Terence McKenna, nicht ganz unernst als „Timothy Leary der 90er“ bezeichnet, wurde am 16. November 1946 geboren und wäre somit heute 73 Jahre alt geworden. Der US-amerikanische Autor und Ethnobotaniker erarbeitete sich durch seine charismatischen und sensationellen Vorträge einen Kultstatus innerhalb der psychedelischen Szene.
Bereits als Kind entwickelte er eine ausgeprägte Bibliophilie. So war er nicht nur ein Liebhaber von englischer Literatur und Ethnobotanik, sondern auch ein Sammler von spirituellen und okkulten Schriften. Zu seinen besonderen Vorlieben gehörten C.G. Jungs Beiträge zur psychologischen Deutung der Alchemie, sowie das mysteriöse Voynich-Manuskript. Die Lektüre von Aldous Huxleys „Doors of Perception“ gab er als Initialzündung für sein Interesse an psychedelischen Erfahrungen an.
Als Kind der 60er studierte er in Berkeley Kunstgeschichte, bis er schließlich ein interdiszipliäres und selbstorganisiertes Studium begann, dass er selbst nachträglich als „Studium in Schamanismus“ bezeichnete.
Nach den Studienjahren folgten zahlreiche Forschungsreisen nach Indien, Tibet und auch Südamerika, auf denen er beispielsweise dem Substanzgebrauch der präbuddhistischen Religionen auf den Ursprung ging.
„Speculations on Psychedelic Mushrooms, the Amazon, Virtual Reality, UFOs, Evolution, Shamanism, the Rebirth of the Goddess, and the End of History“ – die Themengebiete seines 1992 erschienenen Werkes Archaic Revival verdeutlichen die Unerschrockenheit und Bereitschaft zum Kuriosen, die McKennas denken prägte.
Beflügelt von psilocybinhaltigen Pilzen und DMT entwickelte er unglaubliche Theorien, die je nach Hörerschaft als visionär, wahnsinnig oder irgendwo dazwischen zu deklarieren sind.
In „Food Of the Gods“ entwirft McKenna die Idee, dass die Frucht vom biblischen „Baum der Erkenntnis“ nichts anderes sei als der heilige Pilz. Aufgrund der Erweiterung ihres Speiseplans mit diesem psilocybinhaltigen Pilz, hätten die Menschen Sprache und ein höheres Bewusstsein entwickelt. Indizien dafür sah er beispielsweise in der kulturübergreifenden Verehrung von Rindern – in deren Fäkalien die „Zauberpilze“ mit Vorliebe wachsen. Diese Theory wurde weithin als „Stoned Ape Theory“ bekannt.
Die bis heute Kontrovers diskutierte „Novelty Theory“, gilt jedoch als sein Hauptwerk, woraufhin die meisten seiner Ideen kulminieren. Basierend auf dem I Ging entwarf er ein mathematisches Modell, welches jede „Novelty“ (dt. etwa: Innovation, Neuheit) in der menschlichen Geschichte vorhersagen könne. Laut der Theorie erfolgen diese Novelties in immer kürzer werdenden Abständen, deren Endpunkt ungefähr im Jahr 2012 erreicht werden sollte.
Welches Ereignis beim Erreichen dieses Zielpunkts – von ihm „the transcendental object at the end of time“ genannt – zu erwarten sei, konnte er zu Lebzeiten nicht konkret beantworten. Der Endpunkt, bestehe in einer gesellschaftlich-alchimistischen Vereinigung von Geist und Materie, die er wie folgt skizziert:
„Imagine if every problem were solved appropriately, if every relationship evolved appropriately, if every act were an appropriate one. That alone would be the kingdom of heaven. And that is, I think, what we’re pushing toward. Not cosmic fireworks or the descent of alien beings in flying saucers, but simply appropriate activity—empowered, felt experience — the abandonment of the illusion of separateness.“
(Mckenna, 1992, p. 22 f)
Das Ausbleiben eines spektakulären Ereignisses zum Ende des Jahres 2012 sorgte für Enttäuschungen in Teilen seiner Leserschaft. Im selben Jahr fand sich zudem im seriösen Wissenschaftsjournal der Satz: „prominent popularizer of the 2012-doomsday meme, psychedelic guru Terence McKenna.“ – Betrachtet man das obige Zitat, dann scheint diese Meinung bestenfalls schlecht recherchiert.
Als erklärter Skeptiker sprach er sich gegen das Konzept von Gurus aus und ermahnte seine Zuhörer dazu, eigenständig zu denken, in Anlehung an Leary: „Think for yourselves and question authority“:
“I am no fan of gurus. I think that they have done quite enough for us, thank you, and that it is nothing that sophisticated people need to have anything to do with. Now I am not saying that there aren’t people who have the wisdom that life confers, who can tell you how to live, how to die, how to carry on a relationship, have a child, and so forth and so on. But psychedelics address the unseen side of reality, the utterly Other, the transcendentally alien, and that is what interests me.”
(Mckenna, 1992, p. 12)
Sein Skeptizismus gegenüber Autoriät schlug sich auch in seiner politischen Einstellung als Anarchist nieder. Deutlich wird dies insbesondere in seinem Wahlspruch „Culture and Ideology are not your friends“. Er stellte sich jedoch nicht nur gegen die rechtsgerichtete Politik der von Reagan, Bush und Clinton-Administration, sondern unterstütze insbesondere ökologische und feministische Bestrebungen. Die von ihm häufig genutzte Vokabel der „Dominator-Culture“ bezieht sich dabei auf die Theorien von Riane Eisler (in „Chalice and the Blade“) – welche nicht nur unter Psychonauten große Wertschätzung genießt.
Dennoch vergaß McKenna nie die Erkenntnisse aus den 60er Jahren. Niemals propagierte er gewaltsame Methoden, auch wenn dies bedeuten sollte, abwertend als Träumer oder „Hippie“ bezeichnet zu werden.
“I am a political activist, but I ink that the first duty of a political activist is to become psychedelic. Otherwise you’re not making your moves cognizant of the entire field of action. This is the thing: the importance of human values has to be fought back into the discussion of political priorities. This was attempted in the sixties; now it’s presented as a joke that people would ever „stand up and say that love is the answer. It‘s inconceivable in the present milieu.”
(Mckenna, 1992, p. 13)
Um diverse psychoaktive Ritualpflanzen vor dem Aussterben zu schützen, gründete McKenna mit seiner damaligen Frau Kathleen Harrison das Projekt „Botanical Dimensions“. Sie legten auf ihrem mehrere Hektar großen Grundstück auf Hawaii einen botanischen Garten mit verschiedensten psychoaktiven Gewächsen an, sammelten ethnobotanisches Wissen und gaben dieses an interessierte Schamanen und Psychonauten weiter.
Gegen Ende des Jahres 1999 litt McKenna unter häufigen Migräneattacken, die sich als Symptome eines aggressiven Hirntumors herausstellen sollten. Er erlag dieser Krankheit am 3. April des Jahres 2000.
Zu seinen Hinterbliebenen zählen sein Bruder Dennis McKenna, mit dem er sein Interesse für psychedelische Wissenschaft teilte, seine Kinder Finn und Klea McKenna sowie deren Mutter Kathleen Harrison wie auch viele seiner Freunde und Weggefährten, u.a. Rupert Sheldrake, Ralph Abraham.
Während seine sterbliche Hülle vergangen ist, erfreuen sich seine weitgehend frei zugänglichen Vorträge und Memes bester Bekanntheit. Insbesondere in den psychedelischen Musikgenres, z.B. im Psy-Trance-Bereich, haben McKenna-Zitate, wie „self-transforming machine elves“ (Mckenna, 1992, p. 16), mittlerweile Kultstatus. Die Zahl der Kunstwerke mit McKenna-Bezug wächst stetig und ist nahezu unüberschaubar geworden.
Waren seine Ideen nicht immer wissenschaftlich haltbar, so sind seine poetische Qualität und seine Forderung nach direkter Erfahrung dennoch und insbesondere heute relevant.
“And I saw the psychedelic experience as recovering our birthright. (…) Because you are not a fully matured human being in touch with the potential of reality unless you have had a psychedelic experience. You don’t have to embrace it—or abuse it—but you have to know that it exists. And there’s only one way to know that it exists, and that’s to have it.”
(Mckenna, 1992, p. 9)
(Dirk Netter)
Mckenna, T., 1992. The Archaic Revival: Speculations on Psychedelic Mushrooms, the Amazon, Virtual Reality, UFOs, Evolution, Shamanism, the Rebirth of the Goddess, and the End of History, 1st edition. ed. HarperCollins, San Francisco, Calif.
Weiterführendes:
Eisler, R., 1988. The Chalice and the Blade. Harper & Row, New York, NY.
McKenna, D., 2012. The Brotherhood of the Screaming Abyss. Polaris Publications, an imprint of North Star Press.
Mckenna, T., 1994. True Hallucinations: Being an Account of the Author’s Extraordinary Adventures in the Devil’s Paradis, Reprint. ed. HarperOne, San Francisco.
McKenna, T., McKenna, D., 1994. The Invisible Landscape: Mind, Hallucinogens, and the I Ching, Reprint edition. ed. HarperOne, San Francisco, Calif.
https://erowid.org/culture/characters/mckenna_terence/mckenna_terence.shtml