Im Drogenfachgeschäft

Genießer kaufen gerne in Bioläden oder Delikatess-Fachgeschäften ein. Die Milch soll von Bio-Bauernhöfen kommen, auch die Kühe sollen möglichst Futter ohne Gentechnik verzehrt haben. Joghurt soll mit Früchten aus Öko-Landbau und ohne Konservierungsstoffe zubereitet sein. Die Eier stammen selbstverständlich nur von Hennen aus Freilandhaltung, Salat, Gemüse und Obst ausschließlich vom Biobauern, und der Wein kommt aus einer genau deklarierten Gegend, mit Angabe der Rebsorten auf dem Etikett. Wenn die Trauben an sonnenverwöhnten Hängen gereift sind und in einer Spätlese von Hand geerntet wurden, kauft der Genießer gerne ein paar Flaschen vom edlen Tropfen.

Es braucht einen regulierten Cannabismarkt!

Ja, der Weinliebhaber hat es gut. In der Weinhandlung hat er eine große Auswahl. Da findet er zum Beispiel eine Flasche vom Weingut Castellare di Castellina in der Toskana, auf 600 m.ü.M. zwischen Florenz und Siena. Die Bezeichnung Chianti Classico Riserva sagt dem Weinliebhaber, dass der Wein mindestens 12 Monate im Barrique (Eichenfass) gereift ist. Die Angabe der Rebsorten (90 % Sangiovese, 5 % Canaiolo, 5 % Ciliegiolo) verrät ihm, dass es sich um einen vollmundigen Rotwein handelt. Auf dem Etikett findet man zudem eine Angabe zum Alkoholgehalt (13,5 % vol.) sowie einen Allergenhinweis («Enthält Sulfite»).

BIO-LIBANESE Der Haschischliebhaber hätte es genauso gut, gäbe es Drogenfachgeschäfte. Er fände dort eine große Auswahl von Haschischsorten. Zum Beispiel roten Libanesen aus Yammoune, einem Dorf auf etwa 1400 m.ü.M. am Osthang des Libanon-Gebirges, etwa 30 Kilometer nordwestlich von Baalbek, im klassischen Cannabis-Anbaugebiet des Libanon, der Bekaa-Ebene. Es handelt sich um eine besonders würzige und wohlschmeckende Haschischsorte, da die Cannabispflanzen am Osthang des Libanon-Gebirges mehr Temperaturschwankungen unterworfen sind als auf der anderen Seite der Bekaa-Ebene an den Westhängen des Anti-Libanon-Gebirges. Denn wie beim Wein spielt auch bei Cannabis die Lage des Anbaugebietes eine große Rolle.
Auf dem Etikett des roten Yammoune-Libanesen stünde der Hinweis, dass es sich um ein Bioprodukt handelt, von Hand gesiebt und ohne Zusätze gepresst, und dass das Haschisch etwa 6,5 % THC, 12,5 % CBD und 1 % CBN enthält. Der Kunde wüsste also genau, was er bekommt. Vor allem der Wirkstoffgehalt ist bei der Sortenwahl von großer Bedeutung, da das Verhältnis von THC zu CBD ausschlaggebend für das Wirkungsprofil ist (eine typische Wirkstoffkombination von Haschisch aus Afghanistan wäre beispielsweise 10 % THC, 7 % CBD und 2,5 % CBN, bei Zero-Haschisch aus Marokko 11 % THC, 6,5 % CBD und 2 % CBN).

GESTRECKTE SORTEN Wegen der Prohibitionspolitik rauchen heute die meisten Leute Gras mit einem sehr hohen THC-Gehalt und einem extrem niedrigen CBD-Gehalt, manchmal mit unerwünschten Nebenwirkungen. Zudem sind die Grassorten oft mit Zusatzstoffen gestreckt, was zu weiteren unerwünschten Nebenwirkungen führen kann – insbesondere, wenn Cannabis von minderer Qualität mit künstlichen Cannabinoiden aufgepeppt wird. Solche Produkte führten schon zu massenhaften Einweisungen in Krankenhäuser und auch schon zu Dutzenden von Todesfällen.
Nach dem Genuss von gutem Haschisch ist noch niemand gestorben, nach dem Konsum von synthetischen Cannabinoiden – die in erster Linie wegen des Cannabisverbotes konsumiert werden – sterben immer wieder Menschen. Zur Prävention braucht es kein neues Gesetz über Neue Psychoaktive Substanzen, sondern einen regulierten Cannabismarkt mit Fachgeschäften sowie seriöse Aufklärung und Beratung. Wir brauchen für eine gesunde Zukunft mehr Drogenkultur und weniger Paragraphen.

Hans Cousto ist Sachbuchautor, Musikwissenschaftler und Mitbegründer von Eve&Rave Berlin.