Bei Silene undulata (Syn. Silene capensis), der Afrikanischen Traumwurzel, handelt es sich nicht um eine ‚typische‘ psychedelisch wirksame Pflanze. Die Traumwurzel induziert keine direkte Veränderung des Wachbewusstseins, sondern triggert vor allem Traumzustände (= oneirogen, dt. traumerzeugend) (vgl. Sobiecki 2008, S. 338). Einige der traditionellen Heiler Südafrikas unterscheiden ausdrücklich zwischen „unreinen“ halluzinatorischen Visionen und den „reinen“ Visionen, erreicht durch oneirogene Drogen in Traumzuständen (vgl. Sobiecki 2008, S. 338).
Ubulawu obumhlope und Undlela ziimhlophe (zu deutsch etwa: „weiße Pfade“) wird die Pflanze in der Xhosa-Sprache genannt. Heimisch ist sie in Simbabwe und Südafrika, wo sie im offenen Waldland vorkommt (vgl. Kew. Royal Botanical Gardens 2019). Aufgrund der relativ anspruchslosen Standortansprüche können mitteleuropäische Ethnobotanikfreunde die frostharte (bis ca. minus 12 °C) Pflanze problemlos im eigenen Garten züchten.
Kräuterkundige dieser Lande dürften die Ähnlichkeit der Traumwurzel mit dem heimischen „Gemeinen Nickenden Leimkraut“ (Silene nutans) und anderen Silene-Arten bemerken. Über ein ähnliches Wirkungsprofil ist derzeit (noch) nichts bekannt.
Die Schamanen und Heiler der Xhosa nutzen die Pflanze im rituellen Kontext, um mittels prophetischer Träume mit den Ahnen in Kontakt zu treten. Damit gehen sie auch beispielsweise Krankheitsursachen auf den Grund.
Moderne Psychonauten verwenden sie als Werkzeug für die Praxis des Klarträumens – ein Zustand der enormes Potenzial für Heilung, Selbsterforschung und Spiritualität aufweist. Doch auch hier wird ein weiteres Mal, die Bedeutsamkeit von „Dosis, Set und Setting“ unterstrichen, wie Sobiecki (2012, S. 221) bemerkt:
„Psychonauten, die mit traditionell unüblichen Dosierungen [von Ubulawu] im nicht-ritualisiertem Kontext experimentierten, haben von Erfahrungen berichtet, die sie als verstörend und verwirrend beschreiben, was auch dazu führte, dass sie den Konsum schließlich einstellten.
(Jean-Francois Sobiecki)
Dies legt den Schluss nahe, dass der rituelle Kontext, die psychologische Vertrautheit und ein verlässlicher Schamane oder Heiler [im Original: „guide or tutor“] unerlässlich sind, um eine nutzbringende Erfahrung zu machen.“
Kevin Johann und Tine Müller, beschreiben in ihrem Werk „Traumpflanzen“ (2018) einige Oneirogene, die für die Klartraumpraxis von Nutzen sein können, darunter selbstverständlich auch Silene undulata.
(Dirk Netter)
Silene capensis / Silene undulata auf Erowid
Johann, K./Müller, T. (2018): Traumpflanzen: Mit Pflanzenkraft luzides Träumen unterstützen.
Kew. Royal Botanical Gardens (2019): eFloras Results For Silene undulata. http://apps.kew.org/efloras/namedetail.do?flora=fz&taxon=665&nameid=1751 (8. Dezember 2019).
Sobiecki, J. F. (2008): A review of plants used in divination in southern Africa and their psychoactive effects. In: SOUTHERN AFRICAN HUMANITIES, 20. Jg., S. 20.
Sobiecki, J. F. (2012): Psychoactive Ubulawu Spiritual Medicines and Healing Dynamics in the Initiation Process of Southern Bantu Diviners. In: Journal of Psychoactive Drugs, 44. Jg., H. 3, S. 216–223.