Bewusstseinserweiterung – nüchtern betrachtet

Wir reden von Bewusstsein, wir verändern unser Bewusstsein – und im besten Fall erweitern wir es. Das Wort selbst setzt sich aus «Wissen» und «Sein» zusammen, abgeleitet vom lateinischen conscientia, «Mitwissen». Wo aber ist unser Bewusstsein ‹zuhause› und wie integrieren wir es in unser Leben? Von Albert Hofmann, dem LSD-Entdecker, findet sich im Interview in der Lucy’s-Nullnummer folgende Erklärung: … das Bewusstsein ist der Empfänger. Alles, was wir im Bewusstsein haben, ist irgendwann einmal durch die Sinne hineingekommen – bei der Geburt ist es gleichsam ein leeres Bewusstsein und wird dann durch all das gefüllt.

 

Integration ins Leben

Wir können unser Bewusstsein anreichern, verändern und erweitern – durch innere Reisen wie Meditation, entheogene Substanzen und Yoga, aber auch durch Reisen und Erlebnisse im äußeren Raum, eine Weltreise oder eine Wanderung in der Natur zum Beispiel. Durch verschiedene Methoden der Bewusstseinsarbeit sollten wir fähig sein, diese Erfahrungen in unseren Alltag zu integrieren. Durch die vielen gesellschaftlichen Ablenkungen, eine omnipräsente digitale Vereinnahmung sowie durch den Einfluss von Werbung und Medien werden wir zu konditionierten Wesen, welche die Konsequenzen einer selbstschädigenden Lebenshaltung weitgehend ignorieren.

Wenn wir in der Geschichte zurückblicken, sehen wir eine Kohärenz zwischen der psychedelischen Geburt der 60er Jahre und der Friedensbewegung (entstanden aus dem Aufstand gegen den Vietnamkrieg sowie dem Woodstock-Festival), der Ökobewegung (u. a. den Anti-AKW-Demos), der Frauenbefreiungsbewegung, dem naturverbundenen, ganzheitlichen Denken und dem Vegetarismus sowie östlichen spirituellen Methoden. Die Flower-Power-Bewegung hat damals zwar kräftig Substanzen konsumiert, hauptsächlich Haschisch und LSD, aber daraus sind viele nachhaltige Aktivitäten entstanden. Zahlreiche kulturhistorische Fakten belegen, dass es ohne die Einnahme von Psychedelika heute keine derart ausgeprägte spirituelle oder ökologische Bewegung gäbe.

Aus der Sicht der Polit-Fundamentalisten dröhnten sich die ‹Druggies› weg von der politischen Arbeit: Drogen waren ihnen wichtiger als Demos. Doch ein psychonautisches Leben schließt die Teilnahme an politischen Prozessen nicht aus – im Gegenteil!

Beispiele für unbewusstes Handeln

Bedenklich sind Partys, die am Morgen wie eine Müllhalde aussehen. Trotz bewusstseinserweiternder Substanzen führt man dem Körper durch unreflektierten Konsum Schädliches zu: dubiose Drogen (oft in fragwürdigen Kombinationen), ungesundes Essen usw.: Man trinkt aus Plastikbechern und wirft diese ebenso wie die Zigarettenstummel hirnlos weg. Mit dieser ‹Nach mir die Sintflut›-Haltung kommen wir nicht weiter.

Wenn ich ein bewusstes Leben führen will, dann sollte ich meine Mitgeschöpfe, Menschen, Tiere und Pflanzen, achten und schätzen. Kann ich dann aber mit klarem Bewusstsein und ruhigem Gewissen Fleisch aus Massentierhaltung essen? Tiere, die nie Tageslicht gesehen haben, die erbärmlich dahinsiechen und angsterfüllt sterben? Ihre Angsthormone und die zuvor verabreichten Antibiotika essen wir dann scheinbar genüsslich mit, ohne uns dessen bewusst zu sein. Eine Ignoranz mit weitreichenden persönlichen wie ökologischen Konsequenzen.

Es gäbe noch viele solcher Beispiele. Jeder Einzelne sollte immer wieder seine täglichen Handlungen reflektieren und versuchen, bewusster zu leben. Mehr Achtsamkeit im Alltag – und die bewusstseinserweiternden Erfahrungen hätten damit auch eine Langzeitwirkung.

Roger Liggenstorfer, Herausgeber