Albert Hofmann: «Wenn man im Paradies lebt, will man ja nicht so schnell weg»

Albert Hofmanns 114. Geburtstag

Am 11. Januar 1906 war Albert Hofmann geboren worden, dieses Jahr würde der Entdecker des LSD seinen 114. Geburtstag feiern. Aus diesem Grund präsentieren wir hier ein zeitloses Interview mit Albert, das folgendem Buch entnommen wurde: Mathias Bröckers, Roger Liggenstorfer: Albert Hofmann und die Entdeckung des LSD, 2006, Nachtschatten Verlag.

Zudem findet am 18. April in Münchenstein bei Basel eine Tagung „Die Psychedelische Renaissance“ zum Bicycle Day 2020 statt.

 

Was uns alle am meisten interessiert: wie man 100 Jahre alt wird. Welche Methoden – oder Tricks – hast du angewendet, um ein solches Alter zu erreichen und so rege und geistig wach zu bleiben?
Das kann man nicht planen. Ich hatte irgendwie immer wieder das Glück, Positives zu erleben. Wenn etwas Negatives kam, dann kam, sozusagen wie vom Himmel, wieder etwas Positives. So hat sich das immer wieder ausgeglichen. Ich glaube, dass ich die Gnade hatte, offene Sinne zu behalten, und unser Bewusstsein wird ja von den Sinnen genährt. Ich habe bis heute keine Brille und keine Hörgeräte. Ich habe wirklich das Gefühl, dass ich auf die Natur höre, auf das, was uns gegeben ist. Deshalb bin ich auch so skeptisch gegenüber dieser technischen Kultur, weil: Wir verpassen ja das Paradies! Wir vermauern und verbrettern unsere Sinne mit dieser Technisierung. Ich bin noch zu Hause in der Natur, nicht in der technischen Welt. Ich glaube, das ist einer der entscheidenden Fehler unserer heutigen Welt: Wir kommen immer mehr ab von dem, was da ist, von diesem großen Geschenk, wir nehmen es nicht einmal mehr wahr. Wir rackern uns ab mit technischen Problemen. Wenn ich in der Stadt hätte leben müssen, wäre ich mit Sicherheit schon lange gestorben, schon lange tot. Ich habe das Glück, dass ich hier auf der Rittimatte im Paradies lebe – und wenn man im Paradies lebt, will man ja nicht so schnell weg.

Hat auch das LSD dabei eine Rolle gespielt, dass du so lange geistig wach und jung geblieben bist?
Ich müsste zwei Leben haben, um das zu beantworten: eines mit und eines ohne LSD. Dann könnte man das wissenschaftlich beurteilen. So kann ich das ja nicht. In meinem Buch LSD – Mein Sorgenkind steht ja am Anfang dieses mystische Naturerlebnis als Kind, das ja absolut einem LSD-Erlebnis glich, dieses Einssein mit der Natur. Irgendwie, glaube ich, war mir das angeboren.

Zum ersten Mal hergestellt 1938 und dann in der Schublade verschwunden – und 1943, bei einer Frühstückspause mit Milch und Honigbrot im Labor, kam dir die Idee, dass an dieser Verbindung möglicherweise etwas dran sein könnte, und bei der erneuten Herstellung geschah dann die Entdeckung der erstaunlichen Wirkung … zum selben Zeitpunkt, als gerade die erste Atombombe konstruiert wurde, auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs. Du warst zu dieser Zeit auch Offizier in der Schweizer Armee und musstest monatlich zum Dienst bei der Grenzsicherung?
Ja, immer für drei Monate war ich weg, im Tessin, die Südgrenze bewachen, gegen Mussolini.

Und hast mitten im Krieg die Substanz entdeckt, die als «geistige Atombombe» bezeichnet wurde. Würdest du die alte Hippie-Parole unterschreiben, dass, wenn alle Generäle einen erfolgreichen LSD-Trip unternehmen, mehr oder weniger automatisch der Weltfrieden eintritt?
Das kann ich auch nicht beantworten. Man müsste es wissenschaftlich untersuchen. Aber ich denke, es wäre einen Versuch wert. In diesem Zusammenhang fällt mir eine Geschichte ein: Irgendwann kam einmal eine junge Frau in mein Laboratorium. Ich fragte sie, wie sie hier in die Fabrik überhaupt hineingekommen sei, und sie antwortete auf Englisch: «I can pass everywhere, I am an angel.» Und sie sagte: «Sie müssen mir helfen, dass der amerikanische Präsident LSD bekommt.» Sie hieß Johanna, wie die heilige Johanna der Franzosen. Ich wunderte mich immer noch, wie sie überhaupt in das Sandoz-Gebäude hineingekommen war. Aber ich konnte ihr natürlich nichts geben.

In den 70er Jahren hast du mit Gordon Wasson und Carl Ruck in einem Buch («Der Weg nach Eleusis») das Geheimnis der Eleusinischen Mysterien gelüftet, mit der These, dass im Mittelpunkt dieses Rituals, der wichtigsten spirituellen Instanz des gesamten antiken Abendlands, ein LSD-Erlebnis stand. Auch die dort Initiierten sprechen von einem neuen Verständnis des Einsseins mit der Natur, des Lebens und des Todes. Könnte es sein, dass die Vermauerung der Sinne durch Technik, die wir angesprochen haben, damit zu tun hat, dass mit dem Abbruch dieser Tradition auch ein Faden gerissen ist, der unmittelbare Kontakt mit der Natur?
Das ist sicher so. Die großen Geister, Staatsmänner und Philosophen, die gesamte Elite jener Zeit, waren mindestens einmal im Leben in Eleusis. Wir müssen wieder lernen, überhaupt wahrzunehmen, was die Natur, die Schöpfung ist. Ich habe das in meinen beiden Büchlein Einsichten, Ausblicke und Lob des Schauens angesprochen: Wir müssen wieder sehen lernen. Sehen, was wichtig ist und von was wir eigentlich leben: von der Natur oder von der Maschine, von der Technik? Ich habe dort gezeigt, wie wunderbar die Natur ist und wie unfassbar, allein der Aufbau und die Planung der Organismen, die Schöpfung! Wenn der Naturwissenschaftler kein Mystiker wird, ist er kein Naturwissenschaftler. Und das ist es ja auch, was die Menschen in Eleusis erlebten: Erleuchtung. Erkennen, was wichtig ist. Zu meinen schönsten Erlebnissen zählte immer wieder, wenn junge Leute zu mir kamen. Einmal kam ein junger Mann, der sich bedankte und sagte: «Ich bin in der Stadt aufgewachsen, doch seit ich einmal LSD genommen habe, gehe ich wieder in den Wald.» Er hat erkannt, was wirklich wichtig ist: nicht die Häuser, Fabriken, Büros, das brauchen wir und benutzen wir, aber das, wovon wir leben, ist die Sonne und der Mond und die Erde, die Wiesen und die Blumen. All das, was wächst, das Lebendige. Das ist es, was wir brauchen. Was der Mensch gemacht hat, ist wunderbar, aber sekundär. Und er macht so tolle Sachen, dass es ihm schadet. Wenn man sich jetzt nicht mehr in die Augen schauen muss, wenn man miteinander redet, wenn man mehr und mehr der Maschine überlässt, die immer perfekter wird, was soll das dann werden? Wir haben nur ein Bewusstsein – und das ist entweder angefüllt mit dem Leben der Maschinen oder dem Wunder der Natur. Um diese wieder sehen zu lernen, muss eine Veränderung des Bewusstseins eintreten. LSD ist das stärkste Instrument für eine Bewusstseinsveränderung. Unser Bewusstsein setzt sich aus all dem zusammen, was wir mit den Sinnen aufnehmen, an Licht, Wärme, Nahrung, aus dem, was ich sehe, höre, esse und so weiter. Das ist eine ganze Menge, die da aufgenommen wird. Von LSD jedoch braucht es nur eine Spur, ein winziges Staubkörnchen. Das verändert unser Bewusstsein völlig. Unsere Welt ist aus Energie und Materie aufgebaut. Doch mit solch einer winzigen Spur von äußerlicher Substanz, die unser Inneres so verändert, sind wir an der Grenze von Geist und Materie. Das ist etwas ganz Einmaliges. Es ist in diesen Pflanzen enthalten, die seit 3000 Jahren als sakrale Drogen verwendet werden – in denen ich dann diese LSD-ähnlichen Verbindungen entdeckt. Deshalb gehört auch LSD in die Gruppe der sakralen Drogen. Aber jetzt fange ich an zu erzählen, was ich in den Büchern schon alles und viel besser geschrieben habe.

Nein, nein, wir sind begeistert, es noch einmal zu hören, und du erzählst wunderbar. Ich würde auch gern noch etwas zu dem Modell des Bewusstseins hören, das mir in seiner Einfachheit sehr eingeleuchtet hat und das du Sender-Empfänger-Modell genannt hast? Der ganze Planet als Sender und jedes einzelne Bewusstsein als Empfänger?
Unsere Sinne sind die Antennen, darüber kommt alles herein, das Bewusstsein ist der Empfänger. Alles, was wir im Bewusstsein haben, ist irgendwann einmal durch die Sinne hineingekommen. Bei Geburt ist es gleichsam ein leeres Bewusstsein und wird dann durch all das gefüllt.

Und ein paar Millionstelgramm LSD verändern die Wahrnehmung dramatisch. Es ist nicht nur einfach das bekannte Bild, ein bisschen verzerrter oder bunter. Ist es ein völlig anderes Programm?
Weil LSD unsere Sinne verändert, man sieht besser, man hört besser, alles wird intensiviert. Insofern hatte auch Timothy Leary recht, als er behauptete, es sei auch das größte Aphrodisiakum. Der Mechanismus des LSD ist ganz einfach: Die Tore der Wahrnehmung werden geöffnet, und wir sehen plötzlich mehr. Von der Wahrheit.

Und das ist manchmal sehr verwirrend …
Ja, man erschrickt. Man hat ein völlig anderes Bild, und das kann einen furchtbar erschrecken. Deshalb sagen die Indianer: Bevor ich den heiligen Pilz nehme, muss ich fasten, muss beten, muss rein sein, dann bringt mich der Pilz dem Göttlichen näher. Und wenn ich das nicht mache, tötet er mich oder macht mich wahnsinnig. Das haben die Indianer gesagt, lange, lange bevor LSD und Psilocybin entdeckt wurden. Und die amerikanische Jugendbewegung, die es ja gut meinte, hat sich daran nicht gehalten, sie haben es zu oberflächlich genommen, sie haben sich nicht vorbereitet.

Dieses alte Wissen wurde anfangs nicht vermittelt, die meisten, die LSD nahmen, wussten nicht, was es ist, und kamen erst mit der Zeit dazu, damit richtig umzugehen …
Das ging alles zu schnell. Es hätte sich entwickeln müssen, die Erkenntnis, dass es etwas Sakrales ist, das heißt, die Wiederentdeckung, denn eigentlich ist es schon seit mindestens 3000 Jahren bekannt, dass es etwas Besonderes ist.

Das haben Tim Leary und seine Kollegen in Harvard, Ralph Metzner und Richard Alpert, ja eigentlich auch getan, sie haben auf die Wichtigkeit von «Set & Setting» hingewiesen und das alte Ritualwissen gewissermassen in die Neuzeit transportiert. Aber Leary hat LSD gleichzeitig – typisch amerikanisch – auch angepriesen wie ein Wanderprediger oder Handelsvertreter.
Er hat es ja jedem geradezu aufgedrängt. Etwas, was ich nie getan habe. Dennoch bin ich überzeugt, dass die Menschheit lernen wird, damit umzugehen in Zukunft. Und wenn man überlegt wie so ein modernes Eleusis aussehen könnte, dann wäre das zuerst ein Ort, eine schöne natürliche Umgebung, in der man Meditationsferien macht, wo man fastet, ruht und betet, sich vorbereitet. Und wo dann solche Substanzen ihrem Sinn entsprechend angewendet werden. Der Priester von Eleusis wusste, weil jeder einen Vorbereitungskurs machen musste, die richtige Dosierung für jeden Einzelnen. Wir wissen ja heute eigentlich auch alles, um dafür zu sorgen, dass es nie einen schlechten Trip gibt.

Parallel mit der psychedelischen Bewegung ab Ende der fünfziger Jahre hat ja ohnehin eine Hinwendung zu östlicher Philosophie, Meditation, zur Ökologie und Natur stattgefunden. Glaubst du, dass LSD dabei eine Rolle gespielt hat?
Es hat viele Leute auf gute Ideen gebracht, und diejenigen, die zur Natur zurückgefunden haben, sind gerettet. Manche sind aber auch in der Hölle gelandet und kamen nicht mehr raus. Viele aber haben etwas entdeckt, was es in unserer Gesellschaft fast gar nicht mehr gibt: das Heilige.

Hat dieses Heilige mit dem, was unsere Kirchen verwalten, etwas zu tun?
Ich glaube sehr viel, wenn man sich an Jesus hält. Ich bin Christ, und Jesus hat gesagt: «Seht die Lilien auf dem Felde, sie sind wunderbarer als der Palast von David, seht die Vögel … der Vater im Himmel sorgt für sie.» Er hat die Händler und Schriftgelehrten aus dem Tempel gejagt und gesagt: «Geh in dein Kämmerlein und in den direkten Kontakt zu Gott.» Nur der einzelne Mensch kann in Kontakt zu Gott treten, nicht die Kirche. Nur der Einzelne kann sehen, kann erfahren, hat ein Bewusstsein, das die Welt, wie wir sie sehen, hervorzaubert. Auch bei diesem Kontakt mit Gott geht es ja um unser Bewusstsein, deshalb ist die wissenschaftliche Erforschung des Bewusstseins so wichtig. Damit stehen wir noch sehr am Anfang, und das LSD ist das wichtigste Mittel dazu, ein Werkzeug. Aber wie gesagt, wir stehen noch ganz am Anfang in der Bewusstseinsforschung. Und ich hoffe sehr, dass sie weitergeht, denn wir brauchen eine Art neues Eleusis, sonst wird unsere Welt untergehen. Unsere politischen Führer heute wissen doch nichts, sie wissen nicht, was auf der Erde wichtig ist, sie haben kein Wissen, was der Mensch wirklich braucht, dass er von und in der Natur lebt. Aber dieses Wissen müssen wir wiedergewinnen, wenn die Menschheit nicht untergehen soll. Der Naturwissenschaftler, der dieses Wunder nicht sieht, nimmt sich nur etwas von der Mechanik der Natur, das, was er für seine Technik brauchen kann. Und dann macht er Waffen daraus, die Atombombe. Dabei könnten wir aus der Erde einen Paradiesgarten machen, es wäre alles dafür da, die Methoden, die Hilfsmittel … Nur da fehlt es noch: am Bewusstsein.

Ich würde gerne noch über deine Wegbegleiter und Freunde sprechen. Du hattest ja mit vielen Persönlichkeiten zu tun, wie zum Beispiel mit Ernst Jünger, mit dem zusammen du auch LSD-Reisen gemacht hast?
Mit Jünger verband mich eine über 50-jährige Freundschaft, ich war einer der wenigen seiner Freunde, mit denen er per Du war; mit Klett zum Beispiel, seinem Verleger, war er auch sehr verbunden, aber sein Lebtag per Sie. Diese LSD-Versuche mit Jünger habe ich ja ganz ausführlich beschrieben; wenn ich das jetzt alles erzählen wollte, säßen wir morgen früh noch hier.

Mit Laura Huxley, der Frau von Aldous Huxley, verbindet dich ja auch eine lange Freundschaft. Sie gab ihrem Mann, als er starb, auf seinen Wunsch LSD. Huxley benutzte es sozusagen zum Übergang in einen anderen Bewusstseinszustand, er war überzeugt, dass die Seele nach dem Tod weiterlebt. Wie stehst du zu dieser Art von LSD-Verwendung, gewissermaßen als Sterbehilfe?
LSD wurde schon vor Jahrzehnten in dieser Richtung verwendet, bei sterbenden Krebskranken, wo selbst Morphine nicht mehr gegen die Schmerzen wirkten. Ich bin überzeugt, dass das künftig auch ein Thema werden wird, dass man mit LSD diesen Übergang erleichtern kann. Nichts kann aus Nichts entstehen, und aus etwas, was ist, kann nicht nichts werden, es gibt nur Umwandlungen. Irgendwann hat jemand Jünger gefragt: «Glauben Sie, dass das Leben nach dem Tod weitergeht?» und er antwortete: «Nein, ich weiß es!» Das kann man auch als Naturwissenschaftler verstehen. Wir können nicht sagen, woher wir kommen. Dass irgendeine Supermaterie am Anfang stand und dann knallte und den Raum erzeugte: Das ist doch alles dummer Mist. Darüber wissen wir nichts, das ist das große Wunder. Aus unseren Erfahrungen können wir nur sagen: Es gibt nichts, das aus Nichts entsteht, und nichts, das zu Nichts zerfällt. Es gibt immer nur den Wandel. Wenn man die Naturwissenschaft und alle ihre Entdeckungen weiterdenkt, stößt man immer wieder auf ein Geheimnis. Ich habe unlängst eine CD mit den Vorträgen Einsteins gehört, dort spricht er darüber. Er sagt wörtlich, ich habe mir den Satz gut gemerkt: «Das Schönste und Tiefste, was ein Mensch erfahren kann, ist das Gefühl des Geheimnisvollen.» Wenn man in das Tiefste der materiellen Wirklichkeit vorstößt, stoßen wir auf dasselbe Mysterium, das auch schon die Menschen in Eleusis erfahren haben. Auch Cicero zum Beispiel spricht davon, dass er «den Anfang und das Ende des Lebens» gesehen habe. Das ist ungefähr dasselbe wie dieser Satz von Einstein. Für alle die Menschen damals war Eleusis das Tiefste und Schönste und gleichzeitig das Geheimnisvollste, was sie je in ihrem Leben erfahren haben.

«Aufgrund dieses leider etwas dramatisch ausgefallenen Selbstversuches kann gesagt werden, dass das d-Lysergsäurediäthylamid eine der physiologisch wirksamsten, wenn nicht die wirksamste bis anhin bekannte Substanz darstellt.»
Albert Hofmann aus dem Original-Protokoll S. 76–77

In den ersten zehn Jahren nach seiner Entdeckung galt LSD, unter dem Arzneinamen Delysid, als wahres Wundermittel in der Psychotherapie, es gab hunderte Wissenschaftlerarbeiten und Studien dazu; dann kann das Verbot, die Dämonisierung als Teufelsdroge und so weiter. Jetzt scheint das Pendel wieder zurückzugehen zu größerer Akzeptanz.
Vor allem weil man entdeckt hat, dass diese Pflanzen, in denen man schon vor 3000 Jahren Stoffe wie LSD oder Psilocybin gekannt und benutzt hat, mit den Substanzen in unserem Gehirn, wie Serotonin, sehr eng verwandt sind. Die Pflanzen geben uns Nahrung, sie geben uns Heilmittel, und sie geben uns auch Medikamente für das Bewusstsein. Die Pflanze produziert aus dem Sonnenlicht unsere Nahrung und unsere Atemluft. Und unser Bewusstsein ist letztlich nichts anderes als die höchste Umwandlung dieser Sonnenenergie. Wir sind Sonnenkinder! Unser menschliche Energie ist Sonnenenergie, entstanden aus dem Atomreaktor, den der Herrgott genügend weit weg gesetzt hat, dass er uns nicht gefährlich werden kann. Nur das Gute kommt von der Sonne; der Ballast, der Atommüll, bleibt oben. Der Mensch, dieser Idiot, glaubt, er müsste die Sonne auf die Erde holen und hier Atomkraftwerke bauen. Es ist Prometheus, der den Menschen sagt, dass sie die Sonne nicht brauchen und er ihnen das Feuer vom Himmel holt. Für diesen Übermut wird er von Zeus bestraft und muss unendliche Schmerzen erleiden, weil er den Schöpfer beleidigt hat. In diesem Mythos ist schon alles erzählt. Die Griechen waren ein geniales Volk.

Doch die Menschheit ist dabei, sich mit diesem Geschenk des Prometheus selbst zu eliminieren, mit dem Feuer aus Öl und Kohle das Klima und die globalen Kreisläufe zu ruinieren und mit Atomkraft Leben auf Jahrtausende zu vernichten…
Als ich in einem Buch einmal über den «Atomreaktor Sonne» geschrieben habe und die naheliegenden Dinge, die wir hier besprochen haben, erhielt ich eine Einladung von Atomphysikern, darüber einen Vortrag zu halten. Die wussten das alles schon, aber sie hatten dieses ganz Einfache aus dem Blick verloren, sie konnten es nicht formulieren. Dass doch alles schon da ist, dass die Pflanzen und die Natur alles bieten, was wir brauchen, die Sonne genügend Energie liefert und dass nur die Menschen saudumm sind. Da fällt mir noch ein zu deiner Frage ganz am Anfang, nach den Methoden des Altwerdens: Unlängst rief mich ein Mann aus Basel an, der Kunsthändler Beyeler, der da die Art Basel und das Museum organisiert, und fragte, ob er mich besuchen dürfte. Und ich sagte Ja, und als er dann kam, wollte er wissen, wie ich, wo ich doch so alt bin und es mir anscheinend noch so gut geht, wie ich das gemacht habe, mit welcher Lebensweise, und er fragte: «Man sagt von Ihnen, Sie essen jeden Morgen ein frisches Ei, stimmt das?» Und ich antwortete: «Nein, das stimmt nicht: zwei!» Er schrieb mir dann später, wie schön er die Rittimatte hier gefunden hatte, diesen Platz. Auch meinen amerikanischen Kollegen, mit denen ich die Zauberpilze erforschte, ging es so, Gordon Wasson und Dick Schultes, der das botanische Museum in Harvard leitete und als Erster die Pilze beschrieben hat. Gordon Wasson hat sich hier gleich einen Monat eingenistet, weil es ihm so gefiel, und das Vorwort zu einem Buch geschrieben.

Professor Schultes hatte erstmals Ende der vierziger Jahre über diese Pilze und ihren sakralen Gebrauch im Amazonasgebiet geschrieben – aber er hat sie nicht selbst genommen?
Ja, er hat sie nur beschrieben, aber er hat die Kontakte zu den eingeborenen Indianern hergestellt, in diesen entlegenen Siedlungen, zu denen Gordon dann später reiste.

LSD

Lysergsäurediethylamid, kurz auch LSD, ist ein chemisch hergestelltes Derivat der Lysergsäure, die als Mutterkornalkaloid natürlich vorkommt. LSD ist eines der stärksten bekannten Halluzinogene. Es ruft schon in sehr geringen Dosen lang andauernde pseudohalluzinogene Wirkungen hervor. Pharmakologisch gehört LSD zur Gruppe der serotoninverwandten psychedelischen Substanzen.

 

Gordon Wasson war dann der erste Weiße, der an einem solchen Ritual teilnahm und dann in einem Artikel im «Life»-Magazin 1957 darüber berichtet.
Damit ging das alles los, und alle sagten: «Der Gordon Wasson spinnt!» Und Gordon war ja ein seriöser Banker und war beleidigt und sagte: «Nein, ich spinne nicht!» und er ließ das untersuchen, von Botanikern und von Chemikern in Amerika an verschiedenen Universitäten, aber die haben nichts gefunden. Dann hat er die Pilze an Professor Heim nach Paris geschickt, der auch nichts fand, aber der meine Arbeiten zum LSD kannte und dem auffiel, dass die Berichte Wassons und die Erlebnisse der Indianer dort ganz ähnlich waren wie die Berichte von LSD-Erfahrungen. Er fragte mich, ob ich diese Pilze nicht einmal untersuchen könnte. Das LSD hat mir also die Pilze gebracht. Als sie ankamen, habe ich sie erst mal gegessen. Und dann bin ich zu meinen Kollegen und habe sie gefragt, ob sie die Untersuchung machen wollen und diesen LSD-ähnlichen Wirkstoff finden, aber keiner wollte. Einer sagte: «Sie wissen doch, dass alles, was mit LSD zu tun hat, beim Management sehr unerwünscht ist, und ich will nicht auf einem Gebiet arbeiten, das bei der obersten Führung nicht erwünscht ist.» Ja, und dann habe ich es mit einem Laboranten eben selbst gemacht. Und weil ich wusste, worum es ging, haben wir den Wirkstoff, das Psilocybin, schnell gefunden. Alle die anderen vorher hatten Tierversuche gemacht, aber da kannst du nichts erkennen, du musst es schon selbst nehmen. So war es ja auch beim LSD; unsere Pharmakologen haben die Wirkung zuerst auch nicht entdeckt. Deshalb sage ich ja auch, dass das LSD zu mir gekommen ist, als ich es nach fünf Jahren noch einmal herstellte und es in die Pharmakologie geben wollte. Aber die hätten wieder nichts gefunden. Nur weil ich, und ich weiß bis heute nicht wie, beim Herstellen der Substanz damit in Kontakt kam, habe ich die Wirkung bemerkt. Und bin dann nach Hause, habe mich hingelegt und hatte diese wunderbaren Träume. Alles, was ich mir dachte, sah ich im Bild. Ich überlegte, mit was ich im Labor zu tun gehabt hatte, und dachte zuerst an dieses Lösungsmittel, so etwas wie Chloroform, das ich vielleicht eingeatmet hätte. Doch das Lysergsäurediethylamid hatte ich ja nur umkristallisiert und nichts davon eingenommen. Und du arbeitest doch absolut sauber, dachte ich mir. Wenn es das gewesen sein sollte, müsste es ja geradezu saumäßig wirksam sein. Als ich Montag wieder im Labor war, nahm ich dann die kleinste Menge davon ein, die man sich überhaupt denken kann. Und das war, wie sich später herausstellte, noch fünf Mal zuviel und brachte mich dann auf einen Horrortrip. Aber dieses erste Mal, mit diesen Träumen, dazu kann ich nur sagen: Das LSD hat mich gerufen, ich habe es nicht gesucht. Es ist zu mir gekommen, es hat sich gemeldet.

Du warst sein Versuchskaninchen, du hattest die nötige Offenheit, von diesem Kindheitserlebnis an, diese Wahrnehmungsfähigkeit für das Wunderbare …
Wenn sich das LSD nicht von sich aus gemeldet hätte, wäre die Substanz wieder in die Pharmakologie gekommen, und die hätten wieder nichts gefunden und damit fertig, Schluss. Aber es hat mich erwischt, irgendwie, es hat sich mir offenbart.

Das hatte nicht nur auf dein Leben und dein Bewusstsein, sondern auf das von vielen und auch auf unsere gesamte Kultur einen sehr großen Einfluss; die kulturelle Transformation der Gesellschaft in den 60er und 70er Jahren wurde stark von den massenhaften LSD-Erfahrungen beeinflusst.
Allein mehr als drei Millionen Amerikaner haben es genommen, aber viele von ihnen haben auch sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Bis dahin war LSD ja sehr erfolgreich in der Therapie eingesetzt worden, etwa bei psychiatrischen Patienten, die nicht mehr ansprechbar, autistisch waren. Im Prospekt war diese stimulierende, das Bewusstsein öffnende Wirkung beschrieben, und es wurde dem Arzt empfohlen, das Mittel selbst zu probieren, bevor er es seinen Patienten gibt. Das ist auch etwas ziemlich Einzigartiges und Eigenartiges. Sehr viele Ärzte haben damit gearbeitet, und für viele war es das reinste Wundermittel, vor allem bei solchen Patienten, die nicht mehr ansprechbar, keiner Psychotherapie oder Psychoanalyse zugänglich waren. Ich habe damals rührende Briefe von Patienten bekommen, die durch die LSD-Therapie von jahrelangen Qualen oder Schmerzen befreit worden waren. Solange das alles in wissenschaftlichen Bahnen lief, war LSD also ein Wundermittel. Dann kam das Verbot. Nicht einmal Ärzte haben dazu mehr Zugang. Sie können es auch nicht, wie Morphin, kontrolliert beziehen, schon die Herstellung ist verboten. So wie Besitz und Anwendung – ein Totalverbot.

Weil es angeblich keine medizinische Bedeutung hat. Was die eben erwähnten Erfahrungen aus den fünfziger Jahren ja klar widerlegen. Nicht nur bei Patienten. Tim Leary hat Therapiestudien mit Schwerkriminellen und Strafgefangenen gemacht, die erstaunliche Resozialisierungsquoten zeigten.
Ja, es gibt Hunderte Forschungsarbeiten dazu. Auch dass LSD keine Sucht erzeugt, ist bewiesen. Aber es ist vom Gesetz als Sucht- und Betäubungsmittel deklariert.

Ernst Jünger hat ja dafür plädiert, dass LSD nur Auserwählten zugänglich sein soll.
Ja, er war da ein bisschen … er wollte das irgendwie nur für die Elite. Während Huxley und später Leary sich für die kontrollierte Anwendung für jedermann einsetzten. Huxley wollte ja so etwas wie eine neue Religion erreichen. Das hatte Jünger nie im Sinn. Er wollte die Eliten mit einbeziehen, beziehungsweise meinte er, die kämen schon von selbst dazu, das breite sich aus in ihren Kreisen und das würde genügen.

Arthur Koestler, ein Freund von Huxley, hat sich einmal kritisch geäußert und LSD mit einem Skilift verglichen.
Die Geschichte mit dem Bergsteiger, der zum Fuß zum Gipfel aufsteigt, der den Berg erobert, und dem anderen, der einfach mit dem Lift hinauffährt.

Nach Koestlers Ansicht muss man all die Qualen auf sich nehmen, um das richtige Gipfelerlebnis zu haben – aber Huxley erwiderte, dass die Aussicht dieselbe sei. Wie siehst du das?
Man muss schon wandern. Man muss sich innerlich vorbereiten, und das allein ist oft schon schwer genug. Viele Leute wissen ja gar nicht, was Meditation ist. Aber jetzt sollten wir mal ums Haus wandern, in die herrliche Sonne draußen, und die Stille anhören.

Mathias Bröckers und Roger Liggenstorfer