umgangen. Da reines Psilocybin jedoch nur sehr ineffizient aus Pilzen gewonnen werden kann, ist in Wirtschaft und Forschung ein regelrechtes Wettrennen zur günstigsten Synthese von reinem Psilocybin entbrannt. Erst vor wenigen Wochen wurde etwa die vollständige Biosynthese von Psilocybin in gentechnisch veränderten Hefen publiziert (Lucys berichtete).
Die rein chemische Synthese galt noch vor kurzer Zeit als vergleichsweise wenig effizient. Eine Gruppe US-amerikanischer Wissenschaftler um Dr. Meisenheimer glaubte jedoch daran, noch einige Verbesserungen im Syntheseweg finden zu können. Nun überraschten sie die Öffentlichkeit mit der Veröffentlichung einer enorm verbesserten Methode und mehr als einem Kilo pharmazeutisch reinem Psilocybin aus ihrem Ansatz.
Um ihre Arbeit zu beginnen, stützten sich die Forscher auf die Vorarbeiten des Drogenchemikers David Nichols. Dessen Syntheseroute ist der Ausgangspunkt des heutzutage für klinische Studien genutzten Psilocybins, enthielt allerdings noch einige schwerwiegende Probleme, welche den Prozess sehr ineffizient und wirtschaftlich uninteressant erscheinen ließen. Beginnend mit der kommerziell leicht erhältlichen Substanz 4-Acetoxyindol wurde mit dieser Methode Psilocybin in fünf Schritten hergestellt. Für das neue Syntheseverfahren verfeinerten die Wissenschaftler nun jedoch jeden einzelnen dieser Schritte.
Über Optimierungen in der Zugabe von Reaktionspartnern und Reaktionsbedingungen konnten sie Nebenreaktionen reduzieren, welche sonst die spätere Aufreinigung behinderten. Der Durchbruch kam jedoch erst durch die direkte Phosphorylierung des Zwischenprodukts Psilocin zum Psilocybin mittels Phosphoroxichlorid. Üblicherweise wurde die Phosphorylierung mit vier Benzyl-Schutzgruppen abgedecktem Pyrophosphat durchgeführt, von denen direkt im nächsten Schritt alle Schutzgruppen sowie ein Phosphat wieder abgespalten werden mussten. Durch die direkte Phosphorylierung konnten diese massigen Abfallprodukte vermieden und Syntheseschritte übersprungen werden. Am wichtigsten ist jedoch, dass durch diese Methode die Entstehung eines extrem klebrigen Zwischenprodukts vermieden wird, welches üblicherweise nur in einer sechstägigen Filtration vom Psilocybin abgetrennt werden kann.
Die Wissenschaftler haben zur Darstellung ihrer neuen Methode gleich 1,2 Kilogramm pharmazeutisches Psilocybin hergestellt, das einen Reinheitsgrad von 99,7 Prozent aufweist. Die finale Ausbeute betrug 16 Prozent der eingesetzten Grundstoffe. Das Verfahren wurde öffentlich publiziert und kann daher in dieser Form nicht mehr patentiert werden.
Quelle:
Robert B. Kargbo, Alexander Sherwood, Andrew Walker, Nicholas V. Cozzi, Raymond E. Dagger, Jessica Sable, Kelsey O’Hern, Kristi Kaylo, Tura Patterson, Gary Tarpley, and Poncho Meisenheimer, Direct Phosphorylation of Psilocin Enables Optimized cGMP Kilogram-Scale Manufacture of Psilocybin, ACS Omega, 2020, DOI: 10.1021/acsomega.0c02387
Linus Naumann