Nach jahrelangen drogenarchäologischen Studien habe ich eine Liste erarbeitet, in der zum ersten Mal die uralte Beziehung des Menschen zu weltweit vorkommenden psychoaktiven Pflanzen und Pilzen aufgezeigt wird, und präsentiere hier daraus einen Auszug, der die bekanntesten Drogen umfasst.
Die Daten können nicht als die ältesten gelten; sie sind allerdings das Älteste, was bisher mithilfe archäologischer Dokumentationen nachgewiesen werden konnte. Wir können künftig mit weiteren Ausgrabungen und Entdeckungen sicher noch ferner in die Vergangenheit blicken. Ich glaube, dass die menschliche Verbindung zu vielen dieser Drogen – von Hanf bis Alkohol, vom Peyote-Kaktus bis hin zu Pilzen – wesentlich weiter zurückreicht, als die Archäologie nachweisen kann, und dass der menschliche Gebrauch von Psychoaktiva bis ins Paläolithikum reicht, vielleicht sogar bis in die Zeit der Hominiden.
Die archäologische Dokumentation des menschlichen Gebrauchs von Naturdrogen unterteilt sich in vier Typologien:
- Die direkte Evidenz – in der Liste mit (d) gekennzeichnet – besteht, wenn bei Ausgrabungen Drogenreste gefunden werden können, z.B. Hanfstengel als Grabbeilage für asiatische Mumien und Tabakreste in antiken südamerikanischen Pfeifen.
- Die chemische Evidenz (c) ist dann gegeben, wenn metabolische Rückstände in organischem Material, wie Haaren oder Knochen, oder in Gebrauchsgegenständen, wie beispielsweise Keramik oder Tüchern, nachgewiesen werden können.
- Paraphernalien (p) sind Werkzeuge/Instrumente, die verwendet werden, um Substanzen zu konsumieren, z.B. Pfeifen oder Schalen und Röhren zum Schnupfen von bestimmten Pulvern.
- Die ikonografische Evidenz (i) betrifft die künstlerische Darstellung von Drogen oder Drogenkonsum in antiken Kunstwerken.
Eine fünfte mögliche Typologie ist die literarische Evidenz, wenn z.B. in antiken Texten, in Keilschrift oder Hieroglyphen verfasst, von psychoaktiven Substanzen die Rede ist. Diese Art der Dokumentation spielt hier aufgrund der ungenügenden Quellenlage allerdings keine Rolle.
In meiner Liste gibt es Fälle, in denen es nicht möglich ist zu ermitteln, zu welchem Zweck die Substanzen gebraucht wurden – ob rekreativ oder medizinisch, als Nahrungsmittel etc. Bei manchen Naturdrogen allerdings, wie z.B. den Nachtschattengewächsen (Stechapfel, Schwarzes Bilsenkraut, Alraune etc.), den Pilzen und den Meskalin-Kakteen, kann man davon ausgehen, dass sie als Quelle psychedelischer Erfahrungen dienten, da bestätigt werden konnte, dass Blätter, Blüten, Pilzhüte und -stiele usw. konsumiert wurden. Für andere Substanzen, wie Schlafmohn, Hanf oder Wasserlilien, lässt sich hingegen nicht klar bestimmen, welche Verwendung sie fanden. Und manche Pflanzen, die Quellen für psychoaktive Erfahrungen sind, gab es ursprünglich so nicht in der Natur. Sie sind vielmehr das Ergebnis von Selektion und Kultivierung durch den Menschen. Die bekanntesten Vertreter solcher Züchtungen sind Schlafmohn, Wein, Coca, Kava Kava und Mais.
In dieser Liste mögen einige Substanzen fehlen, allerdings nicht, weil ich sie vergessen hätte, sondern weil sie sich bei Ausgrabungen schlecht finden lassen. Dies könnte an simplen archäologischen Mängeln liegen, aber in manchen Fällen – wie z.B. bei Ayahuasca – könnte die vergleichsweise junge Entdeckung ein Grund dafür sein, warum eine Substanz es nicht in die Liste geschafft hat. Für folgende Drogen konnte ich bisher keine archäologischen Belege finden: Betel, Kratom, Kaffee, Kat, Iboga, Ayahuasca, Jurema, Pituri, Guarana, Salvia divinorum, Virola.
Wein (d, c) | 5800 v.Chr. | Georgien |
Bier (c) | 6000 v.Chr. | China |
Mead (d, c) | 4220 v.Chr. | Spanien |
Cidre (d, c) | 2500 v.Chr. | Spanien |
Mais-Chicha (d, p) | 4200 v.Chr. (?) | Amerika |
Destillierte Liköre (p) | 4000 v.Chr. | Irak, Slowakei |
Areca catechu (Betel) (d) | 7000 v.Chr. | Thailand |
Kava (d) | 850 n.Chr. | Ozeanien |
Tee (d) | 3520 v.Chr. | Zhejiang, China |
Cannabis (d) | 5600 v.Chr. | Estland |
Datura (d) | 1700 v.Chr. | Andorra |
Bilsenkraut (d) | 6000–5000 v.Chr. | Ägypten |
Mandragora (d, i) | 1400 v.Chr. | Ägypten |
Tollkirsche (Atropa) (d) | 4500 v.Chr. | Rumänien |
Ephedra (d) | 2000 v.Chr | Tarim, China |
Lactuca (i) | 2600 v.Chr. | Ägypten |
Lolium temulentum (Taumellolch) (d) | 8700 v.Chr. | Zypern |
Papaver somniferum (d) | 5600 v.Chr. | Italien |
Peganum harmala (d) | 4000 v.Chr. | Kaukasus, Ägypten |
Nymphaea (d) | 6000 v.Chr. | Ägypten |
Peyotl (d) | 3200 v.Chr. | Texas, USA |
Kakao (c) | 1900 v.Chr. | Mexiko |
San Pedro (d) | 8600 v.Chr. | Peru |
Coca (d) | 6000 v.Chr. | Peru |
Anadenanthera (Cebíl)(d) | 2100 v.Chr. | Argentinien |
Brugmansia (i) | 800 v.Chr. (?) | Peru |
Nicotiana (d) | 1500 v.Chr. | Nordamerika |
Ilex guayusa (d) | 375 n.Chr. | Bolivien |
Ilex paraguariensis (Mate) (d) | 650 v.Chr. | Argentinien |
Ilex vomitoria (Black Drink) (c) | 1050 n.Chr. | Illinois, USA |
Turbina corymbosa (Ololiuqui) (i) | 600–700 n.Chr. | Mexiko |
Ipomoea (d) | 800 n.Chr. | Texas, USA |
Sophora secundiflora (Mescalbohne) (d) | 8440 v.Chr. | Texas, USA |
Boophone disticha (i) | 2000 v.Chr. | Südafrika |
Psilocybinpilze (i) | 6000 v.Chr. | Sahara |
Isoxazol-Pilze (Amanita) (i) | 1500 v.Chr. | Asien |
Mutterkorn (Claviceps) (d) | 1800 v.Chr. | Mittlerer Osten |
(d) direkte Evidenz (c) chemische Evidenz (p) Paraphernalien (i) ikonographische Evidenz
Die geographische Lage der jeweiligen Funde steht hinter der Jahreszahl.