Christian Rätsch, der Yeti und Psytrance

„The Mystery of the Yeti“

CC-BY-SA Dirk Netter

Text: Dirk Netter

The Mystery of the Yeti war in seinem Erscheinungsjahr 1996 eines der ersten Psytrance-Konzeptalben überhaupt und gilt als wegweisend für viele spätere Acts.

Gegründet wurde das Projekt von Raja Ram (1200 Micrograms, Shpongle) in Zusammenarbeit mit den Musikern Graham Wood (The Infinity Project), Stéphane Holweck, Loïc Van Poucke und Serge Souque (Total Eclipse) sowie Simon Posford (Hallucinogen).

Das Konzeptalbum erzählt eine Geschichte, die so manchem Freund des Psychedelisch-Extravaganten das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt: Die zwölf der Ältesten von zwölf Gemeinschaften im Himalaya haben denselben Traum: Ihnen wird offenbart, dass ein Zusammenhang zwischen dem Yeti und extraterrestrischem Leben existiert.

Geleitet von weiteren Visionen führen die Ältesten 2000 Menschen – bei Sternenlicht – aus ins tibetisch-nepalesische Hochland. Die Reisenden trommeln auf ihrem Weg konstante Rhythmen, während sie auf Kanus durch schnell fließende Gewässer treiben. Sie durchqueren den „Tunnel der verstorbenen Geister“, wo sie seltsame Geräusche und Stimmen wahrnehmen.

Einem heftigen Gewitter getrotzt, rauchen sie das heilige Sakrament und begeben sich, von ihren Trommeln geleitet, in Trance. Die Musik hat einen starken Effekt, die Reisenden brechen spontan in synchrone Freudenrufe aus. Mit Fackeln in den Händen arrangieren sie sich in einem großen Mandala.

Durch ihre gemeinsame Aufmerksamkeit beschwören sie einen Schamanen, der in einiger Höhe über ihnen levitiert. Dieser Schamane, gekleidet in farbenfrohes, pulsierendes Licht, führt einen ekstatischen Tanz auf.

Strahlen und Scheiben aus Licht schwirren um die Reisenden, die nun plötzlich den Yeti verstehen können. Das Licht erfüllt ihren Geist mit Poesie und Klang. Schlagartig erwachen sie zum kosmischen Bewusstsein. Der Schamane zeigt ihnen den Yeti: Ein weises, mitfühlendes außerirdisches Wesen. Der Yeti verändert daraufhin seine Form in eine komplexe, geometrische Figur und verschmilzt mit dem Schamanen.

Ein plötzlicher Blitz und die Entität verschwindet, an dessen vormaliger Stelle finden die Reisenden ein Schiff, das dazu in der Lage ist, durch andere Dimensionen im kosmischen Bewusstsein zu reisen.

Im Jahr 1999 erweiterten die Musiker dieses Konzeptalbum um einen zweiten Teil: „The Mystery of the Yeti, Part 2“.

Graham Wood steuerte keinen Track bei, dafür jedoch Sean Williams, Benji Vaughan sowie Nick Barber.

Die Alben waren zügig vergriffen, weshalb sie 2004 auf Raja Rams Label TIP Records neu aufgelegt wurden – mittlerweile sind auch diese Editionen vergriffen und nur noch auf den großen Streamingplattformen verfügbar (als physische Datenträger sind sie sehr selten im antiquarischen Handel verfügbar).

Auf dem zweiten Stück des Albums („The Herb Garden“) wurde ein Sample von Christian Rätsch verbaut, das erstaunlich gut ins Konzept passt:

„You have heard of the yeti? The abominable snowman. That is, of course, not an animal or a prehuman being: that is originally one of the shamans‘ gods. The real name is Banjhankri; that means the shaman of the forest. So, therefore, nobody will ever find the yeti in nature, because you have to go in trance, and then you can find the yeti easily.

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[…] The yeti loves to drink Schnaps, too, so he’s like a real shaman; and he—if you want to contact him, you have to put some alcoholic offerings in front of the forest.“

Zu deutsch etwa:

„Habt ihr vom Yeti gehört? Der schreckliche „Schneemann“. Es handelt sich dabei selbstverständlich weder um ein Tier noch um ein vormenschliches Wesen: Ursprünglich war er einer der Götter der Schamanen. […] Sein wirklicher Name ist Banjhankri; was „Schamane des Waldes“ bedeutet. Daher wird niemand jemals den Yeti in der Natur aufspüren, denn man muss sich in Trance versetzen. So kann man den Yeti dagegen sehr einfach finden.

[…] Der Yeti liebt es auch, Schnaps zu trinken, also ist er wie ein echter Schamane; und wenn man mit ihm Kontakt aufnehmen will, muss man ein paar alkoholische Opfergaben am Waldrand plazieren.“

Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine einmaliges Kuriosum, so ist ein weiteres Rätsch-Sample im Track „Nature of Reality“ von Quanta zu vernehmen. Aktiv hat er 2001 auf dem Album „Secret of the Runes“, der schwedischen Death-/Symphonic-Metal-Band Therion mitgewirkt – namentlich beim Songtext des Titels „Schwarzalbenheim“.

Samples von Tim Leary, Terence McKenna und Alan Watts sind in der Szene keine große Besonderheit – wohingegen Soundbites wie die von Rätsch eine erfrischende Ausnahme bilden.

 

Titelliste von „Mysteries of the Yeti“

1.

„The Call; The Journey“

15:30

2.

„Tribal Gathering“

14:32

3.

„The Yeti Revelation / Sacred Communication“

12:00

4.

„A ‚Welcome‘ to All Extraterrestrials“ (featuring Graham Wood)

14:55

Gesamtspiellänge: 56:57

 

Titelliste von „Mysteries of the Yeti, Part 2“

1.

„Under Mount Kailash“ (featuring Raja Ram)

16:45

2.

„The Herb Garden“ (featuring Raja Ram)

14:37

3.

„Freefalling Upwards“ (featuring Raja Ram)

15:21

4.

„High on Mount Kailash“

13:24

Gesamtspiellänge: 60:08