Wie bitte? Ein neues Printmagazin im digitalen Zeitalter? Ist das Mut oder einfach nur die Berauschung durch die Idee, etwas Neues zu schaffen? Und überhaupt, was soll der Name Lucy’s? Und was hat er mit dem Verlagsprogramm des Nachtschatten Verlags zu tun?
Eingeweihte wissen: Der Name enthält eine Anspielung auf den Beatles-Song «Lucy in the Sky with Diamonds». Die Verbindung zu Albert Hofmanns Entdeckung scheint klar, vielleicht handelt es sich aber auch um einen Zufall – wie die Entdeckung von LSD selbst. Den Namen Lucy tragen zudem die sterblichen Überreste des in Afrika entdeckten ersten Menschen aus der «First Family» – des eigentlichen Urmenschen, dessen Alter auf rund 3,2 Millionen Jahre datiert wird.
Lucy heisst aber auch einfach Licht. Und Licht ins Dunkel der Drogendiskussion zu bringen, ist eines der Ziele von Lucy’s. Seit dem Sphinx-Magazin, das von 1977 bis 1986 erschien, hat es kaum mehr Zeitschriften gegeben, die unvoreingenommen über Drogen und Bewusstsein sowie über traditionelles (schamanisches) Wissen berichteten und sich gleichzeitig an der Zukunft orientierten. In Zukunft werden wir nämlich psychoaktive Substanzen bewusst und gezielt einsetzen und ihr Wirkungspotenzial, ob nun medizinisch oder rekreational, anerkennen. Davon sind wir überzeugt. Es gibt sehr viele Hanfmagazine, die auch über Ethnobotanik und Schamanismus berichten; sie alle haben schon einiges zur öffentlichen Diskussion beigetragen, ebenso wie einige esoterische/spirituelle Periodika mit Artikeln zur traditionellen Ethnomedizin und den zugehörigen Ritualen – mit und ohne Substanzen. Die Mainstream-Medien berichten zunehmend differenzierter über Drogen und Rausch, da sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass Rausch nicht zwingend mit Drogen zu tun haben muss. Es gibt substanzunabhängige Abhängigkeiten, die sogar mehr Schaden anrichten. Der Geschwindigkeitsrausch zum Beispiel fordert mehr Todesopfer als viele illegalisierte Substanzen zusammen.
Rausch ist also nicht ausschliesslich substanzorientiert. Rausch ist ein Urbedürfnis und kaum aus unserer Gesellschaft wegzudenken. Oder anders ausgedrückt: Was würde passieren, wenn von heute auf morgen keine Zigaretten, kein Bier, kein Kaffee und keine Psychopharmaka mehr erhältlich wären? Unvorstellbar!
Was Rausch ist, wird verschieden definiert und wahrgenommen. Für Drogengegner ist der Rausch per se etwas Negatives; legale ‚Genussmittel’ tolerieren sie bestenfalls gerade noch knapp. Weltoffene Menschen dagegen betrachten den Rausch differenzierter, sie erkennen zahlreiche mögliche Nuancen und Variationen. Beginnt ein psychoaktiver Zustand beispielsweise schon am Morgen beim ersten Kaffee oder erst mit dem Glas Wein zum Mittagessen?
Realität ist wohl am schwierigsten zu definieren. Was ist meine, was ist deine Realität? Woher kommt sie, wohin führt sie uns? Und die alte Frage nach dem Sinn des Lebens: Was tun wir hier und jetzt in dieser Realität? In Wirklichkeit ist die Realität ganz anders (einer meiner Lieblingssätze!) – und die drogenpolitische Wirklichkeit sieht leider trüb aus: Eine überwiegende Mehrheit der Menschen berauscht sich gerne und regelmässig. Der Konsum und Besitz von relativ harmlosen Substanzen kann dabei ins Gefängnis führen. Weitaus gefährlichere Genussmittel werden dagegen breit beworben und dürfen legal konsumiert werden. Auch das ist eine Realität – eine, die zu ändern wäre.
Es ist Zeit, den Fokus auf unerforschte Bereiche zu richten, kritisch zu hinterfragen, aufzudecken, Berauschendes, Nachdenkliches und Gesellschaftskritisches zu publizieren. Und es ist Zeit, sich den verschiedenen Realitäten zu stellen und den Rausch (im rituellen Kontext) gesellschaftlich zu akzeptieren. Dazu will Lucy’s beitragen.
Roger Liggenstorfer, Herausgeber