Psilocybin-Pilze in Europa

Eine Übersicht über die Gattungen

Psilocybe cyanescens

Artikel im Magazin

Durch ihre interdisziplinäre Zusammenarbeit in den Jahren 1953 bis 1958 hatten R. G. Wasson, R. Heim und A. Hofmann verschiedene, seit alters her verwendete psychoaktive Psilocybe-Arten Mexikos «entzaubert». Daraufhin richtete sich das Forschungsinteresse auch auf ähnliche oder identische Pilze anderer Kontinente; so konnte A. Hofmann 1963 das Psilocybin auch in einer europäischen Art, Psilocybe semilanceata (Fr.) Kumm., nachweisen. Diese Pilzspezies war zu dieser Zeit schon 150 Jahre bekannt und wurde in verschiedenen Ländern in Pilzbüchern teilweise vorzüglich beschrieben und mit Aquarell abgebildet – stets jedoch mit eher amüsanten Vermerken wie «wertlos» (vgl. Gartz 1999; 2003). Heutzutage haben sich zum Beispiel im deutschsprachigen Raum Psilocybe-Arten aus anderen Erdteilen etabliert, beispielsweise Psilocybe azurescens (Synonym: P. Astoriensis).
2014 entdeckte Gartz zusammen mit Georg Wiedemann sogar eine neue Spezies der Gattung Psilocybe, die bislang ausschließlich in Deutschland gefunden und deshalb Psilocybe germanica genannt wurde (siehe Lucy‘s Rausch Nr. 2). Die Übersicht auf Seite 84 zeigt die wichtigsten psychoaktiven Gattungen und Spezies der Psilocybin-/ Psilocin-produzierenden Pilze in Europa.

Psilocybe – Kahlkopf

Diese Pilzarten sind Saprophyten; sie wachsen ohne Baumassoziation auf organischem Material wie Dung, Holz-, Gras- und anderen Pflanzenresten und bauen diese ab. Oft verfärben sich die Hüte bei Feuchtigkeit braun bis schwärzlich, während sie nach gelb bis weiß abtrocknen. In vielen Fällen wächst das Mycel sehr aggressiv und lässt sich leicht auf neue, ähnliche Standorte verpflanzen.
Es gibt noch weitere Funde in Europa, die aber nicht klar differenziert sind, so auch angeblich weitere nordamerikanische Arten. Deshalb sind hier beispielsweise einmalige Funde aus Nordeuropa*, ohne direkten Vergleich mit den amerikanischen Aufsammlungen, nicht als Artbenennung aufgenommen worden.

Psychoaktive Spezies in Europa:
Psilocybe azurescens • Psilocybe bohemica • Psilocybe cyanescens • Psilocybe germanica • Psilocybe semilanceata

* So erwähnt Stamets (1999) die Psilocybe silvatica (Peck) Singer & Smith von nordeuropäischen Funden, die sonst im Osten der USA vorkommt. Gleichzeitig bemerkt er die makroskopische Identität mit Psilocybe pelliculosa (Smith) Singer & Smith – deshalb ist nicht einmal für Nordamerika eine klare Differenzierung gegeben!

Panaeolus – Düngerling

Panaeolus subbalteatus

Wie schon der Name sagt, wachsen viele Arten – sowohl in Europa als auch in den Tropen – bevorzugt auf Dung verschiedener Tiere. Die Ausbreitung der Weidewirtschaft brachte auch hier eine starke Vermehrung solcher Arten. Daneben sind manche auch auf gedüngtem Boden anzutreffen und zersetzen hier Grasreste.
Wie auch schon in der Gattung Psilocybe sind nur einige Arten psychoaktiv. Alle Arten produzieren als Besonderheit Serotonin, das aber oral ohne jede Wirkung bleibt (Gartz 1999). Es wurde in den frühen Untersuchungen oft fälschlicherweise als Psilocin interpretiert.
Charakteristisch für Panaeolus-Arten sind die schwarzgefleckten Lamellen, da die schwarzen Sporen zu verschiedenen Zeiten reifen. Nur der inaktive Heu-Düngerling hat braungefleckte Lamellen und wird dadurch oft in die differente Gattung Panaeolina eingeordnet.

Psychoaktive Spezies in Europa:
Panaeolus subbalteatus

Gymnopilus – Flämmling

Gymnopilus purpuratus

Zur Gattung Gymnopilus gehören Arten, die gelbbis rostorange Sporen bilden, trockene Hüte haben, mittelgroß bis groß sind und saprophytisch (= auf oder von toten Stoffen lebend) vorwiegend Holzsubstrate verwerten.
Während bereits im Oktober 1942 in den USA Verwechslungen mit dem essbaren Hallimasch vorkamen, sind entsprechende Vorfälle in Europa nicht dokumentiert. Ab 1970 wurde in den USA Psilocybin in Arten nachgewiesen, welche in Europa nicht vorkommen (Gartz 1999). Mehrere Aufenthalte von Jochen Gartz im Nordwesten der USA und Kanadas brachten die Erkenntnis, dass dort wachsende, aus Europa bekannte Arten in Wirklichkeit offenbar eigene Spezies sind. Dies zeigt auch die Schwierigkeit und Mehrdeutigkeit bei der Beschreibung von Spezies.

Psychoaktive Spezies in Europa:
Gymnopilus purpuratus

Inocybe – Risspilz

Inocybe haemacta

Im Gegensatz zu allen anderen hier vorgestellten Pilzen besteht bei den verschiedenen Arten der Gattung Inocybe eine Mykorrhiza (= symbiotische Partnerschaft) zu Bäumen, die in manchen Publikationen leider nicht erwähnt wird. Diese Symbiose läuft über einen noch weitgehend unbekannten Austausch von Mineral-, Nähr- und Wuchsstoffen, wobei sich an den Baumwurzeln feine Pilzmycelien befinden. Inocybe-Arten sind dadurch auch nicht in vitro im Labor als Pilz züchtbar.
Die meist braunen Fruchtkörper sind oft nur sehr schlecht zu differenzieren. Auch eine mögliche Verwechslungsgefahr mit anderen, eventuell giftigen Pilzen ist gegeben. Die Hüte reißen oft schon sehr zeitig längs auf. Bis vor 20 Jahren war als charakteristisches Gift nur das Muscarin bekannt, das immerhin in ca. 40 Arten (von etwa 150 in Europa) nachgewiesen werden konnte.

Psychoaktive Spezies in Europa:
Inocybe aeruginascens • Inocybe haemacta

Conocybe – Samthäubchen

Conocybe cyanopus

Conocybe-Arten sind kleine bis winzige Pilze, sehr leicht zerbrechlich und kurzlebig. Etwa 55 Spezies sind in Europa bekannt, die Abgrenzung ist oft schwierig. Sie wachsen auf Dung, Grasresten, Moos und auf verrottenden Holzspänen. Eine aus den 50er-Jahren in Mexiko ebenfalls als Zauberpilz beschriebene Art Conocybe siligineodes Heim auf Holzresten konnte nie wieder gefunden werden und ist daher umstritten. Nur sehr wenige Mykologen beschäftigen sich mit der Gattung.

Psychoaktive Spezies in Europa:
Conocybe cyanopus

Pluteus – Dachpilz

Pluteus salicinus

Die Gattung umfasst etwa 45 Arten in Europa. Pluteus-Arten wachsen auf Holz und sind Finalzersetzer, das heißt, sie zersetzen Substrate, die vorher bereits von anderen Pilzarten besiedelt waren. Im Gegensatz dazu wirken die Psilocybe-Arten als Primärzersetzer auf frischen Hölzern. Viele Pluteus-Arten sind unauffällig, einige davon sogar essbar. Wegen der rosa bis fleischfarbenen Sporen werden die Spezies auch Hellsporer genannt. Für Europa ist nur eine Art relevant; über die Abtrennung von Pluteus cyanopus (Quelet) Metrod (vor über 100 Jahren beschrieben) und Pluteus nigroviridis Babos aus Ungarn (Gartz 1999; 2003; nur 0,035 % Psilocybin) sind keine konstanten Angaben verfügbar, daher finden diese Arten hier keine weitere Erwähnung.

Psychoaktive Spezies in Europa:
Pluteus salicinus

Galerina – Häubling

Galerina steglichii

Die Gattung Galerina umfasst europaweit etwa 50 Arten, von denen einige zu den tödlich giftigen Pilzen gehören, da sie Amatoxine enthalten (die auch im Knollenblätterpilz vorkommen). Die stark blauende Art Galerina steglichii, welche Psilocybin, Psilocin und Baeocystin enthält, wurde 1993 in Regensburg gefunden, weshalb wir sie in dieser Übersicht aufführen. Aufgrund der Verwechslungsgefahr mit toxischen Arten sollten Laien jedoch davon absehen, diese Pilze zu sammeln.

Psychoaktive Spezies in Europa:
Galerina steglichii

Schlussbemerkung

Pilze aus weiteren Gattungen (z. B. Agrocybe, Hygrocybe, Mycena) könnten bei einzelnen Arten ebenfalls noch Psilocybin enthalten, eindeutige und konstante Beweise existieren aber bis heute nicht. Die psychoaktiven Amanita-Arten (Fliegen- und Pantherpilz) haben eine differente Pharmakologie durch Isoxazolderivate (Muscimol und sein biochemischer Vorläufer Ibotensäure) und passen nicht in diesen Rahmen, auch nicht verschiedene Claviceps-Spezies (Mutterkorn) mit ihren wechselnden, komplexer gebauten Indolalkaloiden, aus denen Albert Hofmann 1938 das LSD halbsynthetisch herstellte. Bis heute ist in Europa keine Porlingsart (Polyporus sp.) bekannt geworden, die psychoaktive Wirkung oder entsprechende Inhaltsstoffe besitzt. Berichten aus anderen Erdteilen über Arten, die eventuell mit denen in Europa identisch sind, sollte man daher mit entsprechender Vorsicht begegnen.

Die psilocybinhaltigen Pilzarten Europas

Psilocybe – Kahlköpfe
Psilocybe azurescens Stamets & Gartz
Psilocybe bohemica Sebek
Psilocybe cyanescens Wakefield
Psilocybe germanica Gartz & Wiedemann
Psilocybe semilanceata (Fries) Kummer

Panaeolus – Düngerlinge
Panaeolus subbalteatus Berkeley & Broome

Gymnopilus – Flämmlinge
Gymnopilus purpuratus (Cooke & Mass .) Singer

Inocybe – Risspilze
Inocybe aeruginascens Babos
Inocybe haemacta (Berkeley & Cooke) Saccardo

Conocybe – Samthäubchen
Conocybe cyanopus (Atkins) Kühner

Pluteus – Dachpilze
Pluteus salicinus (Persoon Ex Fries) Kummer

Galerina – Häublinge
Galerina steglichii Besl

BIBLIOGRAPHIE

Allen, J.W. & Gartz, J. (2001a): Teonanacatl – A Bibliography of Entheogenic Fungi. CD-ROM, Kassel • Besl, H. (1993): Galerina steglichii spec. nov. – Ein halluzinogener Häubling. Zeitschrift für Mykologie 59: 215–218 • Gartz, J. (1987): Variation der Alkaloidmengen in Fruchtkörpern von Inocybe aeruginascens. Planta Medica 53: 539–541 • Gartz, J. & Müller, G.K. (1989): Analysis and cultivation of fruiting bodies and mycelia of Psilocybe bohemica. Biochem. Physiol. Pflanzen 184: 337–341 • Gartz, J. (1989): Occurrence of psilocybin, psilocin and baeocystin in Gymnopilus purpuratus. Persoonia 14: 19–22 • Gartz, J. (1991): Further investigations on psychoactive mushrooms of the genera Psilocybe, Gymnopilus and Conocybe. Ann. Mus. Civ. Rovereto (Italy) Sez. Sc.nat. 7: 265–274 • Gartz, J. (1992/93): New aspects of the occurrence, chemistry and cultivation of European hallucinogenic mushrooms. Ann. Mus. Civ. Rovereto (Italy) Sez. Sc.nat. 8: 107–124 • Gartz, J.k (1995): Cultivation and Analysis Psilocybe Species and an Investigation of Galerina steglichii. Annali dei Musei Civici di Rovereto 10 (1994): 297–305 • Gartz, J. (1996): Observations on the Psilocybe-cyanescens-complex in Europe and North America. Ann. Mus. Civ. Rovereto (Italy) Sez. Sc.nat. 12: 209–218. • Gartz, J. (1998): Psychoaktive Pilze –Bestimmungskarten-Set. Nachtschatten Verlag Solothurn • Gartz, J. (1999): Narrenschwämme. Psychotrope Pilze in Europa. Nachtschatten Verlag Solothurn • Gartz, J. (2001): Verwechslung von Psilocybe cyanescens mit Speisepilzen. Der Tintling – Die Pilzzeitung 5 (Heft 1): 21–23 • Gartz, J. (2002a), Gesellschaftliche Akzeptanz oder Ächtung psychoaktiver Pilze (1). Entheogene Blätter (Berlin) 1 (10): 20–25 • Gartz, J. (2002b): Gesellschaftliche Akzeptanz oder Ächtung psychoaktiver Pilze (2). Entheogene Blätter (Berlin) 1 (10): 35-39 • Gartz, J. (2015), Dreißig Jahre Pilzforschung – Neue Arten, Wirkstoffe und viele Artikel. Lucy‘s Rausch Nr. 2: 84–87 • Gartz, Jochen und Georg Wiedemann (2015): Discovery of a new caerulescent Psilocybe mushroom in Germany: Psilocybe germanica sp.nov..Drug Testing and Analysis 7(9): 853–857. Gesamter Artikel online: http://onlinelibrary.wiley.com/ doi/10.1002/dta.1795/full • Gminder, A. (2001): Psilocybe azurescens STAMETS & GARTZ. Erste Freilandfunde in Europa. Südwestdeutsche Pilzrundschau 37(2): 31–36 • Krieglsteiner, G.J. (1984): Studien zum Psilocybe cyanescens- Komplex in Europa. Beiträge zur Kenntnis der Pilze Mitteleuropas 1: 61–94 • Krieglsteiner, G.J. (1986): Studien zum Psilocybe cyanescens-callosa-semilanceata-Komplex in Europa.Beiträge zur Kenntnis der Pilze Mitteleuropas 2: 57-72 • Montag, K. (2000), Blaufuß-Samthäubchen. Porträt Nr. 30, Der Tintling – Die Pilzzeitung 5 (Heft 4): 1–2 • Montag, K. (2001), Grünroter Risspilz. Porträt Nr. 36, Der Tintling – Die Pilzzeitung 5 (Heft 1): 1–2 • Rippchen, Ronald (Hrsg.) (1993/2002): Zauberpilze.The Grüne Kraft Löhrbach • Schuldes, B. M. & Lanceata, S. (1999): Das PilzZuchtBuch.The Grüne Kraft Löhrbach • Stamets, P. & Gartz, J. (1995): A new caerulescent Psilocybe from the Pacific Coast of Northwestern America. Integration 6: 21–27 • Stamets, P. (1999): Psilocybinpilze der Welt – Ein praktischer Führer zur sicheren Bestimmung. Aarau:AT Verlag • Stijve, T., Klan, J. & Kuyper, Th.W. (1985): Occurrence of psilocybin and baeocystin in the genus Inocybe (FR.) FR., Persoonia 12: 469-473.

Jochen Gartz & Markus Berger