Dass psychedelische Erfahrungen zu einer langfristig veränderten Welt- und Selbstwahrnehmung führen können, ist bekannt. Nun fanden Forscher einen Effekt des Tryptamin-Psychedelikums 5-MeO-DMT auf Nervenzellen, der dies zum Teil erklären könnte.
Seit vielen Jahrhunderten nutzen indigene Völker die psychedelische Wirkung von Tryptaminsubstanzen wie N,N-Dimethyltryptamin (DMT), 4-PO-DMT (Psilocybin) oder 5-MeO-DMT zu spirituellen Zwecken. Die Begleitung nachhaltiger Lebensveränderungen wie Initiationsriten und Traumatherapien stehen oft im Mittelpunkt dieses traditionellen Gebrauchs. Ein Team von Wissenschaftlern um Vanja Dakic von der Universität in Rio de Janeiro, Brasilien, wollte die molekularen Grundlagen dieser lebensverändernden Wirkungen ergründen. Dazu erzeugten sie aus menschlichen embryonalen Stammzellen sogenannte neuronale Organoide –kleine dreidimensionale Verbände aus Nervenzellen, die sich als Modell zur Erforschung des menschlichen Gehirns eignen.
Die über mehrere Wochen hinweg gewachsenen Organoide wurden für 24 Stunden in verdünntes 5-MeO-DMT eingelegt und anschließend mittels Massenspektrometrie auf die in den Zellen enthaltenen Proteine hin untersucht. Die Forscher fanden insgesamt 6728 verschiedene Proteine in den Nervenzellen, von denen ganze 14 Prozent nach der 5-MeO-DMT-Behandlung in veränderter Konzentration vorlagen. Sehr viele der stärker konzentrierten Proteine sind dafür bekannt, bei der Ausbildung neuer neuronaler Zellfortsätze (Dendriten) und Synapsen beteiligt zu sein. So enthielten die Zellen deutlich mehr Proteine, die zum Aufbau des zelleigenen Zytoskeletts (beispielsweise Mikrotubuli) benötigt werden. Auch Proteine, die vom Körper zur Regulierung höherer Nervenarchitekturen genutzt werden, lagen nach der 5-MeO-DMT-Behandlung in oftmals erhöhter Menge vor. Darunter befanden sich Proteine, die von Forschern mit Lernen und Erinnern in Verbindung gebracht werden.
Neue neuronale Zellfortsätze und Synapsen bildeten sich.
Von besonderer Bedeutung scheint jedoch die Veränderung des Rezeptors mGluR5 zu sein, der bei der Entstehung von Sucht eine Rolle spielt; Ratten und Mäuse, denen das Gen für diesen Rezeptor entfernt wurde, wurden nicht von Kokain, Nikotin oder Alkohol abhängig. Die Konzentration dieses Rezeptors war in mit 5-MeO-DMT behandelten Nervenzellen signifikant herabgesetzt.
Dieser Befund deckt sich mit der Beobachtung, dass die Nutzung von Tryptamin-Psychedelika, beispielsweise in Form des traditionellen Ayahuasca-Tranks, einigen Nutzern beim Ablegen von Süchten zu helfen scheint. Man muss jedoch anmerken, dass dreidimensionale neuronale Organoide das menschliche Gehirn nicht fehlerfrei abbilden können. Zudem wurden die Nervenzellen dem 5-MeO-DMT deutlich länger ausgesetzt als beim üblichem Konsum durch Trinken oder Rauchen. Dennoch deuten die Autoren diese Ergebnisse als ersten zellbiologischen Nachweis für die nachhaltig geistbewegende Kraft der Tryptamin-Psychedelika.