Psychedelika regen Nervenzellen dazu an, sich zu vernetzen

LSD zeigte sich insgesamt am potentesten. Foto: ZVG
LSD zeigte sich insgesamt am potentesten.
Foto: ZVG

Viele Menschen berichten, dass psychedelische Substanzen, wie LSD oder Zauberpilze, in ihnen langfristige, teilweise «lebensverändernde» Denkprozesse ausgelöst haben. Da diese Effekte weit über den Rausch hinaus anhalten, entstand die Hypothese, dass Psychedelika das Wachstum von Nerven im Gehirn beeinflussen könnten.
Wissenschaftler um David Olsen aus Kalifornien, USA, haben nun die Auswirkungen verschiedener psychedelischer Substanzen auf Nervenzellen in lebenden Organismen und in künstlichen Zellkulturen untersucht. Die Forscher wählten für ihre Experimente Psychedelika mit möglichst unterschiedlichen chemischen Strukturen, darunter LSD (ein Mutterkornalkaloid), N,N-DMT und Psilocin (Tryptamine), DOI und MDMA (psychedelische Amphetamine) und Ibogain (Iboga-Psychedelika). Außerdem wurden der körpereigene Botenstoff Serotonin sowie nichtpsychedelisches Amphetamin getestet – Substanzen die den Psychedelika chemisch sehr ähnlich sind, ohne jedoch psychedelisch zu wirken.

Alle Psychedelika erhöhten die Anzahl der Nervenverzweigungen.

Die Reinsubstanzen wurden an Fruchtfliegenund Zebrafischlarven verfüttert sowie auf isoliert wachsende Nervenzellen in Petrischalen gegeben. Dabei wählte man absichtlich Dosierungen, wie sie auch im Gehirn bei psychedelischen Erfahrungen vorkommen. Nach einmaligem Kontakt mit je einer der Substanzen ließ man die Organismen und Nervenzellen einige Tage bzw. Wochen wachsen. Danach wurden alle Nervenzellen mikroskopisch untersucht und dabei ihre Länge, die Anzahl ihrer Verzweigungen und die Dichte ihrer Synapsen gemessen.
Die Ergebnisse fielen eindeutig aus: Alle psychedelischen Substanzen erhöhten die Anzahl der Verzweigungen an den Nervenzellen sowie die Dichte an funktionalen Synapsen. Diese Effekte traten nicht bei Serotonin oder nicht-psychedelischem Amphetamin auf. LSD zeigte sich insgesamt am potentesten und führte fast zu einer Verdoppelung an Verzweigungen. Zudem war es auch in extrem geringer Dosierung immer noch leicht wirksam. Dies könnte ein erster wissenschaftlicher Hinweis zur Wirksamkeit von LSD-Mikrodosierungen in Organismen sein.
Überraschenderweise zeigte das pflanzliche Psychedelikum Ibogain keinen Effekt auf die Nervenzellen. Erst das davon abstammende Stoffwechselprodukt Noribogain war wie die anderen Psychedelika wirksam. Dies widerspricht der aktuellen Ansicht, dass Ibogain der aktive Wirkstoff der Iboga- Pflanze sei. Stattdessen könnte die psychedelische Wirkung vom Stoffwechselprodukt Noribogain ausgehen.
Durch Zugabe des Anti-Psychedelikums Ketanserin konnten die Effekte aller Substanzen auf die Nervenzellen komplett verhindert werden. Da Ketanserin gezielt den «Psychedelik-Rezeptor» 5-HT2A blockiert, wurde damit gezeigt, dass dessen Aktivität für die Effekte auf die Nervenzellen notwendig ist.
Die Autoren sehen in diesen Ergebnissen starke Hinweise, dass Psychedelika tatsächlich die Ausbildung neuer Verknüpfungen im Gehirn anregen können. Allerdings blieben im Gehirn bekanntlich nur diejenigen Nervenverknüpfungen bestehen, die regelmäßig aktiv genutzt werden.

Ly et al. 2018: Psychedelics Promote Structural and Functional Neural Plasticity, Cell Reports.

Linus Naumann