Schildower Kreis: Offener Brief

Anti-Prohibitions-Verein übt Kritik

Der Schildower Kreis ist seit Jahren für seine öffentlichkeitswirksame Anti-Prohibitions-Arbeit bekannt. Der Verein, der sich besonders aus rechtlicher Sicht auf das Drogenverbot konzentriert, engagiert sich für eine gerechtere und vernünftigere Drogenpolitik.

Im Hinblick auf die kommende deutsche Cannabislegalisierung (die immer wieder verschoben wird) äußerte sich der Schildower Kreis, ähnlich wie die LEAP Deutschland, in einem offenen Brief an den Bundesrat kritisch zum schlappen Tempo des Legalisierungsvorgangs. Der ursprünglich angesetzte Legalisierungstermin am 1. April 2024 solle besser eingehalten werden, so die Schildower Aktivisten.

Untenstehend findet sich der offene Brief an den Bundesrat. Auch als PDF kann er heruntergeladen werden.

Offener Brief an den Bundesrat: Den 1.4. als Starttermin beibehalten!

An die Mitglieder des Bundesrates

Kürzlich haben wir einen offenen Brief an die MdB verschickt, in dem wir als Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis, die sich mit dem Thema Cannabis beschäftigen, unsere Unterstützung für das nun im Bundestag beschlossene Cannabisgesetz (CanG) bekundeten. Da bekannt wurde, dass der Bundesrat das Vorhaben möglicherweise deutlich verzögern könnte, möchten wir das Thema hiermit nochmals aufgreifen.

Der Konsum von Cannabis (wie auch der von anderen Drogen) ist ein Thema für die Gesundheits- und Sozialpolitik, nicht für die Innen- bzw. Kriminalpolitik – jedenfalls sollte er das sein, da es darum gehen sollte, die individuellen und sozialen Risiken und Schäden so gering wie möglich zu halten. Daher muss ein grundsätzliches Umschwenken stattfinden, von einer vor allem strafrechtlich-sanktionierenden hin zu einer präventiven und gesundheitsfördernden Perspektive.

So wurde in den letzten Wochen vielfach diskutiert, wie das CanG zukünftig kontrolliert werden sollte. Tatsächlich stellt sich diese Frage in den meisten Fällen gar nicht: Wir erwarten, dass sich die meisten Konsumierenden sozial kompatibel verhalten werden und sich an die Abstandsgebote halten, ebenso wie ein Großteil derer, die zukünftig selbst Cannabis züchten, sich an die erlaubte Anzahl der Pflanzen halten wird. Es gibt keinen Grund, weshalb Polizei und andere Ordnungsbehörden ohne Anlass Kontrollen durchführen sollten, etwa im Eingangsbereich von Schulen. Sollte es z.B. Lehrkräften auffallen, dass dort gegen Abstandsgebote verstoßen wird, kann weiterhin jederzeit die Polizei gerufen werden. Ebenso kann an einschlägigen Orten, an denen Handel in der Öffentlichkeit betrieben wird, weiterhin entsprechend kontrolliert werden – die Schwierigkeiten, eine Handelsabsicht nachzuweisen, werden zukünftig nicht größer, als sie es jetzt bereits sind.

Daher ist in dieser Hinsicht nicht mit einem erhöhten Kontrollaufkommen zu rechnen. Gleichzeitig wird die große Mehrheit der zuletzt rund 175.000 Anzeigen wegen reiner Besitzdelikte wegfallen. Diese Fälle beanspruchen derzeit einen erheblichen Teil der Ressourcen der Strafverfolgungsbehörden. Mittelfristig ist mit einem deutlich geringeren Aufwand für die Strafverfolgung zu rechnen. Eine Verzögerung des CanG hingegen würde zu Tausenden neuer Fälle unnötiger Kriminalisierung und damit ebenfalls unnötiger Belastung für die Strafverfolgungsbehörden führen.

Die zunächst ansteigende Arbeitsbelastung für Staatsanwaltschaften zur (partiellen) Tilgung von Haft- und Geldstrafen – zuletzt als Grund für eine mögliche Verzögerung genannt – wird zum einen durch den Wegfall neuer Fälle kompensiert und zum anderen ohnehin nur vorübergehend sein. Die laufenden Vollstreckungsverfahren können bei systematischer Priorisierung sinnvoll und pragmatisch abgewickelt werden.

Was die zu erwartende Reduktion des illegalen Marktes betrifft, so wird es neben der Mitgliedschaft in einer Anbauvereinigung zukünftig die Möglichkeit geben, selbst anzubauen. Wir nehmen an, dass nicht wenige davon Gebrauch machen werden, auch gelegentlich Konsumierende – diese Annahme wurde kürzlich durch eine Umfrage bestätigt, nach der 10% der Deutschen erwägen, nach der Legalisierung selbst anzubauen. So wird ein erheblicher Teil des illegalen Marktes wegfallen.

Damit dieser Effekt bereits in diesem Jahr greifen kann (nicht nur für Anbau unter Kunstlicht, sondern auch unter ökologisch sinnvollem Sonnenlicht), sollte der 1.4.2024 als optimaler Starttermin beibehalten werden.

Insbesondere an die Vertreterinnen und Vertreter der Ampel-Parteien, aber auch an alle anderen Verantwortlichen plädieren wir dringend, dieses wichtige Gesetz für öffentliche Gesundheit, Jugendschutz und soziale Gerechtigkeit zeitnah in Kraft treten zu lassen.

schildower-kreis.de